Nicht ohne Mief und Weihrauch?

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Seit Juli ist Radio Campanile, erster deutschlandweiter katholischer Privatsender, in Konkurs. Das kirchliche Radio Stephansdom in Wien will daraus lernen.

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Seit Juli ist Radio Campanile, erster deutschlandweiter katholischer Privatsender, in Konkurs. Das kirchliche Radio Stephansdom in Wien will daraus lernen.

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Mit großem Enthusiasmus war der "Sender des guten Wortes" im Dezember 1996 gestartet. Diese Zeiten sind vorbei. Denn Radio Campanile, erster deutschlandweit ausstrahlender christlicher Hörfunksender mit Sitz in Ludwigshafen, ist Ende Juni verstummt, die Trägergesellschaft hat Anfang Juli den Konkurs beantragt. Damit ist die Vision eines privaten, von Katholiken initiierten Radiosenders in Deutschland erst einmal geplatzt.

Willy Trost, Vorsitzender des Trägervereins "Katholiken im Rundfunk", betrachtet die Situation dennoch nicht als aussichtslos: Die entscheidende Schwierigkeit habe darin bestanden, daß man der Werbeindustrie nicht habe nachweisen können, wie viele Hörer das nur über Satellit und Kabel ausgestrahlte Radio Campanile gehabt habe; für diese sei nur ein Sender, der über eine eigene terrestrische UKW-Frequenz verfüge interessant. Eine solche sei ihm noch Ende Juni in Aussicht gestellt worden: Und Trost hofft nach wie vor darauf, sie in nächster Zeit zu bekommen.

Auch die Geldgeber, die ihm im Oktober 1997 und zuletzt im Februar größere Summen in Aussicht gestellt hätten, hätten letztlich nicht gezahlt, weil sie zu der Ansicht gelangt seien, daß momentan der Sender "ein Faß ohne Boden" sei. Für die Haltung der deutschen Bischöfe zeigt der Vorsitzende der "Katholiken im Rundfunk" ebenfalls Verständnis: "Sie haben uns schon vor Jahren signalisiert, daß sie uns wegen ihres Engagements im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht unterstützen können und haben sich daran gehalten."

Feindliche Übernahme?

Trotz aller Probleme sei er zuversichtlich, daß das Aus für Radio Campanile nur "vorübergehend" sei und man schon bald wieder auf Sendung gehen könne, verbreitet Willy Trost, der noch Anfang Juli gegenüber Journalisten eingeräumt hatte, daß man "die Einnahmenseite nicht im Griff" habe, unerschütterlichen Optimismus.

Wesentlich skeptischer und zurückhaltender sieht da Jürgen Bringmann, Geschäftsführer der Radio Campanile GmbH, die Lage. "Technisch und personell" sei es kein Problem, den Sender schnell wieder auf die Beine zu bringen, "aber ich bin etwas skeptisch, die Frequenzen finanzieren zu können". Dafür müsse man erst sicher wissen, daß man den Sendebetrieb für zwei Jahre garantieren könne; dafür aber brauche man "mindestens fünf Millionen Mark". Bringmann bestätigte, daß Radio Campanile "fast keine Werbeeinnahmen" gehabt habe, und "einige große Spenden, aber keine vielen kleinen, die wir unbedingt gebraucht hätten."

Bringmann resignierend: "Hoffnungen haben sich nicht bewahrheitet, Zusagen von Geldgebern sind nicht eingehalten worden, manche habe ihre Spenden angesichts der aussichtslosen Lage zurückgezogen." Von den deutschen Bischöfen habe man keine Hilfe erwarten können, weil Radio Campanile ausdrücklich als Privatinitiative "ohne Mief und Weihrauch" angetreten sei; damit habe man sich aber auch manches verbaut.

Seit längerem gab es bei Radio Campanile nicht nur finanzielle Probleme: Bereits im Frühsommer 1997 hatte der Sender finanziell vor dem Aus gestanden. Die Suche nach neuen Geldquellen löste dann im Förderverein heftige Kontroversen um den Kurs des Senders aus. Das Wort von der "feindlichen Übernahme" durch den konservativen italienischen Verkündigungssender Radio Maria machte die Runde; Gründungsmitglieder der "Katholiken im Rundfunk" befürchteten eine Umwandlung von Radio Camapanile in ein "Bekehrungsradio".

Helmut Fettweis, Vorsitzender der Betreibergesellschaft "Hörfunk Bonn/ Rhein-Sieg" und ehemaliges Vorstandsmitglied, erhebt den Vorwurf, "nicht erkennbare Geldgeber" hätten damals nicht nur die Mehrheit in der Verwaltungsgesellschaft, sondern auch im Vorstand übernommen. Auslöser sei "wahrscheinlich" Emmanuele Ferrario, Präsident von Radio Maria Italien, gewesen, der das Profil des Senders in seinem Sinn habe verändern wollen. Fettweis: "Man wollte ein anderes Radio, aber das ist mit unseren Gesetzen nicht zu machen." Das Programm von Radio Campanile sei jedenfalls dem Stil von Radio Horeb, dem deutschen Ableger von Radio Maria mit Sitz in Balderschwang/Allgäu, so sehr angenähert worden, daß es sich am Rande der Lizenz bewegt habe: "Es war zwar noch kein Verkündigungsrundfunk (der nach deutscher Gesetzeslage nicht erlaubt ist, Anm.), tendierte aber stark in diese Richtung."

Richard Kocher, Priester des Bistums Augsburg und Programmdirektor von Radio Horeb, das via Satellit von Luxemburg aus ausgestrahlt und seit 1997 auch ins Wiener Kabelnetz eingespeist wird (Kardinal Christoph Schönborn ist Mitglied im Trägerverein), weist alle Spekulationen über eine engere Zusammenarbeit von Radio Campanile und Radio Horeb von sich: "Sie haben vielleicht drei oder vier Gottesdienste von uns übernommen; sonst aber gab es nicht den geringsten Austausch. Bis zum Schluß haben sie ihren eigenen Stil durchziehen können." Auch der Vorwurf, es habe eine "feindliche Übernahme" durch Radio Maria gegeben, sei absurd. Vielmehr sei Radio Campanile bereits im Mai 1997 vor dem Aus gestanden; ein Vorstandsmitglied der "Katholiken im Rundfunk" habe Emmanuele Ferrario in Mailand daraufhin dringend um Hilfe gebeten habe.

Letztlich habe der Radio Maria-Chef keine andere Chance gesehen, Radio Campanile eine Verschnaufpause zu verschaffen, als ihm spontan finanziell zu helfen. "Es gibt keinen Generalplan, keine napoleonische Eroberungsstrategie von Radio Maria für ganz Europa", versichert Kocher. "Die Nachfrage kommt doch aus den einzelnen Ländern selbst, denn viele Bischöfe hören in Rom vom Erfolg Radio Marias und wollen selbst etwas Ähnliches haben."

Im Hinblick auf die Lizenz von Radio Campanile hätten Ferrario und er "nur einen minimalen, aber einen vorhandenen" Spielraum für Verkündigungssendungen gesehen. "Ein Radio, das nur über Satellit und Kabel ausstrahlt, ist eine Spielwiese", urteilt Kocher, "und ein Sender, der keine klare inhaltliche Linie besitzt, hat absolut keine Chance." Das Paradoxe an der deutschen Situation aber sei, daß ein Sender, der eine klare Verkündigungsausrichtung wähle, nach geltenden Recht keine Lizenz erhalte, was in Ländern wie Österreich, Frankreich, Portugal, Polen und Italien völlig anders sei. Kocher kündigt an, daß die Initiatoren des österreichischen Zweiges von Radio Maria, die im niederösterreichischen Amstetten eine Lokalradiofrequenz bekamen, den Beweis antreten, daß man einen solchen Hörfunk erfolgreich machen könne: "Und auch in Deutschland ist es nur eine Frage der Zeit, daß man von den bisherigen Gepflogenheiten beim Erteilen von Lizenzen abweicht."

Verbindung nach Wien Welcher kirchenpolitischen Couleur auch immer - in einem sind sich alle Beobachter einig: Das Programm von Radio Campanile hatte kaum Hand und Fuß. Es wurde versäumt, Profil zu entwickeln, anders gesagt: mit publizistischen Leistungen Schlagzeilen zu machen. "Nach dem jetzigen Kenntnisstand sind handwerkliche Fehler gemacht worden. So einfach, aber auch so brutal lautet das Fazit", schrieb Martin Thull, Chefredakteur des Katholischen Instituts für Medieninformation/Köln, kürzlich in der "Funkkorrespondenz". Und unbestritten ist unter Insidern, daß nach dem Scheitern von Radio Campanile es etwas Vergleichbares in den nächsten 20 Jahren in Deutschland kaum noch einmal geben wird.

In Wien allerdings, wo zwischen dem 20. und 25. September Radio Stephansdom auf Sendung gehen soll, will man aus dem Desaster von Radio Campanile lernen. "Wir werden kein Allerweltsradio sein, sondern eine Oase für Sinnsucher", erklärt Programmdirektor Anton F. Gatnar zur Furche unter deutlicher Anspielung auf Radio Campanile. Als kirchliche Stiftung nach kanonischem Recht in Trägerschaft der Erzdiözese Wien gebe man sich von vornherein nicht der Illusion hin, sich selbst tragen zu können. Zielgruppe seien "Menschen, die von der Arbeit nach Hause kommen und sich entspannen wollen". Gatnar verspricht "ein klar durchgestyltes Musikprogramm" und "interessante Informationen über die Kirche"; nur zwischen 18 und 22 Uhr soll es einen Wort-Schwerpunkt geben. Radio Stephansdom werde kein Verkündigungssender sein, und deshalb betrachte er Radio Maria auch nicht als Konkurrenz, so Gatnar.

Eine Querverbindung zwischen Radio Campanile und Radio Stephansdom gibt es allerdings: Mit der Akquisition der Werbung für Radio Stephansdom nämlich wurde der Albatros-Verlagsservice in Wien beauftragt, dessen Geschäftsführer Peter Morawetz ist. Der aber war noch bis Ende Juni - neben Jürgen Bringmann - Geschäftsführer bei Radio Campanile und gab diese Tätigkeit nach eigenen Angaben auf, als sich das Aus des Senders abzeichnete.

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