Benedikt in Auschwitz

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Die Rede Benedikts XVI. in Auschwitz ist mit großer Spannung erwartet worden. Wie würde der Papst aus Deutschland die Herausforderung theologisch aufnehmen? Der Eindruck hinterher war zwiespältig, die Reaktionen waren es auch. Es gab ein Zuviel und ein Zuwenig.

Zuviel war der Passus, in dem der Papst davon sprach, dass das deutsche Volk von einer "Schar von Verbrechern" als mehr oder weniger willenloses Instrument "gebraucht und missbraucht werden konnte". Wären die Deutschen und Österreicher bloß solche gebrauchten und missbrauchten Instrumente einer verbrecherischen Politik gewesen, dann könnten sie sich zu Recht als verführte Opfer verstehen, die keine Verantwortung für das Geschehene übernehmen müssten. Diese Deutung der Geschichte war in Deutschland bis in die 60er Jahre üblich, in Österreich bekanntlich entsprechend länger, bis in die 90er Jahre. Prompt haben einige Stimmen gemeint, der Papst hätte dem deutschen Volk eine Art von Absolution erteilt.

Und das Zuwenig? Das bestand darin, dass in der Rede des Papstes die Mitschuld der Kirche am Antisemitismus durch ihre jahrhundertelange antijüdische Predigt und Praxis nicht angesprochen wurde. Kann wirklich vom Antichristlichen der Judenverfolgung gesprochen werden, ohne die Mitschuld der Kirche zu erwähnen? Am jährlichen "Tag des Judentums" bekennt die christliche Gemeinde: "Herr, unser Gott, wir bekennen vor dir, dass wir uns als Kirchen und oft auch als einzelne Christinnen und Christen schuldig gemacht haben an deinem Volk Israel. Mit tiefem Schmerz sehen wir die lange Spur an Blut und Tränen, an namenlosem Leid und Tod durch die Jahrhunderte, die Christen verursacht haben."

Erst die Einsicht in die eigene Schuld macht zur Umkehr fähig.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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