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Revolution und Revolte - ein Stück Amerika.

Heuer jährt sich zum fünften Mal der Todestag von Allen Ginsberg und William S. Burroughs. Auch zu Lebzeiten galten die beiden Autoren als Apologeten der Freiheit in der Literatur und Kunst. Nicht selten wurden sie als Revolutionäre betrachtet.

Der Begriff Revolution ist nur als politischer zu verstehen, wobei - wenn nicht - sich sofort die Frage nach dem Unpolitischen innerhalb des künstlerischen Schaffens stellt. Gibt es nicht. Gut.

Der Unterschied zwischen Revolution und Revolte ist deswegen wichtig, weil letztere sich als Empörung oder Auflehnung versteht, erstere entweder eine Sternenkonstellation, den gewaltsamen Umsturz der bestehenden Staatsform oder jenes meint, das für eine fortschrittliche Gesellschaftsordnung kämpft.

In der deutschen Literatur gibt es einige Beispiele für Revolutionäre: Heinrich von Kleist, Georg Büchner, Gustav Landauer, Peter Weiss, von mir aus Jura Soyfer, in der fremdsprachigen Literatur Wladimir Majakowskij, Sergej Jessenin, Aleksandr Block oder Michail Rosanov.

Die Beat-Generation und ihre Autoren haben sicherlich eine Revolte innerhalb des Literaturbetriebs versucht und sind dabei den Fluxuskünstlern Emmett Williams, Nam June Paik, George Brecht, Robert Filliou, Dick Higgins oder Diter Rot vergleichbar.

Wenn Ed Sanders in personals schreibt:

I want some hairy beatnik to beat the piss you of me & whip my tense body to sleep every night even though I am a wealthy publisher located in NY I am as obedient as a scared kitty please, won't some yellow fanged mongol stomp on me forever?

Wenn er das schreibt und meint, kann man sich gut Musik dazu vorstellen oder die Stimmung einer Zeit: Die Zeit der Blumenkinder. Make love not war. Wenn ich von der Woodstock-Schallplatte the brotherhood of man und don't bogart their joint my friend oder Jimi Hendrix höre. Oder auch Shakespeares the time is out of joint.

Andere waren ebenfalls aktiv oder sind es noch: Jack Kerouac, John Perrault, Steve Richmond, Ron Padgett oder Michael Mc Clure, Jonas Mekas, Donald Barthelme, Charles Bukowski, Tom Veitch, Donald Barthelme, Leslie Fiedler, Gerard Malanga, Dick Gallup, Frank Zappa, Lawrence Ferlinghetti. Alle im Schatten von Marshal McLuhan und Timothy Leary.

Robert Sward

Träume

Alles kostet was. Die Revolution, die Träume vorstellt, die Qualität des Lichts in Aspen, Colorado, der kürzliche Besuch hier von John Wayne.

Acid von Rygulla und Brinkmann, ein Buch über die amerikanische Szene, gibt einen ausreichenden Überblick über die Autoren dieser Zeit, wobei der schönere Titel eben "Revolte und Literatur" wäre.

Allan Ginsberg

Howl

I saw the best minds of my generation destroyed by madness, starving hysterical naked, dragging themselves through the negro streets at dawn looking for an angry fix, angelheaded hipsters burning for the ancient heavenly connection to the starry dynamo in the machinery of night, who poverty and tatters and hollow-eyed and high sat up smoking in the supernatural darkness of cold-water fiats doating across the tops of cities contemplating jazz ...

Im gleichen Jahr 1972 wie mein Handbuch zum ordentlichen Leben ist bei Hanser Alan Ginsberg Indisches Tagebuch erschienen. Reiseliteratur mit dem Traum von der anderen Welt.

Gut, die Öffnung zur Musik, zu den Drogen, zu den asiatischen Religionen und Philosophien war das Neue. Keine Revolution. Eine Revolte mit Folgen.

Auch wenn Burroughs naked lunch mit dem Satz beginnt:

Ich spüre, wie mich die Bullen einkreisen, wie sie da draußen überall ihren Voodoo-Zauber abziehen und ihre verhexten Spitzel in Stellung bringen, ihre Beschwörungsformeln mauscheln über meinem Besteck, das ich in der U-Bahn-Station am Washington Square wegschmeiße, ehe ich übers Drehkreuz springe, die zwei Eisentreppen runter, und den A-Train nach Harlem erwische.

Die Revolte.

Die Revolution.

Mir fällt Giangiacomo Feltrinelli ein.

Heute würde sich Feltrinelli mit uns für eine Globalisierung einsetzen, welche die Armut überwindet, indem die Macht nicht mehr ausschließlich den reichen Ländern dieser Welt überlassen wird, sondern die armen Länder und Völker an dieser Macht voll und ganz beteiligt, so Nadine Gordimer in der Märzausgabe 2002 der Zeitschrift "Du".

Giangiacomo Feltrinelli. Ein Dichter und Verleger. Ein Revolutionär.

Ein naher Mond fliegt vorbei. Hoch oben bewegt sich ein Quetzalcoatl-Phönix. Triefendes gelbes Lichtsperma. Es gibt kein anderes Paradies, kein anderes Bewusstsein, keine andere Extase, es gibt weder Tod noch Sterben, es gibt nur Veränderung, nur REVOLUTION im befreiten Gebiet der Sonne. Das Universum widerhallt im pulsierenden Licht wie ein Gong. Ich habe die Sprache des Sonnengongs entdeckt.

Die amerikanische Szene, war - wenn überhaupt - eine Bewegung, die nicht mehr hauptsächlich durch Literatur bestimmt war, sondern eine Öffnung bewirkte zum Film, zur Musik, darstellenden Kunst, Bilder mit Wörtern durchsetzt, Sätze arrangiert zu Bildern, Schallplattenalben aufgemacht wie Bücher. Die Szene bediente sich aller technischer Mittel und schaffte so ein Stück befreite Wirklichkeit, jenseits von Ansprüchen an Qualität, diesseits von aller Wirkung und Originalität.

Die Kontinuität dieser Revolte gegen die vorhandene Kunst zeigte sich, wenn Ed Sanders total assult in the culture proklamierte. Das meinte, dass trotz aller Unterschiede in Stilen, Ausdrucksformen, Bildern und Denk-, Hör- und Empfindungsweisen etwas Durchgehendes bestimmend sei, nämlich die Erweiterung des Äusserns und Ausdrucks gegen das Denken des propagierten Fortschritts in den U.S.A.

Marshall McLuhan sagte: We are back in acoustic space.

Gut. Was immer in Literatur oder Kunst an Neuem passiert, es richtet sich gegen das Alte, gegen Konventionen, Routinen und gegen alle Beschränkung von Ausdruck und Freiheit.

Ob das nun eine Revolution ist oder eine ewige Baustelle des Begreifens von Wirklichkeit oder die schwelende Revolte gegen Macht und Bewahren, ist eine andere Frage.

George Maciunas verfasste 1970 ein Manifest:

Purge the world of bourgeois sickness, intellectual, professsional & commercialized culture, purge the world of dead art, imitation, artificial art, abstract art, illusionistic art, mathematical art, - purge the world of europanism!

Promote a revolutionary flood and tide in art, promote living art, anti-art, promote non art reality to be grasped by all peoples, not only critics, dilettantes and professionals.

Fuse the cadres of cultural, social & political revolutionaries into united front & action.

Hat er damit eine Revolution geschafft? Oder ist er ein Denkmal innerhalb der musealen Kulturbetrachtung geworden?

Revolution? Oder Revolte? Ein Protest. Widerstand. Oder Literatur wie bei Büchner und Kleist oder Peter Weiss.

In der Nachfolge der großen amerikanischen Autoren wie Ernest Hemingway, William Faulkner, Norman Mailer, Upton Sinclair, Herman Melville, John Steinbeck, John Updike, Tennessee Williams, W. C. Williams, James Baldwin, Mark Twain, Raymond Chandler etc. betrieben die Autoren der beat-generation eine Erweiterung des Bewusstseins, ein neues Alphabet der Wahrnehmung, eine kritische Position zum klassischen Amerikanismus, thematisiert auf die speziellen Szenen und Gesellschaftsformen, verbunden mit Musik, Film, events und jeder Art von performance.

Die zeitgenössischen Bestellerautoren wie John Grisham, Henning Mankell, John Irving, King oder Rita Mae Brown kehrten wieder zurück zu den alten Schemata, entsprechen zwar nicht der Qualität der Altvorderen, geben sich aber konventionell genug, um ihren Erfolg zu garantieren.

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