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Letzte Erinnerungen

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Er war ein guter Mensch. Von Freunden geschätzt, von Gegnern geachtet, unbequem bisweilen beiden, von allen bewundert auf seinem ■langen, harten Gang in den Tod, hat Josef Gruber immer durch Grundsatztreue und Unbestechlichkeit beeindruckt. Am 3. März ist der Direktor des Bildungsheimes Puchberg bei Wels, einstige Diozesansekretär der Katholischen Aktion (KA) Oberösterreichs, Kammerrat der oö. Arbeiterkammer, ÖVP-Obmann von Wels und langjährige Schulsprecher der ÖVP im Nationalrat, dem er 20 Jahre lang angehörte, mit 58 Jahren gestorben.

Sechs Wochen vorher war ich ihm in seiner Wohnung in Wels-Puchberg noch gegenübergesessen. Vom nahenden Ende gezeichnet, blickte er noch einmal auf wichtige Stationen seines öffentlichen Wirkens zurück.

Als KA-Mann in die Politik katapultiert, hatte er den bisweilen schweren Weg jener zu gehen, die vorher seine Freunde gewesen, dann aber ängstlich darauf bedacht waren, einem „Politiker" nicht allzu nahe und einem der ÖVP „aus Prinzip" möglichst nicht näher als einem von der SPÖ oder FPÖ zu kommen. Gruber: „Ich war nicht so zart besaitet, daß ich darunter gelitten hätte. Aber es war ein Faktum."

Ein Faktum war für ihn auch, daß die Kirche in der Frage der kleinen Strafrechtsreform lange Zeit nicht recht wußte, was sie eigentlich wollte, auch die katholischen Abgeordneten (etwa in der Frage der Homose-xualiät) allein ließ, hinterher aber mahnend den Finger gegen jene hob, die wie Gruber dem Kompromiß zustimmten.

Angesichts mißdeuteter Äußerungen katholischer Funktionäre in jüngster Zeit ortete Gruber eine „gefährliche Kluft zwischen katholischer Basis und katholischer Führerschaft", die zu einer Entfremdung immer größerer Teile von ÖVP-An-hängern von der Kirche führen könne: „Wichtig wäre hier eine ständige Klärung im Einzelfall, wer in wessen Namen spricht und sprechen kann."

Die Begründung der Verleihung eines Papstordens an den Wiener Bürgermeister Leopold Gratz (weil dieser als Unterrichtminister „mit einer Rücktrittsdrohung im eigenen ParlamentskUtb die hundertprozentige Übernahme der Personalkosten kirchlicher Schulen durch den Staat erzwang"), sah Josef Gruberauch ein wenig anders.

Bei den Verhandlungen im Unterrichtsausschuß des Nationalrates, dessen Obmann Gruber jahrelang war, blieb Gratz am Widerstand eigener Parteigenossen hängen. Um seine Vorlage zu retten, habe Gratz als Kompromiß die Einschränkung vorgeschlagen, daß sich die Zahl der Klassen an den katholischen Privatschulen nicht erhöhen dürfe. Als die ÖVP diese starre Regelung ablehnte, lautete der zweite Kompromißvorschlag: Außer diesen Zuwendungen des Bundes dürfe es keine Mittel anderer Gebietskörperschaften für katholische Schulen geben. Das hätte es z. B. jeder Gemeinde verwehrt, für einen Schulbau Geld oder Grund bereitzustellen.

In dieser Situation sei er von höchster kirchlicher Stelle ermuntert worden, die ÖVP trotzdem auf Kompromißkurs zu führen, erinnert sich Gruber. Er tat es nicht, die Vorlage wurde abgesetzt und nach den Neuwahlen ohne Einschränkungen verabschiedet. Trotzdem bekam den Orden der Sozialist Gratz ...

Ein bißchen drückte Gruber auch die Erinnerung daran, daß die heute gelegentlich zu hörende Behauptung, die Kirche habe „immer schon" die Umwandlung der einstigen Katholisch-theologischen Fakultät Linz in eine Päpstliche Hochschule verlangt, der Staat habe diese aber bis vor kurzem verweigert, irreführend ist.

Er war einer von vier Delegationsmitgliedern, die seinerzeit Nuntius Rossi dieses Anliegen vortrugen, von ihm aber neben persönlicher Zustimmung zu hören bekamen, daß dies „ohne Initiative des Ortsbischofes" rechtlich nicht möglich sei. Beim Bemühen um eine solche Initiative aber haben Gruber und seine Freunde ursprünglich auf Granit gebissen ...

Letzten Freitag nahmen auf dem Welser Stadtfriedhof Kirche und Staat respektvoll von einem ihrer Treuen Abschied.

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