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ANTON BENYA / UNTER DEM BILD JOHANN BOHMS

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Einen. „Arbeiterführer mit Frontbewährung“ nannte eine Grazer Zeitung den damals 51}äh-rigen Gewerkschaftsfunktionär Anton Benya anläßlich dessen Wahl zum Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes im Herbst des Jahres 1963 als Nachfolger von Franz Olah. „Es war ein unruhiges Jahr“, erinnert sich Präsident Benya heute, herrschte doch auch auf der innenpolitischen Bühne fast das ganze Jahr hindurch latente Kampfstimmung, die Benya — seit 1956 sozialistischer Abgeordneter zum Nationalrat — sehr deutlich miterlebt hat.

Anton Benya, am 8. Oktober 1912 in Wien geboren, fand schon als Lehrling den Weg in die Gewerkschaft und die sozialdemokratische Bewegung der Ersten Republik:. Die Eindrücke, die der junge Mensch in diesen schweren Jahren Österreichs unmittelbar empfangen hat, bestimmten und formten seinen Weg bis in die Gegenwart. Vom Jugendvertrauensmann in einem Betrieb führt ihn seine Aktivität über die Stationen eines Betriebsratsobmannes und Mitglieds des Zentralvorstandes der Gewerkschaft der Metall- und Bergarbeiter bis zum Sekretär und Organisationsleiter des ÖGB (1948) und ab 1962 zum Vorsitzenden der Metall- und Bergarbeitergewerkschaft, einer „gesunaen“ Gewerkschaft, die der Präsident freilich nur ungern seine „Hausmacht“ nennen hört.

Seit 1962 ist Anton Benya auch Obmonn der sozialistischen Fraktion im österreichischen Gewerkschaftsbund, doch ist er — nicht zu Unrecht — ein wenig stolz darauf, daß er mit Erwin Altenburger, dem Führer der christlichen Gewerkschafter im ÖGB, keinerlei Differenzen hat, die über rein gewerkschaftliche Belange hinausreichen. Freilich scheint sich hier die Ansicht mancher Gewerkschafter zu bestätigen, daß Benya nicht als „Radikaler“ gilt. Doch nur echte Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen setzt den ÖGB in die Lage, wirklich überparteiisch zu sein. Dem Zweigespann Benya-Altenburger scheint dies durchaus zu gelingen.

Die Jahre politischer und gewerkschaftlicher Tätigkeit in der unruhigen Zeit zwischen 1934 und 1938 — von zweimaliger politischer Haft notgedrungen unterbrochen — vermittelten Benya reiche Erfahrungen, die in aller Härte auszunützen ihm seine Gegner immer wieder vorwerfen.

Mit einigem Argwohn etwa verfolgten Wirtschaft und Industrie den Aufstieg Benyas, der mit dem großen Metallarbeiterstreik 1962 ein Vorspiel dessen zu liefern schien, was man von ihm als ÖGB-Präsident erwarten könnte. Doch es mag mehr als ein Zufall sein, daß in Benyas Zimmer ein großes Bild Johann Böhms hängt, jenes Mannes, dessen Zusammenarbeit mit dem „Wirtschaftspartner“ — Benya zieht diesen von ihm geprägten Ausdruck dem nichtssagenden Wort vom Sozialpartner vor — ihm anzustrebendes Vorbild ist. „Die Zusammenarbeit zwischen Johann Böhm und Julius Raab beweist, daß zwei oft unvereinbar scheinende Standpunkte sehr wohl auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden können.“ Das Bekenntnis zu Johann Böhm ist Benya mehr als Lippenbekenntnis: So hat sich das Verhältnis zwischen den beiden Partnern nach Benyas Ansicht im letzten Halbjahr verbessert.

Über die großen Probleme, denen sich der Gewerkschaftsbund in den nächsten Jahren gegenübersieht, macht sich Benya keine Illusionen: Die Integration würde — bedingt durch das negative Lohngefalle — für die österreichische Wirtschaft eine gewisse Belastungsprobe darstellen. „Der Lohnsog, den etwa Deutschland auf einheimische Facharbeiter ausübt, könnte eine empfindliche Verschärfung auf dem inländischen Arbeitsmarkt bringen. Deshalb hätte es wenig Sinn, für den Stillstand von Lohn- und Gehaltsforderungen einzutreten. Unsere Wirtschaft muß jetzt stark gemacht werden!“

Der Ruf, den Anton Benya als Parteimann, genießt, deckt sich mit dem des Gewerkschafters: Ein harter, aber disziplinierter Verhandlungspartner, der sich seiner Stärke und Seiner Position als Haupt einer mächtigen Arbeitnehmerorganisation wohl bewußt ist, der darüber hinaus auch — und das hat das knappe Jahr seiner Führung bewiesen — - seine Verantwortung gegenüber der heimischen Wirtschaft und ihren Sorgen durchaus zu tragen bereit ist, der sich aber anderseits nicht scheut, heiße innenpolitische Eisen mutig anzufassen.

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