6545100-1947_10_04.jpg
Digital In Arbeit

Die theresianische Staatsreform in der Gegenwart

Werbung
Werbung
Werbung

Immer mächtiger wird in unseren Tagen der Ruf nach einer Neuordnung unseres staatlichen Lebens. Es entspringt dieses Streben einer geschichtlichen Notwendigkeit, da die gewaltigen Erschütterungen der letzten Jahrzehnte zwangsläufig die Forderung nach einem umfassenden Neubau unseres Staates und seiner Verwaltung mit sich brachten. Die Dringlichkeit einer tiefgreifenden Reform ist für Österreich auch schon dadurch gegeben, daß die letzte grundlegende staatliche Neuordnung noch in den Tagen des aufgeklärten Absolutismus vor sidi ging. Denn was seit den Tagen der Kaiserin Maria Theresia auf diesem Gebiete geschah, war meist nur ein Stückwerk. Es ist darum keineswegs bloß ein historisches Interesse, das heute eine Beschäftigung mit den Reformen Maria Theresias nahelegt, sondern die Erkenntnis daß wir der uns gegenwärtig gestell-tenAufgabe einer S-taatsreform nur dann gewachsen sein können, wenn wir uns in den Geist vertiefen, der den letzten großen Neubau unseres Staates geschaffen hat.

Kaiserin Maria Theresia hat das Ergebnis ihrer Reformtätigkeit in zwei Denkschriften niedergelegt, die sie „aus mütterlicher Wohlmeinung zu besonderem Nutzen ihrer Posterität“ verfaßte. Sie schildert darin die verzweifelte Lage, in der sie nach dem plötzlichen Tode ihres Vaters die Regierung angetreten hatte:

„Niemand glaube, ich werde widersprechen, daß nicht leicht ein Beispiel in den Geschichten zu finden, daß ein gekröntes Haupt in schweren und mißlicheren Umständen die Regierung als ich angetreten habe. Ich fand mich ohne Geld, ohne Kredit, ohne Armee, ohne eigene Experienz und Wissenschaft und endlich auch ohne allen Rath, weil ein jeder anvorderst sehen wollte, wohin die Sachen sich wenden würden. Ich allein, ohne eitlen Ruhm zu melden, war etwa diejenige, die unter allen diesen Drangsalen den meisten Muth noch beibehielt und mit aufgemuntert und heiteren Gemüth operierte.“

Mit unglaublichem Scharfsinn erkannte die junge Herrscherin, daß der veraltete Verwaltungsapparat der Monarchie den Erfordernissen eines modernen Staates überhaupt nicht mehr gewachsen war. Sie mußte wahrnehmen, daß jede Amtöstclle

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung