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Premiere von Wagners "Tristan und Isolde" an der Wiener Staatsoper: musikalisch triumphal, szenisch missglückt.

Handlung in drei Aufzügen hat Richard Wagner sein 1857 bis 1859 entstandenes Musikdrama "Tristan und Isolde" genannt, jeder Regisseur dieses Werkes ist aber mit dem Problem konfrontiert, dass eine Handlung im eigentlichen Sinn kaum stattfindet; gerade 15 Zeilen im Programmheft reichen aus, die Geschehnisse des an Musikzeit vier Stunden beanspruchenden Werkes darzustellen. Es geht also um innere Seelenzustände, für Günter Krämer, den Regisseur der Neuproduktion an der Wiener Staatsoper, um die Unmöglichkeit menschlichen Zusammenlebens und um die Hilfsmittel, es doch zu erzwingen. Der Liebestrank ist für ihn daher eine Droge für das Liebespaar, um dem Alltag zu entfliehen. Tristan und Isolde greifen in seiner Deutung deshalb im zweiten Aufzug gleich noch einmal dazu, um - jeder für sich - in einen Rausch abzutauchen.

Diese Sicht hat der Regisseur in Interviews plausibel darzustellen vermocht, seiner Umsetzung auf der Bühne fehlte es aber entscheidend an sprechender Aussagekraft. Der erste Aufzug überzeugte noch in Details, etwa wie Brangäne bewusst Todes- und Liebestrank austauscht oder wie durch Veränderung des Bühnenbildes (Dekor von Gisbert Jäkel und Kostüme von Falk Bauer deuten die Entstehungszeit der Oper an) der Realitätssprung im Bewusstsein des Protagonistenpaares angedeutet wird. Wenn aber später der Wechsel in den Trancezustand nur durch das Fallen eines Schleiervorhangs und der nachfolgenden konzertant statischen Positionierung des Liebespaares angezeigt wird, zeugt dies weder von großer Einfallskraft noch von handwerklichem Können.

Immerhin stand aber dieser unbedeutenden, teilweise hilflosen szenischen Deutung eine - von wenigen Einschränkungen abgesehen - exquisite musikalische Wiedergabe gegenüber, geprägt durch Christian Thielemann am Pult des Orchesters. Wie er die Partitur in klangfarblicher und dynamischer Hinsicht aufzufächern und in raffinierter Detailarbeit auszukosten verstand, wie er Spannungsbögen differenziert aufbaute und Ausbrüche steuerte, hatte genau jene emotionale Intensität, die der optischen Seite entscheidend fehlte. Mit Deborah Voigt hatte er dazu eine Isolde von scheinbar unerschöpflichen Kraftreserven, strahlendem Höhenjubel und bemerkenswerter Textdeutlichkeit, mit Thomas Moser einen zwar in manchen Höhen merklich angespannt singenden, aber bewusst mit seinen Mitteln haushaltenden, differenzierten Tristan, der sich aber vor allem nie dazu hinreißen ließ, des Effekts willen zu außermusikalischen Mitteln zu greifen (beide gaben in der Premiere vergangenen Sonntag ihre Rollendebüts). Mit auftrumpfender Markanz und starken Höhen gab Peter Weber den Kurwenal, während Petra Lang als Brangäne mit uneinheitlich mulmiger Tongebung und Diktion deutlich abfiel. Zwar textdeutlich, aber doch zu pathetisch zelebriert und in der oberen Lage angestrengt wirkte der Marke von Robert Holl. Zu hoch schien aber auch der Melot für Markus Nieminen zu liegen. Triumphal langanhaltender Jubel hallte den Solisten und dem Dirigenten entgehen, vehement lautstarke Ablehnung erfuhr das Team der szenischen Einstudierung.

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