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Neuforschungen im Quellgebiete von Bad Fischau

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Die Schönheit der Landschaft um Wien ist durch ihre Gegensätzlichkeit bedingt. Unvermittelt bricht der alpine Gebirgskörper zu einer Ebene ab und bildet entlang dieser Bruchstufe die Thermenlinie, an der die bekannten warmen Quellgebiete von Baden, Vöslau und Fischau liegen. Die neueren geologischen Forschungen haben erwiesen, im Gegensätze zur früheren Auffassung, daß diese Quellen nicht an einem durchlaufenden Randbruche zu suchen sind, sondern daß sich verschiedene miteinander nur lose zusammenhängende Störungen ergeben, an die sich die Warmwasseraustritte knüpfen.

Die südlichste dieser Thermen wurde im Jahre 185 5 bei Bad Fischau gefunden, „als man beim Betriebe des linksseitigen Steinbruches auf eine 18 Zoll weite, runde Oeffnung“ kam, die nach weiterer Erforschung das bekannte, 375 Meter über dem Meeresspiegel gelegene, 73 Meter tiefe, absinkende Höhlensystem der Eisensteinhöhle ergab. Lieber 450 Meter Streckenlänge wurden bisher befahren, und der Oesterreichische Gebirgsverein Wiener Neustadt übernahm im September 1951 die Betreuung dieses einzigartigen Naturdenkmals, um es für die Allgemeinheit zu erschließen. Die am Grunde der Höhle freigelegte Therme mit 16,5 Grad Celsius ist nur ein quellartiger Durchfluß von drei Liter in der Sekunde, was aber genügt, die mit weißgrauem Perlsinter und kristallinen Kalkausblühungen überreich gezierten Räume zu heizen und einer seltsamen Tierwelt Unterschlupf zu gewähren.

Es ist verständlich, daß sich die neuere Forschung auch weiter in der nächsten Umgebung dieser natürlich geheizten Höhle bemühte, die geologisch-morphologische Situation genauestens zu erfassen. Zunächst schien es ziemlich aussichtslos, in das Berginnere des Bruchrandes vorzudringen. Es wurde zwar 220 Schritte südlich des Einganges zur Eisensteinhöhle das künstlich veränderte, zwölf Meter lange, stollenartige „T ü r k e n 1 o c h“ neu gefunden, jedoch ohne besondere Ergebnisse. Bedeutend erfolgreicher war aber eine vor kurzer Zeit durchgeführte Expedition in der Nähe des Thermalbades.

Im Jahre 1944 wurden von der durch Fliegerangriffe arg bedrängten Gemeinde Fischau, im Anschlüsse an kleine, natürliche Felsnischen im Konglomerate, zwei Luftschutzstollen von 44 und 20 Meter Länge gebaut. Beide Stollen waren mit Bänken versehen, hatten eine Krankenstation, waren elektrisch beleuchtet und gaben 500 Personen Unterschlupf, nachdem man noch einen 50 Meter langen Naturraum angeschnitten hatte. In diesen unruhigen Zeiten befaßte man sich nicht weiter mit diesem Naturgebilde, man freute sich nur, darin auch eine Quelle gefunden zu haben. Die Luftschutzstollen verfielen und die Menschen waren froh, nichts mehr von den dunklen Löchern zu sehen.

Eine Gruppe von Höhlenforschern rüstete aber neuerdings zu einer Befahrung, um diese „Luftschutzhöhle“ näher zu untersuchen. Zur Ueberraschung trafen sie im letzten, 19 Meter unter dem Eingange gelegenen Naturraume auf eine zwischen Blockwerk von Norden her strömende Therme mit 2 0 Liter in der Sekunde und einer Temperatur von 19 Grad Celsius. Während die Richtung des Zuflusses durch Felstrümmer versperrt ist, aber der Anlage nach auf ein tieferliegendes, noch vorhandenes Wasserhöhlensystem schließen läßt, ist beim Abfluß das Wasserbecken frei und mündet in einen Siphon. Mehrfache Tauchversuche ließen nur drei bis vier Meter weitere Streckenlängen erkunden. Die „Luftschutzhöhle“ wird, ähnlich wie die Eisensteinhöhle, aber auf ein Jahresmittel von 16 Grad Celsius geheizt. Wunderbare Knöpfchensinter in pilzartigen, bisher unbekannten Formen sind in und über dem Wasser abgelagert und es konnten neben Fledermäusen zum ersten Male in einer österreichischen Höhle Kleinfische nachgewiesen werden.

Es scheint wie ein glücklicher Zufall, daß zum 100jährigen Erschließungsiubiläum der Eisensteinhöhle, die ebenfalls durch einen künstlichen Zugang erschlossen wurde, in der „Luftschutzhöhle“ ein nicht weniger interessantes neues System gefunden werden konnte.

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