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Gerade im Nahost-Konflikt bewegen die Medien wenig. Aber sie können unzählige Geschichten erzählen - Ahnung einer bunten, schrecklichen Wirklichkeit.

Es gibt unzählige Geschichten, die der Nahost-Konflikt erzählt: eine davon, bloß ein Mosaikstein, das Schicksal des Israeli Mordechai Vanunu, ist auf der nächsten Seite dieser Furche dargestellt. Mindestens ebenso unzählige Bilder der Gewalt werden aus der Region in die hintersten Winkel der Welt geliefert: das Bild (oben) - ein weinender Israeli am Sarg der Schwester, die von zwei palästinensischen Selbstmordattentätern mit in den Tod gerissen wurde (die Bilder der "Gegenseite", weinende palästinensische Mütter vor den Leichnamen ihrer Kinder, gehen ebenfalls beinahe täglich um die Welt); das Bild (unten) - Israel, das zur Festung gewordene Land, für die palästinensischen "Nachbarn" ein Spießrutenlauf durch Sicherheitszäune und Betonbarrieren.

Die Geschichten und die Bilder aus dem Nahen Osten werden von den Medien transportiert, Berichterstatter analysieren und interpretieren. Und im Nu werden auch politische wie religiöse Gesellschaftsphänomene durch die Ereignisse in Nahost beeinflusst (wie etwa - siehe nebenstehende Interviews - das Aufflammen von Antisemitismus bzw. Islamophobie mit dem Konflikt im Orient zusammenhängt).

Die "Weltkonferenz von Religionen und Frieden" hatte letzte Woche gemeinsam mit der Stadt Rom und dem österreichischen Außenministerium in die Ewige Stadt geladen: Etwa 200 Medien- und Religionsvertreter versuchten dem Spannungsfeld von Medien und Wahrheit nachzugehen.

Gerade beim Thema Nahost wurde aber deutlich, wie sehr auch Experten und schon gar die Betroffenen wenig mehr als Ratlosigkeit anzubieten haben: Da warf der israelische Journalist Europas Medien vor, über den Nahost-Konflikt eklatant einseitig - gemeint: antiisraelisch - zu berichten und die Verbrechen der palästinensischen Seite weit weniger streng zu beurteilen als die Entgleisungen der israelischen Armee. Dem entgegen stand der palästinensische Radiomann, der mit bebender Stimme israelische Untaten einer ganzen Epoche auflistete und seinerseits empört war, dass seine Sache - bei der Konferenz ebenso wie in den Medien an sich - viel zu wenig Resonanz fand.

Frappierend, dass sich in den Grundzügen ihrer Argumentation keine der Konfliktparteien seit Jahren bewegt: Jede Kontroverse zwischen Israelis und Palästinensern wurde schon vor jedenfalls 15 Jahren - und unzählige Tote früher - mit ähnlichen Schlagworten geführt. Auch eine Konferenz in Rom brachte da Medienleute wie Religionsvertreter wenig weiter.

Dennoch: Was ist dann mit den Medien in diesem Konflikt? Der Jesuit Patrick White, Kommunikationswissenschaftler an der Päpstlichen Universität Gregoriana, beschrieb auf der Konferenz die Medien als in einer großen Falle befindlich: Obwohl Medien zu Objektivität und Fairness verpflichtet seien, entkämen sie der allgemeinen Tendenz zu Stereotypen und Ideologien nicht. Weil die Medien außerdem immer mehr vereinfachen müssten, würden sie den Ideologien immer mehr verfallen. White: "Die tägliche Berichterstattung neigt dazu, aus dem Chaos vieler Details eine Erzählung zu konstruieren, die festhält, wer der Schurke und wer der Böse ist."

Auf den Nahostkonflikt angewendet lassen sich solche medialen Vereinfachungen unschwer entdecken und belegen. Und auch, dass alle politischen Player die Medien im Sinne ihrer Ideologien und Stereotype zu instrumentalisieren suchen, ist keine neue Erkenntnis.

Die Frage bleibt dennoch, wie der schleichenden Hoffnungslosigkeit in den Nahost-Auseinandersetzungen beizukommen ist, und was die Medien dazu leisten können.

Am großen Konflikt werden auch die Medien weiterhin wenig bewegen (ungeschützte Randbemerkung: Die Medien schüren die Auseinandersetzungen weit weniger, als manche Kulturpessimisten glauben machen).

Vielleicht sollten sich die Medienmacher dagegen in großer Bescheidenheit üben - und gegen die behaupteten Vereinfachungstendenzen ihre Geschichten setzen. Und nicht locker lassen, sie weiter zu erzählen: vom Schicksal des Mordechai Vanunu, vom Leid des Bruders am Sarg des Selbstmordattentat-Opfers, von der palästinensischen Frau, die ihren von der israelischen Armee getöteten Sohn begraben muss - und von den beiden Friedensaktivisten, beide auf unterschiedlichen Seiten des Nahostkonfliktes lebend, die sich der Realpolitik zum Trotz weiter für den Frieden engagieren.

Medien - im Nahost-Konflikt und anderswo - das wäre dann ein bescheidenes Projekt: Viele Mosaiksteine erzählen viele Geschichten - mit Bildern und geschriebenem wie gesprochenem Wort.

Es darf vermutet werden: Nur ein derartiges Mosaik kann eine Ahnung der bunten, aber immer noch schrecklichen Wirklichkeit vermitteln.

Nebenstehende Gespräche führte Otto Friedrich in Rom.

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