Im Herbst des Pontifikats

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Die gefährliche Halserkrankung des Papstes bot einmal mehr Gelegenheit für vatikanische Gerüchte.

Sturm im Wasserglas oder gar Probelauf fürs Ende des Pontifikats? Johannes Pauls II. Erkrankung ließ die Mutmaßungen von Vatikanisten und Papologen einmal mehr um die Welt gehen. Doch der Papst ist wieder zu Hause und war letzten Sonntag schon wie immer am Fenster des Apostolischen Palastes zu sehen. In dieser Woche finden im Vatikan die Fasten-Exerzitien statt, und da nimmt der Pontifex seit jeher keine öffentlichen Termine wahr - die journalistischen Krankenbeobachter werden Johannes Paul II. also kaum zu Gesicht bekommen.

Weltweite Spekulationen

Letzte Woche machten - wie schon oft - Medien weltweit mit Spekulationen über einen Rücktritt des Papstes auf. Diesmal war eine scheinbar kryptische Äußerung von Kardinal-Staatssekretär Angelo Sodano der Auslöser für den Rumor: "Das überlassen wir dem Gewissen des Papstes", so die kolportierte Antwort der Nummer zwei der Hierarchie auf die Frage nach einem Papst-Rücktritt, außerdem habe Sodano davon gesprochen, dass die Leitung der Kirche auf verschiedene Weisen geschehen könne, und dass der Heilige Geist dem Papst die Wege zeigen werde, wie er dies am besten tun könne.

Allein die Tatsache, dass Sodano die Frage nach einer Resignation Johannes Pauls II. nicht abgeschmettert hatte, ließ die medialen Alarmglocken schellen. Kardinal Giovanni Battista Re, der mächtige Vorsitzende der römischen Bischofskongregation ließ dementsprechend via Radio Vatikan ausrichten: die Spekulationen seien "geschmacklos". Dagegen sprach der argentinische Kurienkardinal und Papstfreund Jorge M. Mejia in einem Radiointerview einen Papstrücktritt als "mögliche Sache" an.

Kein Schluss der Debatte

Der Papst selbst, der einen Rücktritt ja wiederholt energisch verneint hatte, ließ am 13. Februar beim sonntäglichen Angelusgebet seinen Substituten eine Rede vorlesen, in der es hieß, er wolle die ihm von Jesus anvertraute Mission erfüllen. Schluss der Debatte also? Wohl kaum.

Ein laut Kirchenrecht theoretisch möglicher Papst-Rücktritt scheint in der derzeitigen Kirchenlage doch nicht ganz handhabbar zu sein. Die britische katholische Wochenzeitung Tablet zitiert etwa die Meinung von Kirchenrechtlern, dass es nicht klar ist, wie so ein Rücktritt vonstatten gehen könne: "Vor allem die Tatsache, dass ein Papst auf Erden keinen Vorgesetzten hat, bei dem er den Rücktritt einrechen kann", weise auf ein ungelöstes Prozedere hin. Als größeres Problem nennt Tablet gleich anderen Medien ein Szenario, bei dem der Papst ins Koma oder in geistige Umnachtung fällt. Da es dafür keine explizite Bestimmung des Kirchenrechts gebe, so zitiert Tablet einen römischen Kirchenrechtler, müsse man auf mittelalterliche Diskussionen zurückgreifen, nach denen dann das Gleiche zu tun wäre, wie wenn der Papst ein Häretiker sei: Dann stünde er "außerhalb der Kirche" - und somit sei eine Sedisvakanz eingetreten.

Es gibt in der Geschichte aber auch andere Beispiele. Tablet führt das Pontifikat von Clemens XII. an, der im Jahr 1730 79-jährig und bettlägrig zum Papst gewählt wurde. Sechs Jahre später hatte dieser Papst sein Augenlicht verloren und 1738 auch sein Gedächtnis - aber er "regierte" noch bis zu seinem Tod 1740!

Neben dem - von ihm erneut ausgeschlossenen - Rücktritt ist der schlechte Gesundheitszustand Johannes Pauls II. das bestimmende Spekulationsthema. So berichtete die in Rom redigierte us-Zeitschrift Inside the Vatican, dass der Papst knapp vor dem Erstickungstod war, als er in die römische Gemelli-Klinik eingeliefert wurde.

Dem Tod knapp entronnen?

Andere Mutmaßungen kamen auf, als Johannes Paul II. am 6. Februar vom Klinik-Fenster den Angelus-Segen sprach: War das seine Live-Stimme, welche die Öffentlichkeit hörte, oder wurde ein vorgefertigtes Tonband abgespielt? Österreichs kirchenoffizielle Presseagentur Kathpress berichtete, "für den Notfall" hätten die Übertragungstechniker eine "Aufzeichnung der Segensworte zur Hand gehabt, die irrtümlich eingespielt" worden sei. Allerdings habe Vatikansprecher Joaquín Navarro-Valls noch am selben Tag erklärt, der Papst habe die Segensworte aus der Gemelli-Klinik "in dem gleichen Moment gesprochen, in dem wir sie über die Live-Übertragung gehört haben". Die Behauptung einer Vorabaufzeichnung habe "keinerlei Sinn".

Diese skurrile Begebenheit ist ein weiteres Indiz, welches päpstliche Szenario zu erwarten ist: "Betrachtet man seine Atem- und Sprachschwierigkeiten, so ist es wahrscheinlich, dass man den Papst zunehmend nur mehr sehen, aber nicht mehr hören wird." So bringt es Vatikan-Korrespondent John L. Allen im liberalen us-Wochenblatt National Catholic Reporter auf den Punkt.

119 Papstwahlberechtigte

Noch eine - im Zusammenhang dieser Tage - kuriose Begebenheit berichtet Kathpress: Der Vatikan hat das Geburtsjahr des Alterzbischofs von Wroclaw in Polen, Kardinal Henryk Gulbinowicz, von 1928 auf 1923 korrigiert. Gulbinowicz hatte sich während des 2. Weltkriegs um fünf Jahre "jünger" gemacht, damit er von den Deutschen nicht zur Zwangsarbeit deportiert werden konnte. Nach dem Krieg wurde dieses "falsche" Alter nie richtig gestellt.

Die nunmehrige Korrektur hat zur Folge, dass der polnische Kardinal statt 78 auf einen Schlag 81 Jahre alt ist. Damit ist Gulbinowicz älter als 80 und kann in einem Konklave nicht mehr mitwählen. Zur Papstwahl berechtigt sind zur Zeit somit noch 119 Purpurträger.

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