Spannendes Projekt - mit Gefahren

Werbung
Werbung
Werbung

Kardinal Schönborn hat letzte Woche als Pilotprojekt zur Kirchenreform die Neuaufstellung des Stadtdekanates 10 (Wien-Favoriten) vorgestellt. Es gibt da Vorgaben - eine Pfarre muss mindestens 4000 Mitglieder aufweisen, ein bestimmter Budgetbetrag ist für "neue Projekte“ zu verwenden, die Infrastrukturkosten werden begrenzt, für Kircheninstandhaltung gibt es kein diözesanes Geld, das hauptamtliche Personal wird um ein Viertel gekürzt. Die Pastoraltheologin Regina Polak bewertet das Konzept.

Die Furche: Kann das Pilotprojekt in Favoriten ein Modell werden?

Regina Polak: Das Projekt ist interessant, weil Favoriten mit allen gegenwärtigen Formen von Pluralität konfrontiert ist. Kulturelle Pluralität - es ist ein Migrationsbezirk. Es herrscht dort religiöse Pluralität - elf Prozent Muslime, sechs Prozent Orthodoxe, 25 Prozent ohne Bekenntnis. Der Bezirk ist auch ein sozialer Brennpunkt: ein Arbeiterbezirk, eine hohe Erwerbslosenzahl, es gibt überdurchschnittlich viele alte Menschen und die Jungen sind wie überall in Wien eine Minderheit. Favoriten ist kulturell, religiös, sozial und politisch eine Herausforderung. Es ist spannend, in einer solch pluralen Situation festzustellen, was es heißt, Kirche zu sein.

Die Furche: Die Gefahr dabei …?

Polak: … ist, dass die bestehenden 15 Pfarren sich ganz stark binnenorientiert und selbstabsichernd verhalten, dass jede Gemeinschaft, Gruppe, Pfarre Partikularismusdenken betreibt.

Die Furche: An den Vorgaben fällt auf, dass es sich da vor allem um "technokratische“ Punkte handelt .

Polak: Ich bin natürlich dafür, auch auf die ökonomische Dimension zu schauen. Aber es ist ein Fehler, zuerst ans Geld zu denken. Ohne inhaltliches Konzept und theologische Kriteriologie eine Reform zu machen, entspricht nicht der katholischen Tradition. Beim Prozess Apostelgeschichte 2010 gab es ja inhaltliche Kriterien - das waren "Mission first“, das interreligiöse Gespräch, die Ökumene und die anderssprachigen Gemeinden. Die müsste man in Erinnerung rufen. Es ist wichtig, diese Inhalte dann auf der Gemeindeebene durchzubuchstabieren.

Die Furche: Was ist das Ziel?

Polak: Auch als Minderheit in Favoriten verliert die katholische Kirche ihren universalen Heilsauftrag nicht. Es ist wichtig, dass die Gemeinden ihr inhaltliches Konzept gemeinsam mit den Menschen vor Ort entwickeln, sich auch einer gründlichen Analyse der Lebenssituation der Menschen widmen: Wer lebt Favoriten? Was brauchen diese Menschen von der Kirche? Da müsste ein Gespräch mit der Zivilgesellschaft und den anderen religiösen Communities stattfinden. Kurz gesagt: Die von außen geben einen Teil der Reform vor. Hand in Hand müsste damit eine Vertiefung im Inneren - der Spiritualität, des Glaubens, der Bildung gehen - aber immer im Blick auf das, was mir die Zeichen der Zeit draußen vor den Kirchentüren mitteilen. Das ist höchst anspruchsvoll, man wird dafür auch Beratung brauchen. Und in einem dritten Schritt muss man schauen, welche Ressourcen dafür da sind. In der Zusammenschau dieser drei Vorgänge kristallisieren sich Aufgaben und Prioritäten heraus. Erst dann sind Entscheidungen zu treffen, Strukturen zu entwickeln und das Geld zu verteilen.

Die Furche: In eineinhalb Jahren soll die Reform umgesetzt sein.

Polak: Solch ein Prozess ist in dieser Zeit nicht leistbar. Auch die Vorgabe, fünf Prozent der Mittel für neue Projekte zu verwenden, wäre zu hinterfragen: Ich möchte wirklich wissen, wie das geschehen kann, ohne mit den Menschen in Favoriten ins Gespräch zu kommen. Unter Zeitdruck entsteht der Stress: Wie bringe ich meine Schäfchen am besten ins Trockene?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung