Kuriositäten des Entdeckungszeitalters

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"Exotica": Schätze aus fürstlichen Wunderkammern im Kunsthistorischen Museum.

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"Exotica": Schätze aus fürstlichen Wunderkammern im Kunsthistorischen Museum.

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Edle Steine und Metalle, Rhinozeroshorn, Elfenbein, das Horn des Einhorns (eigentlich vom Narwal), Kokosnüsse, indianische Meernüsse (Seychellen-Nüsse), Nautilusse, Straußeneier, Bezoare (das sind die Magensteine der Bezoarziege), Korallen, Schildpatt und weitere wundersame Dinge ("Mirabilien") gelangten im Verlauf des 16. Jahrhunderts nach Europa.

Seit der Entdeckung des Seeweges nach Indien durch Vasco da Gama (1497 bis 1499) waren die Portugiesen im asiatischen Raum bis China und Japan vorgedrungen und trieben regen Handel mit Gewürzen, Stoffen und anderen Gütern. Wegen ihrer Seltenheit und den wundersamen Eigenschaften, die man ihnen zuschrieb, wurden die eingangs erwähnten exotischen Waren von den geschicktesten Kunsthandwerkern zu kunstvollen Objekten verarbeitet, zu "Kunstwerken", wie dieser neue Typus hieß.

Die vornehme Kundschaft - denn nur ein äußerst prall gefüllter Geldbeutel und höchste Beziehungen konnten zu solch wertvollen Bezoarbechern, Heliotropschalen oder Seychellennuß-Kannen verhelfen - schätzte diese Exotica als Nachweis für ihr Interesse an den Schätzen der Welt und fügte sie ihren Kunst- und Wunderkammern ein, deren Mode etwa im 14. Jahrhundert aufkam und ab 1620 wieder abklang. Zur Zeit ihrer Hochblüte spiegelten die artificialia, naturalia und scientifica, die aus fernen Ländern über Lissabon und Antwerpen nach Europa kamen, in den Kabinetten oder Studiolos als Mikrokosmos die Vielfalt des Makrokosmos wider. Die Kunstkammerstücke sollten den Betrachter zum Nachdenken über den Zusammenhang aller Dinge führen. Die Erzeugnisse des menschlichen Geistes, der Künste und Wissenschaften und die Wunder der Natur wurden in Schränken und an den Wänden nach Merkmalen und Bedeutung geordnet zur Schau gestellt. Als Kriterien galt die ästhetische Erscheinung, der antiquarische und wissenschaftliche Wert des Gegenstandes. Das für unser Empfinden scheinbare Chaos ergibt sich aus der Überlagerung der damals befolgten Ordnungssysteme, die schlußendlich zur Grundlage für unsere heutigen Naturwissenschaften wurden.

Sammlerleidenschaft Zu den berühmtesten Kunstkammern gehörten etwa jene von König Philipp II., Erzherzog Ferdinand II. von Tirol oder die von Kaiser Rudolf II.. Zur heutigen Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe des Kunsthistorischen Museums in Wien (KHM) gehört das Inventar von vor allem vier habsburgischen Kunstkammern: der weltberühmten Prager Kunst- und Wunderkammer Kaiser Rudolfs II. - ihm haben wir eine Gruppe von erstaunlichen Gefäßen der Steinschneiderfamilie Miseroni zu verdanken -, der "Ambraser Sammlung" Erzherzog Ferdinands II., der "Wiener Kunstkammer" von Kaiser Ferdinand I. und der Grazer von Erzherzog Karl II. von Innerösterreich. Später kamen noch die Bestände der Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelm aus den Niederlanden und die "Estensische Kunstsammlung" hinzu.

Aus dieser Sammlung des KHM, dem Museum für Völkerkunde und der Schatzkammer des Deutschen Ordens werden nun Gegenstände zum Thema "Kunst aus portugiesisch Indien" mit Objekten aus dem Calouste Gulbenkian Museum in Lissabon (dessen Mitarbeiter für die Arbeit an Ausstellung und wissenschaftlicher Erarbeitung des Themas verantwortlich sind), dem Escorial und dem Monasterio de las Descalzas Reales in Madrid zusammengeführt. In der Ausstellung "Exotica - Portugals Entdeckungen im Spiegel fürstlicher Kunst- und Wunderkammern der Renaissance" sollen im KHM rund 200 Objekte das Zeitalter der portugiesischen Entdeckungen in all seiner Prächtigkeit wiederauferstehen lassen. Daß der Geschmack der damaligen Menschen und deren Verständnis für fremde Länder anders war als unsere heutige Sichtweise ist, soll auch die siebenteilige Vortragsreihe mit der Aufarbeitung spezieller Themen zeigen.

Gleich am 13. März werden anhand der wertvollen Wiener Tapisserienserie über den Triumph Dom Joao de Castro die portugiesischen Eroberungen in Indien erhellt. Castro war nicht nur ein bedeutender Seefahrer, sondern auch einer der hervorragendsten portugiesischen Wissenschaftler seiner Zeit. Es wird neben dieser goldenen Zeit Portugals auch die Sammlungstätigkeit von Mitgliedern der Familie Habsburg als Sammler von Exotica im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. Darüber hinaus wird im Mai ein wissenschaftliches Symposium zum Thema Exotica veranstaltet. Weiters sei erwähnt, daß bis 2. Mai in der Schatzkammer des Deutschen Ordens einige wertvolle Leihgaben des KHM als Gegenleistung zu sehen sind, zum Beispiel das Szepter des Siebenbürgischen Fürsten Moises Szekelehy oder der Stab der Hl. Elisabeth.

Andere Wunderdinge Eine andere Art von Wunderdingen sind die Mikrobilder, die auch als "Mirabilien" bezeichnet werden. Sie sind Wunder der Bildhauerkunst, nämlich kleine Elfenbeinreliefs, die in Mikrotechnik gearbeitet wurden und heute von Menschenhand nicht mehr nachgestaltet werden können. Bei Landschaftsbildern etwa sind die Zweige nur wenige hundertstel Millimeter breit, manche Zwischenräume gar nur 0,01 Millimeter. Als Besitzer der äußerst seltenen Mikrobilder sind die Kaiserin Maria Theresia, die Zarin Katharina die Große und der englische König Georg III. bekannt gewesen. Die "Maria-Theresien-Brosche" von Sebastian Hess wurde 1781 nach England um ein Vermögen verkauft. Die Mikrobilder werden nur wenige Tage ausgestellt und zwar bis 19. März.

Bis 21. Mai. "Mikrobilder" nur bis 19. März!

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