7032414-1989_36_04.jpg
Digital In Arbeit

Kissingers Weitblick im Rückblick

Werbung
Werbung
Werbung

Der Name Hugo Portisch bürgt für Qualität! Und außerdem für eine bei aller Objektivität positive staatspolitisch verantwortungsvolle Geschichtsschau. Die großen Serien Österreich I und Österreich II legten davon eindrucksvolle Zeugnisse ab. Darüber hinaus muß man diesen Serien zugute halten, daß erst durch sie breite Volksschichten mit der jüngeren österreichischen Geschichte vertraut gemacht wurden.

Was nützen noch so tiefschürfende zeitgeschichtliche Standardwerke, zu denen nur ein kleiner Kreis von Wissenschaftlern oder politisch interessierten Menschen greifen. Die einwandfreie, zum Teil sensationelle Bildausgestaltung tat in unserem optischen Zeitalter ein übriges hinzu, um die Portisch/Riff-Produktionen zu Standardwerken zu machen.

Nun hat Hugo Portisch wieder „zugeschlagen“ 1

Das ominöse Thema des 1. September-jenes Tages, an dem sich zum 50. Mal der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges jährte -war ein gegebener Anlaß, um Henry Kissinger vor die Kamera zu bitten, um im Gespräch mit ihm den Weg Europas in den Untergang nachzuzeichnen. Allen jenen, die diese Zeit noch erlebt und erlitten hatten zur Erinnerung, den folgenden Generationen aber zur eindringlichen Mahnung!

Henry Kissinger ist ein geschulter Historiker. Er verbindet zudem persönliches Erleben jener Jahre in Deutschland mit den Erfahrungen des späteren Staatssekretärs für Auswärtige Angelegenheiten der Vereinigten Staaten.

Seine Ausgangsposition mag manche überraschen. Der Friede von Versailles war zwar ein harter Brocken für die Deutschen, er war aber nicht jener „Schandfriede“ , als der er von deutschnationalen Historikern und nationalsozialistischen Propagandarednern sowie deren Nachfahren verkauft wurde und wird. Deutschland blieb in seiner territorialen sowie wirtschaftlichen Substanz letztlich ungebrochen.

Bei besserer Zusammenarbeit seiner Demokraten, bei mehr Geduld und bei ruhigerem Abwarten wäre - so Henry Kissingerdas Deutsche Reich in seinen Grenzen von 1937 in den Jahren nach 1940 die dominierende Wirtschaft smacht in Mittel- und Osteuropa geworden.

Der Kardinalfehler der Friedensmacher vonl 919 war die Zerstörung des Vielvölkerstaates an der Donau. Dadurch geriet zunächst das Mächtegleichgewicht aus den Fugen. Die Nachfolgestaaten waren zu schwach und zu zerstritten, um dem immer aggressiver auftretenden Deutschen Reich Paroli bieten zu können.

Nicht „Zerstört Österreich-Ungarn“, sondern „Rekonstruiert diese antiquierte Doppelmonarchie zu einem Commonwealth of Nations in Mitteleuropa“: das wäre 1919 eine Politik mit Weitbück gewesen.

Aber Geschichtsbetrachtungen im Konjunktiv sind bekanntlich immer irreal. Deshalb roUte der Film der Weltgeschichte so ab, wie wir ihn erlebt haben, und so, wie wir ihn nun wieder mit angehaltenem Atem in der vom ORF ausgestrahlten Produktion des erfolgreichen Duos Portisch/Riff wieder nacherleben mußten.

Sehr einfühlsam und zurückhaltend die Kommentare Hugo Portischs, einprägsam und überzeugend die Ausführungen Kissingers, lebensnah, mitunter erschreckend lebensnah die Bilddokumentationen, denen man nicht ihr Alter ansah, sondern glaubte, sie wären erst gestern aufgenommen.

Eine Sternstunde des ORFL

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung