Eigentlich wollte er ja flüchten - weit weg von allen Ehrungen, Interviews und gutgemeinten Zumutungen. Es ist ihm nicht gelungen. Also steht ihm in den kommenden Tagen ein öffentlicher Marathon bevor, den er mit derselben Mischung aus Pflichtgefühl und Leidenschaft absolvieren wird, wie schon in all den Jahrzehnten zuvor: Hugo Portisch wird unfassbare 90 Jahre alt. Die Republik, die Medien, die Buchhandlungen : seit Monaten laufen die Vorbereitungen, um ihn einmal mehr vor den Vorhang zu bitten. Ihn, der - allem Imageverlust des Journalismus zum Trotz - sein enormes Ansehen im Land bewahren konnte: als Welt-Erklärer und Bestseller-Autor; als "Vater" des unabhängigen ORF und großer Volksbildner in politischer Heimatkunde; und als diskrete Instanz in Krisenstunden unserer Republik.
Wer geglaubt hatte, Hugo Portisch würde nach seiner 2015 erschienenen Biografie ("Aufregend war es immer") sein Handwerk an den Nagel hängen, der irrte gründlich: Betroffen vom Gang der Zeitgeschichte -EU-Krise, Brexit, Trump - hat Portisch die vergangenen Wochen genützt, um einen Weckruf für Europa zu verfassen, der in diesen Tagen als Buch erscheinen wird.
Ich weiß: Medien tun gut daran, Öffentliches und Privates zu trennen. Die Ausnahme sei erlaubt: Als einer aus jener Generation, die dem Jubilar so vieles verdankt, was ihr Berufsbild und die bleibenden Normen politischer Ethik geprägt hat, weiß ich um den "Glücksfall" dieses großen Österreichers. Medien, das waren und sind für ihn unersetzliche Dienstleister jeder Demokratie - unerschrocken, aber auch fair und demütig. Jedenfalls keine Tummelplätze für Ideologen, Linientreue und Scheuklappenträger. Denn bei allem Ringen um journalistische Anständigkeit musste -so hat er uns gelehrt -dem Leser, Seher oder Hörer immer das Recht auf Zweifel und Widerspruch gewahrt bleiben.
Das Bleibende im Aktuellen
Leidenschaftlich hat er uns davon überzeugt,
dass jede Meldung erst durch ihre Zusammenhänge und Hintergründe ihre wahre Bedeutung bekommt;
dass es unsere wichtigste Aufgabe ist, im rasch Vorbeiziehenden das Bleibende zu erkennen:
und dass die Kürze des Tages nie Maßstab unserer Arbeit sein darf.
Und immer wieder hat er uns - seine Schüler - auf drei Fundamente jedes verantwortungsbewussten Journalismus eingeschworen: aus der Geschichte lernen. Gegen Vorurteile kämpfen. Und zur Toleranz erziehen.
Der FURCHE hat Hugo Portisch ins Stammbuch geschrieben, "eine wichtige Zeitung mit großer Tradition" zu sein, "tolerant, weltoffen und sorgsam im Umgang mit Worten und Werten". Das macht uns stolz und dankbar.
Was uns bleibend mit ihm verbindet, ist die Hoffnung, dass jene Kollegen, die künftig seiner Spur folgen werden, bei allem Wandel der Medienlandschaft eine Chance erhalten, seinem Vorbild treu zu bleiben. - Herzlichen Glückwunsch, Hugo Portisch!
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