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Unruhige äthiopische Studenten

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In Äthiopien sind Studentenunruhen ausgebrochen. Die ohnehin überfüllten Spitäler Addis Abebas steiken voll junger Leute mit ver-sch rammten Schädeln und Gehirner-sclr itterungen. Die Haile-Selassie-Un: versität mußte vorübergehend ihre Tore schließen. Am staatlichen Volkslehrerseminar in Addis Abeba streikten die Studenten zehn Tage hin durch.

Eie Auflehnung der Studierenden kari nicht ganz unerwartet. Doch glaibten die Beobachter bis dahin, das schreckliche Gemetzel nach dem nie lergerungenen Putschversuch im He-bst 1962 stecke allen Volksschichten noch in den Knochen. Von seiten der Studierenden erwarteten wir zulützt offene Unruhen, ist doch jed;r junge Äthiopier darauf bedacht, ein Auslandsstipendium zu kri.:gen. Dies wird ihm aber erst nach dem Segen der Regierung zugesprochen, wenn auch das Studien-gell von westlichen oder östlichen Staaten aufgebracht wird. Politische Un: :uverlässigkeit oder Aufmucken gegen die staatliche Ordnung schaufeln das Grab für jeden Auslandaufenthalt, den Traum aller Studie -enden.

Vorspiel im März

Was hat trotzdem zu dieser Auf-lehiung geführt? — Bereits Ende März Anfang April streikten die

Studenten der Haile-Selassie-Uni-versität. Doch dieser Ausstand währte nur drei Tage. Die Rädelsführer hatten sich zu sehr exponiert, wurden verhaftet und der Schulbetrieb nahm seinen alten Lauf. Die Studierenden protestierten damals gegen das Verschleppen der Landreformverordnung durch das Scheinparlament. Seit Jahren schon war die teilweise Zuteilung des der Koptischen Kirche, dem Kaiser und einigen Fürsten gehörenden Landes an die Kleinbauern versprochen worden. Die Lehensbauern, ungebildete, treue, verschüchterte Untertanen, konnten und wollten sich gegen die staatliche und kirchliche Autorität nicht wehren. Zudem bringen sie die weltliche Obrigkeit mit Gott auf einen Nenner. Die Studenten gaben sich Ende März Anfang April als soziale Vorkämpfer für das Landvolk aus. In Wirklichkeit kämpften sie damals bereits für den eigenen Sack. Ein Streik zugunsten armer Landsleute ist weniger gefährlich, eignet sich trefflich als Abtastmanöver. Er war gut ausgefallen, der Kaiser hatte sanft geantwortet, nach einigen Tagen wurden die Rädelsführer wieder auf freien Fuß gesetzt. Zudem hatten sich die Studenten mit dem vorgespielten Einsatz für die arme Landbevölkerung die Zuneigung der breiten Massen gewonnen.

Die echten Forderungen

I n Mai sind die Studenten nun mit ihrun wirklichen Forderungen auf die Straßen der Hauptstadt marschiert. Sie verlangten mehr Lohn, gleich viel Lohn wie die Gaststudenten aus afrikanischen Ländern, die mit äthiopischen Stipendien an der Haile-Selassie-Universität studieren. Die Unzufriedenen wurden von der Polizei auseinandergetrieben, setzten sich gegen die Knüppel und Nilpferdpeitschen zur Wehr und landeten schließlich in den Spitälern. Die

öffentliche Ordnung war gesichert, Kaiser Haue Selassie aber hatte von seiner Elite eine Niederlage in seiner afrikanischen Politik erlitten. — 206 Studenten aus afrikanischen Brüderländern studieren mit kaiserlichen Stipendien an der Haile-Selassie-Universität. Sie sollen die Freundschaft Äthiopiens nach dem Studium in ihre Heimat zurücktragen. Der Vater und Gründer des modernen Afrikas, wie sich der Kaiser so gerne bezeichnen läßt, wollte sie

mit seiner studierenden Jugend verschmelzen. Eine Einheit, gegründet auf Selbstlosigkeit, gegenseitiger Achtung und Liebe, sollte in seinem Lande für die Zukunft von Neu-Afrika erwachsen und zugleich die Führerstellung von Addis Abeba in Afrika untermauern. Der Versuch ist mißlungen. — Die einheimischen Studenten erhielten 50 äthiopische Dollar Salär im Monat, die übrigen Afrikaner aber 70 äthiopische Dollar. An den 20 äthiopischen Dollar Lohnunterschied, zirka 300 österreichische Schilling, ist der afrikanische Verbrüderungsversuch zerbrochen.

Der Knüppel ist zuwenig

Wie wird die Regierung Frieden stiften? Die Unruhen haben sich gelegt. Die Studenten können aber nicht nur mit dem Knüppel zufriedengestellt werden. Die Gehälter müssen gleichgeschaltet werden. Den Ausländern kann man die Stipendien nicht kürzen und für die einheimischen Schüler fehlt das Geld und der Wille zur Nachgiebigkeit. Kommt es doch bereits heute vor, daß Professoren und Studenten eine Woche und mehr auf ihr Monatsgehalt warten müssen, weil die Kasse der Haile-Selassie-Universität einfach ein großes Loch aufweist Zudem wurde den Studenten des Lehrerseminars, die im Juli patentiert werden, das für ihre Tätigkeit bereits vor dem Studium vertraglich festgesetzte Amtsgehalt von 220 auf 200 äthiopische Dollar gekürzt. Die zukünftigen Volkserzieher antworteten mit einem Streik. Die Regierung blieb hart. Sie wird sich von den Universitätsstudenten auch nicht erweichen lassen. Mit Gewalt wird man die Zukunft des Landes im Zaum halten. Doch das Wissen um Korruption in den Führerschichten kann man den jungen Äthiopiern nicht nehmen. Es schürt in ihnen die Unzufriedenheit, obwohl sie sich ebenso bereichern werden, wenn für sie einmal die Stunde anbricht.

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