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Selbstzeugnisse des Marxismus

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Mit dem Band „Politik“ schließt die dreibändige Dokumentation über den Marxismus ab, die von Professor Iring Fetscher, dem Frankfurter Politologen, mit kundiger Hand ausgewählt und kommentiert worden ist. (Band I, „Philosophie — Ideologie“, erschienen 1963, wurde bereits in Nr. 40/1963 der „Furche“ besprochen.)

Ihrem Zweck entsprechend sind die drei Dokumentenbände ein Versuch, den Marxismus in repräsentativen Selbstaussagen darzustellen. Darüber hinaus hat der Herausgeber es unternommen, heute bereits schwer zugängliche Literaturstellen, deren Kenntnis für das Verständnis des Marxismus jedoch wesentlich ist, zu publizieren.

Neben den vielen Büchern über den Marxismus ist die vorgelegte Dokumentensammlung deshalb von Bedeutung, weil sie ohne oft verdeckende und emotional bestimmte Interpretation die Chance bietet, den Marxismus in Originaltexten zu studieren und dadurch zu einem eigenen Urteil zu kommen.

Im Band II legt Professor Fetscher Texte zur Ökonomie des Marxismus vor, weist jedoch vorsorglich darauf hin, daß die Bedeutung von Marx als Ökonom — sicherlich eine Folge der Konfrontation von Marxismus und ökonomischer Wirklichkeit — unverkennbar abnimmt. Neben Texten aus den Werken von Adam Smith und David Ricardo, deren Argumente Marx wesentlich zu seinen ökonomischen Schlußfolgerungen bewogen haben, läßt der Autor Friedrich Engels und selbstverständlich ausführlich Karl Marx selbst zu Wort kommen. Ein weiterer Abschnitt ist Texten aus der Marxismuskritik (Böhm-Ba-werk) und den Versuchen einer Synthese von Marxismus und Grenznutzenlehre gewidmet, ebenso der Kritik derselben durch Marxisten. Größeren Raum hat der Autor Texten aus dem Bereich der Imperialismusthese eingeräumt.

Die Soziologie in der Schauweise des Marxismus, seine Analyse der Gesellschaft, sieht der Verfasser im Schrifttum über die Klassen ausgewiesen, wobei Textstellen von Revisionisten (Bernstein, David) ebenso wie von Orthodoxen (K. Kautsky, Cunow, Lenin und Lukacs) veröffentlicht werden.

Band III ist der Politik gewidmet. Mit Recht bemerkt der Herausgeber im Vorwort, daß der Marxismus alle Theorien auf politische Effekte hin abstellt und gerade das Politische schwer aus dem Komplex des Schrifttums der Marxisten herauszulösen ist. Daher hat sich Professor Fetscher darauf beschränkt, in Band III nur jene Texte aufzunehmen, die einen spezifisch politischen Gegenstand betreffen, wie zum Beispiel den Staat.

Von Hegeischen Texten und vom Tatbestand einer evidenten Beeinflussung von Karl Marx durch Hegel ausgehend, kommen bei der Darstellung des Staates an sich neben

K. Kautsky, M. Adler, Lenin und Bucharin zu Wort; in der Staatskritik werden Stellen aus Werken von Marx, Engels. Trotzki und Kautsky veröffentlicht.

Im Kapitel Nation sind es neben den oben zitierten Autoren noch R. Luxemburg und Stalin, von denen Texte veröffentlicht werden.

Wesentlich für die Aussage des Marxismus zur Politik sind Textstellen zum Gegenstand des Rechts, der Partei, der Revolution sowie des Sozialismus und Kommunismus selbst. Ungemein wertvoll und Zeugnis außerordentlicher Arbeit sind die dem Band III beigefügten bibliographischen Hinweise und biographischen Anmerkungen.

Bei einer Dokumentation wie der vorliegenden ist es naturgemäß

schwierig, auf die einzelnen zum Teil schon klassisch gewordenen Texte einzugehen und sie zu interpretieren. Was zu prüfen war, ist der Wert der Textesammlung für die praktische Arbeit und das getroffene Auswahlprinzip.

Die Fülle des Schrifttums, das Marxisten produziert haben, macht es auch den Sozialisten unmöglich, einzelne Darstellungsgegenstände, wie zum Beispiel das Phänomen des Austromarxismus, aus dem Schrifttum rasch zu isolieren. Professor Fetscher hat durch die Gliederung und die Art der Auswahl der Texte neben einer Geschichte des Marxismus eine (soweit noch möglich» Systematik derselben geboten, die sich von anderen systematischen Darstellungen, wie eingangs festgestellt, daduroh unterscheidet, daß sie im wesentlichen aus Selbstzeugnissen besteht, die ein unbefangenes Ersturteil des Lesers möglich machen.

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