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Der Fall McNamara

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Keiner vor ihm hielt so lange Zeit durch. Er diente zwei Präsidenten, und jener, der ihn nun gehen ließ, nannte ihn einmal „den besten Verteidigungsminister aller Zeiten“. Wie dem auch sei, allgemein hielt man Robert McNamara für den besten Kopf in den Kabinetten Kennedys und Johnsons. Um so größer war nun die Überraschung, als ausgerechnet dieser Mann plötzlich fiel — hinauf natürlich, wie es in höheren politischen Regionen üblich ist: McNamara wurde zum Präsidenten der Weltbank ernannt.

Gerüchte über den bevorstehenden Rücktritt McNamaras trafen die Öffentlichkeit völlig unvorbereitet. Als sie nicht dementiert wurden, hob ein großes Rätselraten an, das sich mit der offiziellen Bestätigung des Revierements nur verstärkte. Was für Gründe hatte Johnson, das beste Pferd aus Seinem Stall ziehen zu lassen oder vielleicht gar dem Auszug nachzuhelfen?

Denn die von Tag zu Tag anschwellende Kritik am US-Engagement in Vietnam traf seltsamerweise nur Johnson mit voller Wucht, nicht aber seinen Verteidigungsminister. McNamara blieb auch in seinen schwächsten Perioden so etwas wie der amerikanischen Nation liebstes Wunderkind. An der Karriere dieses perfekten Managers und kühlen Intellektuellen, der einen zehnfach höher dotierten Posten als Präsident des Ford-Konzerns aulgao, um“ dem Ruf John F. Kennedys zu folgen, entzündete sich die Phantasie, die Begeisterungsfähigkeit eines immer noch jungen, unterschwellig romantischen, fortschrittsgläubigen wie -besessenen Volkes. In der Tat bewährte sich McNamara als glänzender Organisator, als Planungsgenie,

der Ordnung in das Pentagon brachte. Fortan wurden Krieg und Verteidigung programmiert, gleichsam vorausberechnet, und Rechenmaschinen irren sich bekanntlich nie...

Oder doch? McNamara jedenfalls irrte sich oft. Strategisch und politisch. Er war der Vorkämpfer des Prinzips der stabilen Abschreckung; jener Drohung mit dem Gegenschlag, der jeden Angriff zum selbstmörderischen Risiko mächen sollte. Heute wirft man ihm vor, daß er, geblendet von dieser Doktrin, die Raketenabwehr und -rüstjung vernachlässigt habe, so daß Moskau einen gefährlichen Vorsprung erringen konnte. Er war der Elefant im Porzellanladen der NATO, als er den europäischen Verbündeten der USA zu verstehen gab, daß sie im „Krieg der Zukunft“ nur das Fußvolk zu stellen hätten. Er war es schließlich, der als erster China ins Spiel mit dem Feuer auf dem vietnamesischen Exerzierfeld eines dritten Weltkriegs brachte. Wenn manche Kommentatoren jetzt meinen, Differenzen mit Johnson über die Kriegführung in Vietnam hätten McNamara zu Fall gebracht, wenn sie behaupten, der Verteidigungsminister habe sich gegen die Ausweitung der Bombenangriffe gewehrt, so übersehen sie, daß solche Differenzen nur Nuancen ein und desselben Konzepts darstellten. Freilich, daß die „Falken“-Generäle den McNamara-Fall auf ihre Mühlen leiten werden, ist gewiß. Er war, bei allen seinen Mängeln, der beste Kopf in Johnsons Team. Wie nun, orakeln manche, wenn er Aspirationen auf die Präsidentschaft hätte? Auf dem Umweg über die Weltbank? Ob das wohl richtig programmiert wäre...?

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