"Ein neuer Stil päpstlicher Äußerungen"

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Papst Franziskus möchte vorab keine Interviewfragen wissen; für Benedikt XVI. hingegen war es besser, vorher nachdenken zu können: P. Federico Lombardi, bis August 2016 vatikanischer Pressesprecher, erzählt im FURCHE-Gespräch über seine Arbeit mit den Päpsten.

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Papst Franziskus möchte vorab keine Interviewfragen wissen; für Benedikt XVI. hingegen war es besser, vorher nachdenken zu können: P. Federico Lombardi, bis August 2016 vatikanischer Pressesprecher, erzählt im FURCHE-Gespräch über seine Arbeit mit den Päpsten.

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Seit 1. August ist Federico Lombardi als Pressesprecher des Papstes im Ruhestand. Zehn Jahre lang - unter Benedikt XVI. und Franziskus - hat er den vatikanischen Pressesaal geleitet .

Die Furche: Sie haben 30 Jahre an vorderster Stelle die vatikanische Medienarbeit mitgestaltet. Was war da die größte Veränderung?

P. Federico Lombardi: Natürlich haben wir in diesen Jahren die Veränderungen der Medienkultur durchlebt. Zu Beginn hatten alle Schreibmaschinen, es gab keine Computer. Die Tonaufnahmegeräte waren nicht digital. Wir konnten keine Satelliten nutzen. Die Entwicklung der Technik habe ich intensiv miterlebt. Das war ein allmähliches Lernen - von den Kurzwellen, die wir bei Radio Vatikan verwendeten, zu Internet und Satelliten. Radio Vatikan strahlt nun nicht mehr via Kurzwellen von Rom in die ganze Welt aus, sondern der größte Teil unserer Hörer sind die Hörer der verschiedenen katholischen Radios in der Welt, die die Programme durch Satelliten und das Internet bekommen und weiter ausstrahlen. In diesem Sinne war das eine ekklesiologische Vision unserer Arbeit: Es kommt aus Rom ein Dienst für die ganze Kirche. Was der Papst für den Dienst der Kirche und der Menschheit macht und sagt, das wird in die katholischen Medien in den verschiedenen Teilen der Welt integriert. Wir machen also nicht alles allein, sondern arbeiten mit den Medien aus der ganzen Welt zusammen.

Die Furche: Zuletzt sind die sozialen Medien hinzugekommen.

Lombardi: Das ist wieder eine große Änderung. Diese Kommunikationskultur ist ganz anders als unsere traditionelle Weise, vom Zentrum her oder mit dem Ausstrahlen unserer Produktionen zu arbeiten. Interaktivität, das ist neu für uns -in dem Sinn, dass man einen Kern an journalistischer Arbeit und Informationen hat, der in verschiedenen anderen Weisen nutzbar wird.

Die Furche: Es hat sich ja auch durch die Person des Papstes viel verändert. Unter Johannes Paul II. war ein Interview mit dem Papst noch eine große Sensation.

Lombardi: Stimmt, aber schon Johannes Paul II. hat während seiner Reisen den Dialog mit den Journalisten im Flugzeug begonnen. Das waren die ersten direkten Dialoge zwischen Journalisten und dem Papst. Das hat sich dann weiterentwickelt. Bei Johannes Pauls II. Buch "Die Schwelle der Hoffnung überschreiten" hatte er die Fragen vorher bekommen. Benedikt XVI. hingegen machte schon als Kardinal Ratzinger Interviewbücher mit Vittorio Messori und Peter Seewald und dann mit Seewald auch während des Pontifikates. Benedikt hat die Dialoge in den Flugzeugen weitergebracht. Papst Franziskus hat das sehr erweitert, mit einer anderen Methode. Er macht sehr viele Interviews, das ist wahr. Aber erst seitdem er Papst ist.

Die Furche: Franziskus war per se gar kein "Journalistenpapst"?

Lombardi: In Buenos Aires hatte Franziskus ganz wenige Beziehungen zu Journalisten. In Rom hat er dann gesehen, wie gut er von den Journalisten angenommen wird. Besonders die ersten großen Dialoge im Flugzeug waren große Erfolge. Danach war er bereit, auf Fragen zu antworten. Er hat da besonders mit Italienern und Spaniern gesprochen. Er fühlt sich besser, wenn er frei und sicher beim Sprechen ist. Deswegen ist die Mehrheit der Interviews auf Spanisch und Italienisch.

Die Furche: Das ist auch für einen Pressesprecher neu: Früher war der Papst jemand, der nie etwas spontan geäußert hat. Jetzt redet der Papst so wie Du und Ich.

Lombardi: Wir müssen von einem neuen Stil und einer neuen Hermeneutik päpstlicher Äußerungen sprechen. Unter Pius XII. war alles perfekt vorbereitet - klar und ohne jede Unsicherheit. Er konnte alles auswendig sagen, das war wirklich beeindruckend. Und dann allmählich - schon unter Paul VI. hat sich das verändert. Johannes Paul II. hat des öfteren spontan gesprochen, besonders mit der Jugend. Bei Franziskus ist das auch so: Er ist sehr spontan und normal; das hat den großen Vorteil, dass die Distanz zwischen Papst und Leuten verschwindet. Das hat er auch mit seiner Haltung und seinen Gesten demonstriert. Auch in der Weise, wie er sich ausdrückt zieht er es immer vor, direkt und spontan zu sein. Das ist seine Botschaft. Weil es eine freie Rede ist, müssen seine Worte natürlich mit Wohlwollen interpretiert werden. Es ist auch charakteristisch, dass er die Fragen in einem Dialog oder in einem Interview vorher nicht kennen will.

Die Furche: Und bei Benedikt XVI. war das anders?

Lombardi: Bei ihm bin ich ganz anders verfahren. Benedikt dachte eine Minute nach und äußerte sich dann in einer perfekten Synthese, die ganz wunderbar war -das konnte man niederschreiben. Für seine Persönlichkeit war es besser, vorher nachdenken zu können und nicht überraschende Fragen zu bekommen, die er nicht durchgedacht hatte. Franziskus macht das anders. Wenn er will, antwortet er, wenn er nicht will, antwortet er nicht. Das ist ein anderer Stil. Natürlich muss man dann einige Präzisierungen geben - etwa wenn er sich einmal in einem Datum irrt.

Die Furche: Aber auch wenn Papst Benedikt alles durchdacht hat, gab es Proteste - man nehme etwa seine Regensburger Rede

Lombardi: die er als akademische Rede gedacht hat, aber die dann als politische Rede interpretiert wurde. Ich habe das nicht vorhergesehen. Ähnlich die Kondom-Affäre, als er gesagt hat, Kondome würde das Aids-Problem verschlimmern: Das kann passieren. Man sollte aber sehen, dass diese Aussage nicht in seinem Sinn interpretiert wurde -es waren acht Jahre, 20 Reisen, einmal ein Wort, das bleibt. Benedikt wurde außerdem von der Presse nicht so viel nachgesehen wie Franziskus. Franziskus kann auch eine nicht präzise Äußerung benutzen

Die Furche: ...meinen Sie etwa, dass Franziskus gesagt hat, man soll einem Kind hin und wieder einen Klaps geben: Das hat ihm medial nicht so geschadet wie das-Kondom-Wort von Benedikt.

Lombardi: Ja. Es gab mehrere Gelegenheiten wie diese, aber das allgemeine Urteil blieb positiv. Das sagt auch etwas über die Journalisten aus, nicht nur über den Papst - dass sie nicht immer objektiv sind. Die Furche: Bei Benedikt gab es einiges an Medienschelte. Zurzeit hat man den Eindruck, es gibt nicht mit den Medien, sondern innerhalb der katholischen Kirche Konflikte: Kardinäle widersprechen öffentlich dem Papst, zuletzt gab es Streit um den Malteser-Orden.

Lombardi: Ich bin jetzt nicht mehr im Amt als Sprecher und kann daher nicht zu viel dazu sagen. Richtig ist: Franziskus fordert von der Kirche, pastoral näher bei den Menschen zu sein, nicht nur die allgemeinen Prinzipien, sondern besonders das konkrete Leben, in dem die Prinzipien zur Geltung kommen, in den Blick zu nehmen. Für viele ist das ziemlich neu: Wie können wir die Jungen begleiten und unterscheiden, wofür sie berufen sind? Diese Weise, die das Leben der Kirche und unseren Glauben zu dem konkreten Leben in Verbindung bringt, erfordert viel Arbeit. Diese Orientierung zum konkreten Leben der Christen, die von mehreren in der Kirche eine neue Haltung verlangt -das ist nicht leicht. Die Wurzel der Probleme sehe ich in diesem Aspekt.

Die Furche: Zurück zu den sozialen Medien. Diese sind stark in der Kritik, weil es dort viel Hass gibt. Wie sehen Sie da die Entwicklung?

Lombardi: Ich sehe da große Risken. Ich bin nicht spontan optimistisch. Fake News, Hass, Oberflächlichkeit, Konfusion, Relativismus

Das ist die Atmosphäre, die Welt, in der wir leben. Wir können es nicht ändern. Wir müssen aber alles tun, um das Positive, das da drinnen steckt, zu favorisieren und zu entwickeln. Es gibt die Möglichkeit, mit anderen Leuten Kontakt zu haben, Dialog. Die Botschaften des Papstes zu den Weltkommunikationstagen versuchen, einen positiven Akzent zu setzen. Aber wir dürfen nicht denken, dass alles automatisch besser wird. Ja, es gibt bei den sozialen Medien ein Risiko. Wenn wir alles nur von den neuen Medien her sehen, dann besteht die Gefahr, dass wir den gründlichen Journalismus verlieren.

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