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Blumen auf Soldatengräber

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Rom, im November

Die Erde Italiens ist besät mit Soldatengräbern und Soldatenfriedhöfen aus dem letzten großen Weltringen. Die weitaus überwiegende Mehrheit der ausländischen Soldatenfriedhöfe sind deutsche Friedhöfe aus dem zweiten Weltkrieg. Allein in Sizilien sind es achtzehn, auf Sardinien sieben, in Rom und Umgebung sechzehn und um Bologna gar vierundvierzig. Am römischen Friedhof von Tor di Quinto liegen 5097, auf dem von Pomezia 6490 Soldaten begraben. Von den Alliierten haben die Engländer in Italien sechsunddreißig, die Polen vier, die Franzosen drei, die Amerikaner zwei Soldatenfriedhöfe. Seit Jahren erhalten die Pfarrer italienischer Städte und Dörfer immer wieder Briefe ihrer deutschen Amtsbrüder, oft in lateinischer Sprache abgefaßt, mit Nachfragen von Eltern und Gattinnen nach einem Grabe. Unendlich schwierig gestaltet sich oft die Nachforschung, denn auf vielen der schlichten Holzkreuze haben die Unbilden der Witterung den Namen nahezu unleserlich gemacht. Aber die meisten sind sorgfältig gepflegt, und nun, im Hinblick auf das „Heilige J ihr“, hat die „Pontificia Commissione Assistenca" unter der Leitung von Monsignore Baldelli einen Aufrufzur Pflege der fremden Soldatengräber erlassen, damit die Angehörigen aller Nationen, wenn sie nach Rom und Italien kommen, hier die Gräber in christlicher Liebe geschmückt vorfinden mögen. Der „Osservatore Romano“ hat sich um die Organisation dieser Unternehmung besondere Verdienste erworben und eine Karte und ein vollständiges Verzeichnis aller fremden Soldatenfriedhöfe auf italienischer Erde in seiner Sonntagsbeilage, dem „Osservatore Romano della Domenica" (c. 9, 10) veröffentlicht, aus dem die obenstehenden Zahlen entnommen sind. Der Widerhall, den dieser Appell in der italienischen Bevölkerung gefunden hat, war ganz ungewöhnlich stark und ein Beweis für die trotz aller Leiden und Leidenschaften, trotz Haß, Angst und Not der vergangenen Jahre unzerstörte tiefe Humanität des überwiegenden Teiles der Bevölkerung.

Zwischen den beiden Völkern hatte sich in dem Lauf der Kriegsjahre, die im raschen Wechsel von Neutralität über Waffenbrüderschaft bis zum offenen Kriegszustand zwischen den eben noch Verbündeten führten, eine Mauer von Haß, Mißtrauen und Verachtung aufgetürmt. Schuldkonto stand gegen Schuldkonto, auf jedes Verbrechen gegen die Menschlichkeit folgte eine meist noch viel grausamere unmenschlichere Vergeltung. Es war eine Todesspirale des Hasses und der Vernichtung. Heimtückische Anschläge, grausame Geiselabschlachtungen, ein wahrer Höllenreigen. Den Endpunkt und Höhepunkt brachten die furchtbaren Gemetzel in Norditalien in den Wochen des Kriegsendes, da sich die Wasser des Po vom Blute der Erschlagenen — deutscher Soldaten wie italienischer Faschisten — röteten. Erfreulich rasch erfolgte der Rückschlag. Schon in den ersten Wochen nach der „Befreiung" schmückte man überall die Gräber der deutelten Soldaten, und in all den Jahren seither haben es die meisten Gemeinden als ihre Ehrenpflicht angesehen, den nahen Soldatenfriedhof zu pflegen und instand zu halten.

Eine neue Kontoseite ist angefangen. Nicht mehr die Werke des Hasses und der Zerstörung, sondern die der Pietas sollen hier eingetragen werden. Die Italiener sind in dieser Hinsicht beispielhaft vorangegangen. Mögen auch bei uns überall die Gräber jener Toten, die aus fernen Landen stammen, in stellvertretender Liebe zum Eingang des Heiligen Jahres gepflegt und geschmückt werden!

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