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Nobelpreisträger, Professor, Diplomat

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Pearson war Universitätsprofessor und Diplomat, ehe er sich der Politik zuwandte und Führer der Liberalen und Premierminister wurde. Er ist der Ansicht daß die Mittelmacht Kanada in der Sphäre der Weltpolitik eine besondere Aufgabe erfüllen könne. Der 13. März war ein Beispiel dafür. Das türkische Ultimatum ließ einen Krieg in Zypern unvermeidlich erscheinen, falls nicht Truppen der UN ohne Zeitverlust auf der Insel eintreffen konnten. Kanadas Außenminister, Paul Martin, handelte schnell. Er ignorierte die konventionellen diplomatischen Schritte und telepho-nierte sofort mit den Ministerpräsidenten von Schweden und Finnland. Die rasche Entsendung von Soldaten der UN nach Zypern verhinderte fürs erste das Schlimmste.

Obwohl Lester B. Pearson nur eine Minderheitsregierung führt, ist seine Position nicht ungünstig. Der Wahlsieg seiner liberalen Partei in der Prärieprovinz- Saskatchewan, die seit 20 Jahren als „Nordamerikas sozialistische Insel“ galt,vergrößert sein Prestige in der Innenpolitik.

Zudem erfreut sich Kanada einer eindrucksvollen Prosperität. Weizenverkäufe an Rußland und China haben der Prärie einen außerordentlichen Wohlstand gebracht (So riesig sind beispielsweise die russischen Weizenkäufe, daß man aus dem Getreide vier Laib Brot für jeden Bewohner der Erde backen könnte!)

Alberta, die Nachbarprovinz Saskatchewans, ist von einem neuen „ölrausch“ erfaßt. Im Norden Ontarios steht die Bergwerkstadt Timmins im Bann eines „Kupferrausches“, der dazu führte, daß an der Toronto Stock Exchange an einem Tag 28,704.000 Aktien gehandelt wurden, eine Zahl, die bis-nun keine andere Börse Nordamerikas erreichte. Timmins war seit dem Jahre 1909 als die „Stadt mit dem goldenen Herzen“ bekannt, da hier Gold im Wert von mehr als einer Billion Dollar aus der Erde geholt wurde. Nun gelang es der Texas Gulf Sulphur Co., riesige Erzvorkommen (Kupfer, Silber und Zink) zu finden, was Timmins Bürgermeister, Leo Del Villano, zu dem triumphierenden Ausruf veranlaßts:

„Wir sitzen auf einem Schatz!“

Steigende Börsenkurse und ein optimistisches Budget — Finanzminister Walter Gordon erwartet eine Steigerung des Bruttosozialproduktes um fünfeinhalb Prozent

— spiegeln den vorherrschenden Optimismus. Die Prosperität sollte auch zu einer verstärkten Einwanderung führen. Kamen im Vorjahr 93.151 Einwanderer (darunter 6744 aus Deutschland, 999 aus der Schweiz und 799 aus Österreich), so gelten nun 193.000 (ein Prozent der Bevölkerungszahl) als erstrebenswertes Ziel. Mit mehr als 1,050.000 stellen die Deutschkanadier — nach den Anglo- und Frankokanadiern

— die drittstärkste Bevölkerungsgruppe.

Pearson ist auch bemüht, zusätzliches europäisches Kapital für Investierungen zu gewinnen. So groß ist der Zustrom amerikanischen Dollars, daß europäische Investments als „Gegengewicht“ hochwillkommen wären. Der Besuch von Bundeskanzler Dr. Erhard in Ottawa mag auch in dieser Sphäre zu interessanten Entwicklungen führen.

Anläßlich seines 67. Geburtstages wurde Pearson — der einzige Friedensnobelpreisträger, der Premierminister ist — mit einer Reihe von Geschenken bedacht. Aus Europa kam unter anderem das Bild einer Tulpe, der neuen, in Holland gezüchteten Lester-B.-Pearson-Tulpe. Ein kaum weniger willkommenes Geburtstagsgeschenk war der Wahlsieg seiner Partei bei den Landtagswahlen von Saskatchewan ...

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