Ein offenes Ohr für die Männer

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In Wien gibt es einen Seelsorger für die Feuerwehr: Konkrete Pastoral mit Menschen, die mit den Grenzsituationen des Lebens konfrontiert sind.

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In Wien gibt es einen Seelsorger für die Feuerwehr: Konkrete Pastoral mit Menschen, die mit den Grenzsituationen des Lebens konfrontiert sind.

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Bei einem Großbrand im September 1998 stirbt ein 42jähriger Feuerwehrmann, und mehrere seiner Kollegen werden mit schwerer Rauchgasvergiftung ins Spital gebracht: Das bedrückendste Erlebnis seiner seelsorgerischen Tätigkeit bei der Wiener Feuerwehr wird Franz Bierbaumer nie vergessen. Tagelang fuhr er ins Spital und zur Feuerwehrwache und half den Verunglückten und ihren Kollegen mit Gesprächen über das Geschehen hinweg und den Schock zu überwinden. Auch mit den Angehörigen des Verstorbenen nahm der Priester Kontakt auf. Er besucht sie bis heute.

Der 35jährige Weinviertler kennt die Risiken im Alltag eines Feuerwehrmannes. Gleich nach seiner Priesterweihe, vor zehn Jahren, wurde er Seelsorger bei einer freiwilligen Feuerwehr am Land und fuhr oft bei Einsätzen der Feuerwehrmannschaft mit. 1995 beauftragte ihn Erzbischof Christoph Schönborn mit der Seelsorge der Wiener Feuerwehr. Die Betreuung von 1.700 Männern (eine Frau ist auch schon dabei), die meisten zwar mit christlichem Hintergrund, jedoch viele von ihnen aus der Kirche ausgetreten, war eine Herausforderung für den jungen Priester. "Am Anfang waren die Leute mißtrauisch, manche sogar ablehnend", sagt Bierbaumer. "Ich nahm negative Reaktionen aber nie persönlich. Manche haben eben schlechte Erfahrungen mit der Kirche in ihrer Kindheit oder Jugend gemacht." Durch unaufdringliche Gespräche über alltägliche Probleme oder über den Sinn des Lebens gewann er allmählich das Vertrauen der Feuerwehrmänner. Heute trifft er viele von ihnen auch außerhalb der Dienstzeit. Er wird zu Taufen und Hochzeiten eingeladen oder geht manchmal einfach mit den Feuerwehrmännern etwas trinken.

Bierbaumer besucht dreimal in der Woche die Feuerwehrwachen. (Die größte davon besteht aus 40 Männern, die kleinsten umfassen sechs oder sieben Leute). Am Mittwoch trifft er die Feuerwehrjugend, Jugendliche zwischen zwölf und 18 Jahren, die durch ihr Engagement den Beruf des Feuerwehrmannes kennenlernen wollen.

Bewußt fängt der Seelsorger nie als erster an über Glaubensfragen zu sprechen, sondern läßt die Gespräche sich natürlich entwickeln. Aus der von den Feuerwehrmännern öfters gestellten Frage: "Warum existiert Leid?" ergeben sich auch Glaubensdiskussionen. "Für mich ist unwichtig, ob die Leute katholisch oder ausgetreten sind, oder anderen Religionen angehören", meint Bierbaumer. "Ich möchte, daß diese Leute durch mich die Kirche positiv erleben." Wenn jemand der Feuerwehrmänner Aggressionen gegen die Kirche äußert, fühlt er sich nicht persönlich betroffen. Eine negative Äußerung ist für ihn besser als Gleichgültigkeit, denn Aggression könnte auch ein Einstieg in ein Gespräch sein.

Vorsichtige Angebote Unter den Feuerwehrmännern finden sich ganz unterschiedliche Charaktere. "Dennoch ist die Atmosphäre kollegial und gemütlich", erzählt der Seelsorger. "Schließlich riskieren die Männer beim Einsatz gemeinsam ihr Leben." Manche sind zurückhaltend. Mit anderen wiederum bleibt er bis spät in die Nacht auf der Wache und redet über Gott und die Welt. "Ich fühle mich angenommen und akzeptiert." Es gibt auch Feuermänner, die praktizierende Katholiken sind und regelmäßig eine Messe besuchen.

Zur Zeit bietet der Seelsorger aber keine spezielle Messe für seine Schützlinge an. "Das könnte auf den Rest der Leute abschreckend wirken", meint er. "Am Land gehört es zur Tradition der Feuerwehr, daß die Mannschaft sonntags geschlossen in die Messe geht. In der Großstadt ist Religion zu sehr Privatsache. Jedes zudringliche Angebot könnte mißdeutet werden und zum Vertrauensverlust führen."

Der junge Priester hat für die Probleme seiner Gesprächspartner immer ein offenes Ohr. Er versucht bei seinen Besuchen zu zeigen, daß er für die Leute Zeit hat. Sein Handy hat er immer in der Tasche und ist bereit auch außerhalb der Dienstzeit, am Wochenende und an Feiertagen zuzuhören. Und wenn möglich auch zu helfen.

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