Die Wiederentdeckung der Natur

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Landschaftsplaner, Designer, Künstler ringen der Natur neue Qualitäten ab. Eine Schau im Künstlerhaus Wien zeigt spannende Positionen aus aller Welt.

Die Zeiten, zu denen sich ökologisches Bewusstsein auf birkenstockbeschlapfte Müsli-Esser beschränkte, sind vorbei. Natur ist vom Randphänomen zum zentralen gestalterischen Thema für unterschiedliche Disziplinen geworden. Artenschwund, Klimawandel, die Urbanisierung, aber auch schrumpfende Städte bedrohen die Existenz natürlicher Grünräume, Gärten und Parks. Landschaftsplaner, Architekten, Künstler und Stadtbewohner begannen, sie zu retten, zu transformieren oder neu zu schaffen.

Mit Pflanzen in Kübeln verwandelte die Gruppe Paperopoli das Trottoir vor dem Künstlerhaus zum temporären Stadtgarten: ein grüner Vorläufer für die Schau "(re)designing nature", die von Maria Auböck, der Doyenne hiesiger Landschaftsarchitektur, initiiert wurde. Exemplarisch wählte das Kuratorenteam Susanne Witzgall, Florian Matzner und Iris Meder 30 internationale Projekte aus Kunst und Landschaftsarchitektur, die den oft interdisziplinären State-of-the-Art dokumentieren.

Das Spektrum aktuellen Natur-Designs reicht vom "Guerilla Gardening" - der spontanen Bepflanzung brachliegender Flächen im urbanen Raum - über partizipative Projekte, großräumige Stadtplanungen bis zur ökologisch renaturierenden Neubepflanzung von Mülldeponien. Auch als alternative Energiequelle ist die Natur ganz wesentlich. Architekt Vincent Callebaut entwirft nach bionischen Prinzipien und betreibt avancierte alternative Energiefeldforschung. Sein walfischartiges Schiff "Physalia" soll Menschen und Güter emissionsfrei auf dem Wasserweg transportieren. Das visionäre Projekt ist von der Qualle Physalia physalis inspiriert und funktioniert als "hydrodynamisches Labor". Das Plus-Energie-System geht eine symbiotische Beziehung mit seiner Umwelt ein. Im Inneren sind Luftgärten geplant, das Dach besteht aus einer pneumatischen Doppelmembran, Fotovoltaikelementen und Grünflächen, die das Wasser reinigen sollen. Derzeit noch Zukunftsmusik.

Freiraum für Licht und Luft

Was ein Garten in der kontaminierten Lebenswelt marginalisierter Slumbewohner bewirken kann, beweist das Projekt "Ashar macha/Plattform der Hoffnung": Landschaftsarchitekt Khondaker Hasibul Kabir initiierte es im größten Slum von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka. Viele Migranten wohnen dort auf engstem Raum illegal am Wasser. Kabir begann, robuste Pflanzen zu säen und mit Studierenden eine Plattform auf Stelzen über dem Fluss zu bauen. Auf einmal gab es einen Freiraum mit Licht, Luft und Pflanzen, der von einer engagierten Familie betreut wird. Die Schönheit des Gartens lehrte sie die Achtsamkeit. Wo früher Mist war, wachsen nun Obst, Gemüse, Blumen und Kletterpflanzen, die Schatten spenden. "Vorher war der Platz voller Müll, kaum jemand war dort", erzählt die Mutter. "Als die Plattform gebaut wurde, kamen Kinder aus allen Erdteilen." Inzwischen gibt es dort auch eine Leihbibliothek. In einem Dokumentarfilm lässt sich verfolgen, wie die Plattform der Hoffnung gedieh. Längst wird sie von den Bewohnern selbst betrieben.

"Ein wesentlicher Bereich ist auch die Renaturierung von Müllhalden, ehemaligen Militärzonen und postindustriellen Arealen", sagt Susanne Witzgall. Prominentes Beispiel dafür ist die Revitalisierung der 1980 stillgelegten High Line in New York. Die Landschaftsplaner James Corner Field Operations und das Architekturbüro Diller Scofidio + Renfro gewannen den Wettbewerb zu ihrer Gestaltung: Sie ließen die alten, malerisch von Pflanzen überwucherten Geleise stehen und bauten sie zum urbanen Landschaftspark mit Aussichtsplattformen, Bänken und Terrassen in lichter Höhe aus. Als grünes Band zieht sich die High Line nun 1,9 Kilometer über Manhattens Häuserschluchten.

Die St. Louis Riverfront, an deren Ostufer der 192 Meter hohe, von Eero Saarinen entworfene Gateway Arch steht, wird redesignt. Das Projekt von Balmori Associates reagiert souverän auf den Mississippi: Schwimmende Inseln, Fuß- und Radwege auf Pontons sollen auf wechselnde Wasserstände reagieren. Am Ufer gibt es Cafés, Stadtstrände und ein Schwimmbad.

(re)designing nature

Künstlerhaus k/haus, Karlsplatz 5, 1010 Wien, bis 23. Jänner 2011, tägl. 10-18, Do bis 21 Uhr

www.k-haus.at

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