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Ein Besserer war nicht denkbar

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Privilegien der Politiker sind weithin umstritten. Ich nehme sie im nachfolgenden in zweifacher Weise in Anspruch:

Als Privilegium senectutis und als Privilegium amititiae.

Ich befürchte dabei weder Vorwurf noch Einspruch. Ich habe es über Ersuchen der FURCHE übernommen, anläßlich des Ausscheidens von Präsident Dr. Lelio Spannocchi aus dem oberösterreichischen Landtag als sein langjähriger Mitarbeiter und Freund einige besonders markante Charakterzüge und Grundsätze mir selbst wieder ins Gedächtnis zu rufen und den Lesern in Erinnerung zu bringen.

Jede Zeit hat sicher ihre eigenen Gesetze und Bedingungen.und trotzdem kann ein Blick in die Vergangenheit niemals schaden. Ich erfülle aber auch mir selbst einen Wunsch, wenn ich die wichtigsten Stationen unsers gemeinsamen beruflichen Lebens nochmals wie einen Film vor dem geistigen Auge ablaufen lasse.

Unser Leben verlief beiderseits nicht in normalen Bahnen. Die große Zäsur war für uns beide der Erste bzw. der Zweite Weltkrieg. Wir verloren Beruf und Heimat und erst nach vielen U mwegen, bei dem einen über Kreta, Rußland, die Normandie und die Ardennen, bei dem anderen über Bürgerkrieg, Anschluß, Haft, Österreich-Verbot, gab es Wiederkehr und Wiedersehen in der alten, befreiten Heimat.

Bei unseren beiden Familien lag die doppelte Last auf unseren Frauen, die die Sorge um die Kinder und das Bangen um ihre Männer zu ertragen hatten

Nach diesen Weltuntergängen, die über uns hereinbrachen, sahen wir im Jahre 1945 die zerstörte, ausgeblutete Heimat wieder, in der Trümmer, Hunger und Uberfüllung durch fremde Flüchtlinge herrschten; und doch war das Wiedersehen ein großes, einmaliges Wunder. Es war wie das Aufatmen nach schwerer Krankheit, vorbei war der Zweifel an der Heimat, ein neuer Glaube, ein neues Vertrauen begleiteten unseren Weg.

Bei Kriegsende führte Dr. Spannocchi als Oberleutnant und Regimentsadjutant die in seiner Einheit befindlichen Österreicher heil in die Heimat zurück. Ich kam auf abenteuerlichen Wegen in den letzten Kriegswochen, immer verfolgt von Tieffliegern und herzzerreißenden Szenen in den angegriffenen Zügen, aus dem Zwangsaufenthalt Berlin in die Grenzstadt Passau.

Spannocchi trat in den Staatsdienst als Jurist bei der Bezirkshauptmannschaft Rohrbachein. 1947 bis 1956, in einer ungeheuer schwierigen Zeit, übernahm er als Bezirkshauptmann die Verantwortung für seinen russisch besetzten Bezirk und bewies gegenüber der Besatzungsmacht beispielhaften persönlichen Mut. Die Leute hatten unbegrenztes Vertrauen in ihn bei allen Gefahren, die mit jeder Besatzung verbunden sind.

1956 bis 1970 war Dr. Spannocchi Finanzvorreferent des Landes Oberösterreich und damit mein engster Mitarbeiter. Die konjunkturgerechte, sparsame und zielgerichtete Finanzpolitik des Landes Oberösterreich in diesem langen Zeitraum trägt wesentlich den Stempel Dr. Spannoc- chis.

Nach meiner Pensionierung übernahm er das Finanzreferat in der Landesregierung und das Kulturreferat. Als ihm einmal jemand sagte, daß er sich wohl schwer tun würde, diese beiden Referate in einer Hand zu behalten, fand Landesrat Dr. Spannocchi auch hier Verbindungsmöglichkeiten; er sagte: Auf diese Weise hat der Kulturreferent den Finanzreferenten viel leichter von der Notwendigkeit des Ursuli- nenhofes überzeugen können und unterstützte auf diese Weise eines seiner Lieblingsprojekte. Der Ankauf des Ursulinenhofes hat das Gebäude vor der Spitzhacke gerettet und die Einrichtung eines längst notwendigen Kulturzentrums ermöglicht.

Wie oft im Laufe des Dezenniums, als Dr. Spannocchi die Bezirks hauptmannschaft Rohrbach führte, habe ich aus eigenem Anblick die unerhört beruhigende Wirkung seiner Person auf die Bevölkerung feststellen können. Er hat den richtigen Ton gefunden bei aller Festigkeit in der Sache im Verkehr mit der Besatzungsmacht. Ich muß überhaupt feststellen, ohne die diplomatischen Fähigkeiten unserer Mühlviertler Funktionäre und Bezirkshauptleute weiß ich nicht, ob wir mit der fremden Soldateska zehn Jahre ausgekommen wären.

Wenn man bedenkt, daß das Schicksal Österreichs in den Besprechungen der Weltmächte Amerika und Sowjetunion entschieden wurde, immer über unsere Köpfe hinweg und immer mit Folgen, die wir zu tragen hatten, kann man ermessen, wie schwierig die Position war. Ich erinnere mich, daß wir oft tagelang die Donaubrücke zwischen Linz und Urfahr für Warentransporte gesperrt vorfanden und ich hatte das Vergnügen, vor dem Hotel Imperial, wo die Transportscheine ausgestellt wurden, tagelang auf einen günstigen Moment zu warten, der die Transporte wieder zugelassen hat. Die kluge Taktik unserer Funktionäre und die bei den Russen gut ankom- mende österreichische Art konnten immer wieder das ärgste verhindern.

Von der zweiten großen Aufgabe, die Spannocchi nach dem Abzug der Besatzungsmächte übernommen hat, ist nur das eine zu sagen, daß ein besserer Leiter der Finanzabteilung des Landes nicht denkbar war. Die größte Anerkennung für seine Tätigkeit stammt nicht von mir, spndem von einem mir nachfolgenden Finanzreferenten in der Landesregierung, der vor etwa zwei oder drei Jahren sagte: „Die Defizite unseres Budgets infolge von Investitionen und Arbeitsbeschaffung konnten bisher aus den Rücklagen aus der Zeit von Spannocchi gedeckt werden; künftig müssen wir selber Kredite aufnehmen.”

Lelio Spannocchi kann mit großer innerer Befriedigung auf seine öffentliche Tätigkeit zurückblicken, denn im Lande Oberösterreich wird sein Name immer mit Anerkennung Üiid- Dankbarkeit genannt werden.

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