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In memoriam Reinhold Schneider

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DER WIDERSPRUCH. Das doppelte Antlitz des Reinhold Schneider. Von Josef Rast. Verlag von Jakob Hegner, Köln und Olten. 101 Seiten

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DER WIDERSPRUCH. Das doppelte Antlitz des Reinhold Schneider. Von Josef Rast. Verlag von Jakob Hegner, Köln und Olten. 101 Seiten

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Ein Freund und Kenner der intimen Problematik der Person und des Lebenswerkes Reinhold Schneiders legt hier ein Buch vor, das erstaunlich ist. Wer sich je näher mit Reinhold Schneider befaßt hat, wird überrascht bei der Lesung dieses äußerlich schmalen Bandes feststellen: hier wird mit ebensoviel Präzision wie Diskretion, sehr klar, sęhr offen der schwere Lebenskampf eines Mannes geschildert, der reich an Verwundungen, an Verletzungen war; in der Jugend führt er ihn an den Rand des Selbstmordes und wenige Jahre vor dem Tode an den Rand der Exkommunikation. Es war, und ist heute noch, Reinhold Schneiders Charisma, Aergernis zu erregen: das Aergernis des Propheten, der in seinem eigenen Vaterlande nicht gilt, nicht wirklich ernst genommen wird. Josef Rast versteht es nun, von den vielen Aergernissen um die Gestalt dieses großen Christen, der so oft entscheidend wider die Christenheit unserer Zeit steht, ein furchterweckender Zeuge, in einer Weise zu berichten und darüber zu- sprechen, die ganz und gar nicht ärgerniserregend, im schlechten Sinn des Wortes ist. Reinhold Schneider wird hier ebensowenig verharmlost und romantisiert wie seine großen offenen Fragen an die Adresse der Christenheit, seiner eigenen Person, an die Adresse Gottes. Wer ihn verstehen will, muß Hiob ernst nehmen, seine ergreifende Klage nicht als ein rhetorisches Geplänkel, als ein Schauspiel abtun. Mit' Reinhold Schneider ist Josef Rast der schlichten Ueberzeugung, daß es so wirklich nicht weitergeht: für die Mensch-

heit, für die Christenheit. Diese „Binsenweisheit" ist so folgenschwer, - fi r das persönliche Leben, für Kirche, Theologie, Politik, daß der einzelne Christ sehr viel Kraft, Mut, Wagnis aufbringen muß, um sie überhaupt zu Gesicht zu bekommen.

Josef Rast legt mit vollem Recht einen Hauptakzent auf die Entwicklung in Reinhold Schneider in den letzten Jahren seines Lebens: wie er da, im mächtigen Sprung über den eigenen Schatten, sich zukunftsoffenen Berufen, Wissenschaften, Menschen zuwendet: der Industrielle, der Arzt, der Biologe, der A.tomforscher stehen ihm da weit näher als die Poeten, die Maler der Vergangenheit, die philosophischen und ideologischen Systemschmiede aller Farben. Der Blitz, der ihm Zukunft erhellt, den kosmischen Christus, den Pol einer kosmischen Frömmigkeit für einen Herzschlag wahrnehmen läßt, führt ihn gleichzeitig in neue Dunkelheiten. Der Prophet verstummt. Der „Winter in Wien“, den Josef Rast an seinen Kernstellen sehr sorgfältig interpretiert, wird uns eben dadurch ein so einmaliges Dokument für die Situation des Christen heute, da der Zeuge Reinhold Schneider sich entschieden wehrt, „Lösungen“ anzubieten, die heute einfach nicht gegeben werden können. Ruhig, verhalten, mit großer Zartheit berichtet und bedenkt Josef Rast dieses Menschenleben. das sich bewußt dem Abgrund des unfaßbaren Gottes preisgegeben hat.

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