Papst gibt die Linie vor

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Radio Vatikan war die erste weltweit sendende Rundfunkstation: Am 12. Februar 1931 ging der Sender des Papstes on air.

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Radio Vatikan war die erste weltweit sendende Rundfunkstation: Am 12. Februar 1931 ging der Sender des Papstes on air.

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Innovation bei den Kommunikationsmitteln wird im Vatikan seit jeher groß geschrieben. So ist es kaum verwunderlich, dass das katholische Kirchenzentrum auch beim Rundfunk zu den Pionieren zählte: Es war Papst Pius XI., der das erste Weltradio einrichtete. Bald nach der Unterzeichnung der Lateranverträge, die dem Kirchenstaat 1929 seine jetzige Form gaben, hatte der Papst Guglielmo Marconi, den italienischen Nobelpreisträger und Erfinder des drahtlosen Sendens, mit dem Aufbau von Radio Vatikan beauftragt. Gleich nach der Gründung übertrug er die Senderleitung den Jesuiten.

Auch heute gibt das Kirchenoberhaupt die Redaktionslinie vor. Programmdirektor Federico Lombardi formuliert das so: "Ich mache einen besseren Dienst, wenn ich gut erkläre, was der Papst denkt, als wenn ich gut erkläre, was ich denke." Das habe er an seinem ersten Arbeitstag im Radio gelernt, meint er mit einem Lächeln: An diesem Tag im Jahr 1991 ist der Golfkrieg ausgebrochen und Lombardi hatte keine Ahnung gehabt, was er jetzt tun sollte. "Aber dann", so Pater Lombardi, "sah ich, dass hier viel von der Haltung des Papstes abhängt. Er kommentiert wirklich sehr viele Situationen des Lebens." Das Programm sei daher weniger von eigenen, redaktionellen "Erfindungen" inhaltlicher Natur geprägt, als an Kirche und Initiativen des Papstes orientiert.

Und dieser bedankte sich auch bei den 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Radios mit einer Audienz zum 70. Geburtstag des Senders. Bei dieser Gelegenheit betonte er auch seine Wertschätzung für den derzeitigen Vorsitzenden des Verwaltungsrates von Radio Vatikan, den 79-jährigen Jesuitenpater Roberto Tucci, der von 1973 bis 1985 den Sender als Generaldirektor geleitet hat. Tucci ist auch einer der neuen Kardinäle, die der Papst kommende Woche beim Konsistorium ins Kardinalskollegium aufnehmen wird. Das sei neben dem Dank für die Organisation vieler Papstreisen in den vergangenen Jahren auch eine Auszeichnung für Tuccis Arbeit beim Radio, so der Papst. Die Arbeit der Radioleute bezeichnete das Kirchenoberhaupt bei der Audienz in der Sala Clementina im Vatikan als "qualifizierten und modernen Beitrag zum Werk der neuen Evangelisierung in unserer Zeit, die durch das Ausbreiten und Intensivieren des Phänomens der globalen Kommunikation charakterisiert ist". Außerdem sagte er in seiner Rede: "Der Papst zählt sehr auf eure Hilfe, um seinen Petri-Dienst zu leisten, und er bittet, dass ihr euch jeden Tag zu Verbreitern der Wahrheit zu machen, die frei macht."

Sprachrohr des Papstes Das Statut des Senders aus dem Jahr 1995 formuliert einige Vorgaben an die 200 Journalisten, die im Palazzo Pio bei der Engelsburg an einem Programm in 40 Sprachen arbeiten. Das Gebäude hat seinen Namen von Pius XII. Vor allem ist es Aufgabe des Radios, die christliche Botschaft zu verbreiten und das katholische Zentrum im Vatikan mit den einzelnen Staaten der Erde zu verbinden. Das soll durch die Ausstrahlung von Stimme und Lehre des Papstes, Information über die Aktivitäten des Heiligen Stuhls, die Widerspiegelung des katholischen Lebens in anderen Teilen der Welt und eine Bewertung der momentanen Probleme im Licht der Kirche geschehen, formuliert es das Statut.

Die 15- bis 20- minütigen Sendungen je Sprache und Tag seien zwar eine "ziemlich kleine Möglichkeit" diese Vorgaben zu erfüllen, meint der 58-jährige Lombardi. Trotzdem gehe es darum, auf das jeweilige kulturelle Umfeld in den einzelnen Ländern einzugehen. Wichtig sei das Radio vor allem, um objektiv Rede und Lehre des Papstes verständlich zu machen und auch positive Aspekte hervorzuheben. "Oft wird nur das Negative gesehen," sagt Lombardi zur Aufgabe der deutschsprachigen Abteilung, die ja in ein eher kirchen- und romkritisches Gebiet sendet. "Wenn der Heilige Stuhl einen eigenen Sender will, dann auch, um die Leute in anderen Teilen der Kirche wissen zu lassen, was der Papst wirklich sagt und tut."

Eine wichtige Rolle spielt das Radio aber besonders dann, wenn es darum geht, Informationen in Länder zu bringen, die sich von der Außenwelt abschotten. So ist etwa das vietnamesische Programm 45 Minuten lang, um längere Beiträge und mehr Information zu liefern. "Wir wissen, dass die Texte in Vietnam niedergeschrieben und weiter gegeben werden und viele Jahre lang die Basis für die Priesterausbildung dort waren", sagt Lombardi. Ähnliches gilt für China.

Der Leiter der deutschsprachigen Abteilung, Eberhard von Gemmingen, - wie Lombardi Jesuit - bezeichnet daher "Hitler und Stalin als die größten Förderer von Radio Vatikan. Indem sie die Landesgrenzen schlossen, wurde der Sender für die Einwohner interessant." Im Gegenzug müsse sich der Sender aber überall dort, wo es Medienfreiheit gebe, seinen Marktanteil erkämpfen, so Gemmingen. Im säkularisierten Europa nimmt die Quote ab. Für den deutschsprachigen Raum liegen die Hörerzahl-Schätzungen zwischen 50.000 und 200.000. Angesichts dieser Zahlen plädiert Gemmingen dafür, europäische Sprachen zu reduzieren und Ressourcen in asiatische und afrikanische Redaktionen zu verlagern. Der deutsche Jesuit produziert mit seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen - vier Vollzeit- und fünf Teilzeitkräfte - in einem der 23 Studios zwei Sendungen pro Tag: Eine Nachrichtensendung mit dem Titel "Treffpunkt Weltkirche" am Nachmittag und abends eine Magazinsendung, die jeweils verschiedene Themen wie Entwicklungszusammenarbeit, Geschehnisse in der Weltkirche und in Rom sowie Bereiche an der Schnittstelle zwischen Kirche und Gesellschaft zum Inhalt haben.

Unverwechselbar ist dabei die Kennung der Sendungen: Zu Beginn und Ende heißt es "Laudetur Jesus Christus - hier ist Radio Vatikan". Zum 70er des Radios hat sich die Redaktion im dritten Stock mit Ausblick auf die Engelsburg ein neues Angebot für Jugendliche einfallen lassen: Unter www.radiovaticana.de ist im Internet die Jugendseite "Young Radio" abzurufen. Dort finden sich neben Veranstaltungstipps auch "junge" Beiträge zum Abhören.

Radio Vatikan ist mit Ausgaben von 280 Millionen Schilling das teuerste Unternehmen des kleinen Kirchenstaates. Neben dem Sitz der Redaktion im Palazzo Pio - die Hauskapelle dort ist übrigens dem Erzengel Gabriel als Schutzpatron der Telekommunikation geweiht - befindet sich ein Teil der technischen Einrichtung im Vatikan selbst. Die Sendestation S. Maria di Galeria hingegen ist 25 km vom Vatikan entfernt.

Jetzt auch digital Eine der großen Herausforderungen für den Papstsender ist die schnelle technische Entwicklung. Der Sprung von der Analog- zur Digitaltechnik habe viel Geld gekostet und natürlich auch die Arbeitsweise im Haus verändert, sagt Lombardi. Durch Satelliten sei es möglich, die Sendungen von anderen Stationen weiter ausstrahlen zu lassen. Haben noch vor einigen Jahren viele gesagt, die Kurzwelle sei tot, so könne bald vielleicht gerade sie mit Digitaltechnik in guter Qualität und mit weniger Energieaufwand senden und damit wieder eine wichtigere Rolle spielen. Und noch eines kommt dazu: Die verschiedenen kulturellen Situationen und Arbeitsgewohnheiten der insgesamt 400 Menschen umfassenden Belegschaft aus 59 Nationalitäten, die respektiert werden müssen, so Lombardi. Und natürlich ändern sich auch die Inhalte. So seien im Heiligen Jahr 2000 jede Woche neue Probleme diskutiert worden: Von Arbeit über Jugend, Militär und Behinderten bis zur Familie habe sich der Bogen gespannt, so Lombardi. Dazu komme die schnelle Entwicklung in Themenkreisen wie Ethik, Medizin und in der Friedensarbeit: "Da bleibt nicht viel Zeit, um ruhig zu bleiben."

Und schließlich sind es vor allem die Initiativen und Reisen des Papstes, die neue Gegebenheiten schaffen. Jetzt stehen Ukraine, Armenien, Syrien und vielleicht bald Griechenland auf seinem Reisekalender. Lombardi: "Das ist jedes Mal eine neue Welt, die wir kennen müssen."

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