Kaiserkonterfei auf Barbarenbrust

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Glanzvolles aus der Völkerwanderungszeit: "Barbarenschmuck und Römergold" im Wiener Kunsthistorischen Museum.

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Glanzvolles aus der Völkerwanderungszeit: "Barbarenschmuck und Römergold" im Wiener Kunsthistorischen Museum.

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Den ersten Teil entdeckten zwei Hirtenknaben 1797 beim Zwetschkenpflücken, den zweiten 1889 Tagelöhner beim Erdäpfelsetzen: Heute sind die beiden Teile des "Schatzes von Szilagysomlyo" zum ersten Mal gemeinsam zu bewundern - in der Ausstellung "Barbarenschmuck und Römergold" im Wiener Kunsthistorischen Museum. Der im fünften Jahrhundert im heutigen Siebenbürgen vergrabene Schatz stellt ein wertvolles Zeugnis für die Beziehungen zwischen Römern und Ostgermanen im vierten und fünften nachchristlichen Jahrhundert dar. Denn die insgesamt 73 prachtvollen Objekte aus der Völkerwanderungszeit gehörten wohl einmal einer ostgermanischen Königsfamilie, die mit dem Imperium Romanum verbündet war; sie stammen teils aus römischer, teils aus - wie sich Kunstgeschichtler gerne ausdrücken - barbarischer Produktion.

Die umfangreichen Geschenke der Römischen Kaiser an barbarische Fürsten gelten heute nicht mehr als Zeichen der Schwäche eines im Untergang begriffenen Reiches, sondern als Teil einer geschickten Außenpolitik: Ein Krieg kommt allemal teurer als ein paar Kilo Goldschmuck für Barbarenhäuptlinge. Zum Schatz von Szilagysomlyo gehört eine prächtige Onyxfibel, mit der normalerweise nur männliche Mitglieder des Kaiserhauses ihren Umhang, die Chlamys, zusammenhalten durften. Nur zu ganz besonderen Anlässen erhielten auch die Könige verbündeter Barbarenreiche eine dieser sogenannten Kaiserfibeln. Auch zahlreiche Goldmedaillons, darunter sowohl das allergrößte als auch das allerschwerste aus der Zeit der Antike erhaltene, waren Geschenke des Römischen Kaisers.

Wohl so manche Barbarendynastie hatte durch Bündnisse mit Rom im Laufe der Zeit Schätze wie jenen von Szilagysomlyo angesammelt. Das nun in Wien gezeigte Ensemble wurde im Laufe von 150 Jahren zusammengetragen. Die Kostbarkeiten dienten den Barbarenfürsten als königliche Insignien, sie bedeuteten beinahe eine göttliche Legitimation ihrer Herrschaft, denn die Römische Kultur war zur damaligen Zeit noch immer die mit Abstand angesehenste und prestigereichste. Starke Abnutzungserscheinungen an der Rückseite zeigen, daß die Medaillons häufig getragen wurden, etwa bei offiziellen Anlässen. Daß dabei das Konterfei eines Römischen Kaisers von des Barbarenfürsten geschwellter Brust prangte, diente wiederum dem Imperium als Bestätigung dafür, wer in dem Bündnis das Sagen hatte.

Daß auch die Barbaren mit der Zeit das Goldschmiedehandwerk beherrschten, davon zeugen prächtige Fibelpaare, goldene Schalen und eine einzigartige Brustkette mit 52 geschmiedeten, amulettförmigen Anhängern, die in dem heute in Rumänien liegenden Ort mit dem unaussprechlichen ungarischen Namen gefunden wurden.

Wem der Schatz in den Wirren der Völkerwanderung einmal gehört hat, ist nicht mehr feststellbar. Aleksander Bursche vermutet im Gotenkönig Hermanarik einen der ehemaligen Besitzer. Dieser Fürst beherrschte im vierten Jahrhundert ein großes Reich, das zur Zeit seiner größten Machtentfaltung mit den Römern verbündet war; aus jener Epoche stammen auch die meisten Medaillons des Schatzes von Szilagysomlyo. Die Goten wurden später von den Hunnen unterworfen. Attila Kiss, Kustos am Ungarischen Nationalmuseum in Budapest, favorisiert als einstige Besitzer eine jäh gestürzte gepidische Königsdynastie: Diese habe ihren Königsschatz vergraben, als Ardarich die Macht im Gepidenreich an sich riß; jener Gepidenfürst, der dann lange treuer Vasall der Hunnen war, aber nach dem Tode Attilas in Koalition mit anderen Völkern der Hunnenherrschaft im Karpatenbecken ein Ende bereitete.

Bis 2. Mai

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