Spielzeug, das fast zu schön zum Spielen ist
Wenn sich auch die Spiele von einst in Material, Ausführung und den dahinterstehenden Weltbildern von heutigen Spielen unterscheiden, so zeigt die Ausstellung "Spiel!" im Schloss Ambras auch Parallelen zum Heute. Der Imperativ im Titel darf wörtlich genommen werden.
Wenn sich auch die Spiele von einst in Material, Ausführung und den dahinterstehenden Weltbildern von heutigen Spielen unterscheiden, so zeigt die Ausstellung "Spiel!" im Schloss Ambras auch Parallelen zum Heute. Der Imperativ im Titel darf wörtlich genommen werden.
Wenn es um das Spielen ging, blieb Erzherzog Ferdinand II., der Hausherr von Schloss Ambras, lebenslang ein Kind. Weshalb ihm die heurige Sommerausstellung in "seinem Museum" sicher besonders gut gefallen hätte.
Präsentiert werden rund 100 Objekte, mit denen Ferdinand und seine Philippine Welser, ihre Kinder und adeligen Freunde sich vor rund 450 Jahren die Freizeit vertrieben bzw. sich spielerisch auf ihre späteren Aufgaben vorbereitet haben. Mit großem und kleinem, oft benütztem oder als pure Kunstkammerstücke gedachtem Spielzeug, gemacht aus mehr oder weniger kostbaren Materialien. Wobei die Ausstellung reizvoll aufzeigt, dass sich der homo ludens von heute gar nicht so weit von dem von gestern entfernt hat. Wenn auch die verwendeten Materialien, Techniken und Formen klarmachen, wie grundlegend anders die Welt von heute ist bzw. ihre Bewohner "ticken".
Geflirtet und gemogelt
Das fängt schon bei ganz gewöhnlichen Spielkarten an. Etwa dem "Ambraser Hofämterspiel", das bereits Ferdinands Großeltern um die Mitte des 15. Jahrhunderts gespielt haben dürften und aus 48 kolorierten, kunstvoll mit Gold- und Silberauflagen versehenen Karten besteht. Die Farben sind anhand von Wappen dargestellt, die Figuren entsprechen dem "Personal" der fürstlichen Hofhaltung jener Zeit. Schach wird noch heute als das Spiel der Könige bezeichnet, und Menschen blauen Blutes dürften es früher auch gern gespielt haben. Eine ganz besondere Freude dürfte dies mit der prächtigen, um 1700 entstandenen, dem Danziger Künstler Michel Redlin zugeschriebenen höfischen Bernstein-Spielkassette gewesen sein. Ihr auf vier löwenförmigen Füßen stehender Korpus ist an seiner Oberseite als Schachbrett aus hellerem und dunklerem Bernstein gestaltet. Genauso wie die wunderbar detailreich gezeichneten Figurensätze.
Gemälde zeigen, dass an fürstlichen Höfen an oft kunstvoll intarsierten, raffiniert verwandelbaren Spieltischen aber auch fleißig Dame, Mühle oder Backgammon gespielt wurde. Und dabei viel geflirtet und gemogelt wurde.
Zur fürstlichen Kurzweil gehörten aber genauso Bewegungsspiele, bei denen es durchaus sportlich zugegangen sein dürfte. Besonders beliebt war das Pallone-Spiel, ein meist im Freien ausgetragenes Ballspiel, bei dem sich zwei, aus je drei bis sechs Spielern bestehende Mannschaften gegenüberstanden.
Um den Aufprall des schweren Lederballs aufzufangen, trugen die Spieler martialisch aussehende stachelige Schlagärmel aus Holz und zum Schutz vor Verletzungen Lederhelme. Ab dem 16. Jahrhundert gehörten Ballspiele der unterschiedlichsten Art, darunter Vorformen des heutigen Tennis und Fußballs, zu den "rittermäßigen Exerzitien", ausgetragen in eigens errichteten Ballhäusern - auch in Ambras -, nicht zuletzt zu dem Zweck, den Nachwuchs auf spielerische Art und Weise auf das Kriegshandwerk der Erwachsenen zu konditionieren.
Nicht viel anders ging es diesbezüglich den kleinen Prinzessinnen. Auch ihre Spiele sollten lehrreich sein, sie auf ihre zukünftigen Aufgaben als Hausfrau und Mutter vorbereiten. Die Kleider ihrer Puppen sind allerdings aus Samt und Seide, die um ihre Hälse geschlungenen Perlen sind echt, die Köpfe und Gliedmaßen aus Wachs geformt. Ihre ersten Strickversuche unternahmen die Prinzessinnen mit Nadeln aus Elfenbein, aus dem auch ihre winzigen Fingerhüte gemacht sind.
Spielen und entdecken
Nicht so wirklich fein galten in Renaissance und Barock dagegen reine Glücksspiele. Etwa das Würfeln, das im Geruch des Lasterhaften stand, was sich in der fast pornografisch anmutenden Gestaltung von Würfelsätzen niederschlägt. Im edelsten Fall gestaltet als Kunstkammerstücke vom Feinsten aus farbig gefasstem Elfenbein.
In der Ambraser Ausstellung darf aber auch selbst gespielt werden. Und zwar das vom skurrilen Innsbrucker Maler Paul von Rittinger (1879-1953) um die Mitte der Zehnerjahre des 20. Jahrhunderts entwickelte "Sindbadspiel". Ein Brettspiel mit 136 Feldern, bei dem die größten Weltreisenden aller Zeiten zu einer nicht wirklich politisch korrekten Reise durch die alte und neue Welt aufbrechen. Gespielt wird in Ambras noch am 17. September sowie in der Langen Nacht der Museen am 1. Oktober, dem vorletzten Tag der Schau.
Spiel! Kurzweil in Renaissance und Barock
bis 2. Oktober, Schloss Ambras
täglich von 10 bis 17 Uhr
www.schlossambras-innsbruck.at