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Presse an der Kandare

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Die Freiheit, die Spaniens Presse seit vier Jahren durch die 1966 mit Inkrafttreten des Pressegesetzes erfolgte Abschaffung der obligatorischen Vorzensur genießt, ist in Gefahr. Mit der im letzten Ministerrat beschlossenen Preiserhöhung von 2,64 Peseten pro Kilogramm Zeitungspapier, mit dem Wegfall der staatlichen Subvention für die Papierindustrie und der vom Finanzministerium seit 42 Jahren an die Tageszeitungen gewährten und aus der Pressesteuer stammenden Unterstützungen geraten die wenigen unabhängigen Zeitungen des Landes in eine prekäre Lage. Denn die im gleichen Ministerrat genehmigte Zeitungspreiserhöhung von einer Pesete pro Exemplar und die Liberalisierung der Anzeigenpreise stehen in keinem Verhältnis zu diesem Verlust, der von der Presse auf 1,039 Millionen Peseten jährlich geschätzt wird.

Diese Maßnahmen, die von der spanischen Presse seit Monaten befürchtet wurden, gipfeln in der Schaffung eines interministeriellen, vom Unterstaatssekretär des Informationsmini-steriums präsidierten Ausschusses, der die aus der Pressesteuer stammenden Gelder in einen neuen Fonds von schätzungsweise 665 Millionen Peseten umwandelt, der für „redaktionelle Propaganda“ aufgewendet werden soll. In der Praxis wird das so aussehen, daß dieser Ausschuß die seiner Ansicht nach bedürftigen Zeitungen durch das Aufkaufen von Anzeigenplatz unterstützt. Informationsminister Sänchez Bella erklärte in diesem Zusammenhang der Gewerkschaftskommission der Zeitungsverleger: „Das bedeutet nicht, daß man den ganzen Platz benutzen will. Selbstverständlich werden an dieser Publizität jene Zeitungen nicht teilhaben, die es nicht verdienen!“

Wie dieses „Verdienst“ gewertet wird, ist der Presse klar. Wer linientreu schreibt, wird belohnt, wer zu harte Kritik übt, wird bestraft. Nach Ansicht der Madrider monarchistischen Tageszeitung „ABC“ sind diese Maßnahmen einer neuen Kontrolle über die Presse gleichzusetzen. Mißliebige Zeitungen werden hinfort dauernd das Damoklesschwert einer Entziehung der „redaktionellen Propaganda“ über sich schweben haben. Ein genaues Kalkül der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel wird ihnen kaum möglich sein, und es wird Schwierigkeiten bei der Abschlie-ßung der Kollektivverträge, bei der Berechnung des zur Verfügung stehenden Anzeigenraumes geben.

stehen diese Neuregelungen nicht im Einklang mit dem Pressegesetz, in dessen Artikel Nr. 5 es heißt, daß der Staat die durch dieses Gesetz gegeben Freiheiten und Rechte garantiert und jegliches Zuwiderhandeln, insbesondere über Monopole oder andere Mittel,, mit denen die öffentliche Meinung zu deformieren versucht oder die freie Information, Verbreitung und Verteilung behindert wird — sogar auf gerichtlichem Wege ahnden kann.

Viel schwerwiegender als diese Erwägungen ist die Tatsache, daß sich das Informationsministerium nun nicht mehr der im Pressegesetz festgelegten Sanktionen gegen einzelne, dieses Gesetz übertretende Zeitungen, Zeitschriften, Journalisten und Zeitungsdirektoren zu bedienen braucht, sondern ein wirtschaftliches Druckmittel benutzen kann, das unvergleichlich weniger Aufhebens als administrativ verhängte Geldstrafen, Erscheinungsverbote und Anklagen macht. Die Pressefreiheit, so behaupten Spaniens Journalisten, ist in unmittelbarer Gefahr, und der Gedanke — so schreibt die Madrider katholische Abendzeitung „Informaciones“ —, daß sich eine Art von okkultem politischem Dirigismus in Spaniens Zeitungen ankündigt, ist alles andere denn abwegig.

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