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JOSEF GRUBER / PRAKTIZIERTER PARLAMENTARISMUS

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Es ist schon mehr als ein Jahr vergangen, seit das Wahlergebnis des 6. März 1966 dem österreichischen Parlamentarismus entscheidende Impulse gab: Die absolute Mehrheit der österreichischen Volkspartei und der Übergang zur Einparteienregierung haben aus dem Nationalrat, der ehemaligen Ratifizierung s-maschine der Beschlüsse des Koalitionsausschusses, ein lebendiges Element der Demokratie, den Ort der Konfrontation von Regierung und Opposition gemacht. Dieser StU, den der österreichische Parlamentarismus heute präsentiert, hat einige Abgeordnete — der Regierungspartei ebenso wie der Oppositionsparteien — stärker in den Vordergrund treten lassen. In den Reihen der Volkspartei zählt der Abgeordnete Dr. Josef Gruber zu diesen Mandataren, die wesentlich zur Verlebendigung des Geschehens im Nationalrat beitragen. Der Aderlaß, den der ÖVP-Klub durch den Abgang eines Teiles der ersten Garnitur auf die Regierungsbank erlitten hat, gab dem noch zu den Jüngeren im Nationalrat zählenden Josef Gruber (Jahrgang 1922) die Chance, zu den wichtigsten Sprechern seiner Partei zu werden, vor allem in Unterrichts- und Wohnbaufragen; und bis jetzt haben es weder die Regierungspartei noch Dr. Gruber bereut, daß diese Chance auch genutzt wurde.

St. Florian bei Linz war de. Geburtsort des Bauernsohnes Josef Gruber, der als eines unter zwölf Kindern aufwuchs. Die Mittelschule absolvierte er im bischöflichen Knabenseminar in Linz und, nachdem dieses 1938 aufgehoben worden war, in der „Staatlichen Oberschule für Jungen“ in Kremsmünster. Vier Jahre deutsche Kriegsmarine und ein Jahr britische Kriegsgefangenschaft schoben den Beginn des Studiums auf das Jahr 1946 hinaus; aber bereits 1949 konnte er in Wien zum Dr. jur. promovier-ren. Während des Studiums aktiv in der Katholischen Hochschuljugend, wurde Gruber sofort nach seiner Promotion Generalsekretär der Katholischen Aktion der Diözese Linz. 1953 bekam er die hauptberufliche Funktion, die er heute noch ausübt: Er wurde Direktor des katholischen Volksbildungsheimes in Puchberg. In der Katholischen Aktion war Josef Gruber ehrenamtlich bis 1959 tätig; als Mitglied des Präsidiums und schließlich als Vizepräsident der KA Österreichs, als Obmann der Katholischen Männerbewegung Oberösterreichs.

1959 gab Gruber alle diese Funktionen auf — er wurdie im Wahlkreis 14, im Hausruckviertel, in den Nationalrat gewählt. Der ÖAAB-Mann Gruber war damals der zweitjüngste Abgeordnete seiner Partei im Nationalrat, und nach einem Ratschlag Julius Raabs sollten sich die „Neuen“ „das alles“ zuerst einmal gründlich anhören, bevor sie mitzureden versuchten. Das Tempo im Nationalrat war, wie sich Gruber heute erinnert, noch wesentlich gemütlicher. „Aber allmählich wächst man dann in die praktische parlamentarische

Tätigkeit hinein.“ In der Zwischenzeit sei man, so meint Gruber, einen wesentlichen Schritt der idealen Form des Parlamentarismus näher gekommen; wobei Idealform nicht so zu verstehen wäre, daß diese auch tatsächlich erreichbar wäre. „Es geht besonders darum, daß cber Parlamentarismus praktiziert werden und nicht nur auf dem Papier bleiben soll.“

Die Zukunft der österreichischen Demokratie sieht Josef Gruber durchaus optimistisch. Nur eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation könnte eine politische Radikalisierung nach sich ziehen, etwa dadurch, daß rechtsradikale Gruppen verstärkten Zulauf bekommen. „Der Übergang von der großen Koalition zur Einparteienregierung beinhaltete ein gewisses Gefahrenmoment. Diese Gefahr, die Versuchung, zu außerparlamentarischen Mitteln zu greifen, scheint aber — und das muß man auch dem politischen Gegner positiv bestätigen — überwunden zu sein.“

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