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Auf einsamer Höhe

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In einer der letzten Staatsopern-Vorstellungen dieser Saison hörte man eine „Trdstan“-Aufführung, die ihren besonderen Glanz der leider so selten bei uns zu hörenden Birgit Nilsson verdankte. Die Künstlerin offenbarte schon beim Zwiegespräch mit Brangäne und vollends in der Liebestrankszene mit Tristan alle Schönheiten ihres Soprans, der sich im Lauf des Abends in den mannigfaltigsten Timbre-Schattierungen, so in weicher Bindung kantabler Phrasen, dann wieder in der Metallegierung ihrer grandiosen Spitzentöne, aber auch in nie versagender Flexibilität wandelte. Das Schönste bescherte die Künstlerin im „Tagesund Nachtgespräch“ des 2. Aktes, das selbst von dem ergreifend und noch unermüdet gesungenen „Liebestod“ nicht übertroffen wurde. Uber den Gesang der Nilssson vergaß man zeitweilig die anderen Mitwirkenden.

Neben ihr hätte es auch der beste Tristan nicht leicht, und zu denen zählt Jess Thomas leider nicht. Immerhin ringt er seinem Zwischenfach-Tenor einige heldische Töne ab, aber er ist in dieser mit ihm falsch besetzten Partie weit überfordert. Seine Darstellung ist im Vergleich zur ausgereiften Leistung der Nilsson in großem Abstand zu nennen, in den Visionen des letzten Aktes versucht er, aus sich herauszugehen, allerdings immer mehr auf Kosten der stimmlichen Verfassung. Graee Hoffmanns Brangäne hebt sich in ihrem weichen, runden Mezzo gut von dem Organ der Nilsson ab; die Rufe der zur Vorsicht mahnenden, Wache haltenden Dienerin fügten sich bestens in die Schönehiten dieser Szene ein. Donald Mclntyre und seinem dunklen Bariton liegt der Kurwenal besser als sein seinerzeit gesungener, zuwenig dämonischer Holländer. Auftrumpfend im Spottlied und rührend-tröstend am Schmerzenslager Tristans, ist er auch im Spiel ein bis in den Tod getreuer Gefolgsmann seines Herrn.

Franz Crass mit edlem, warmen Baß war ein Marke voll verstehender Menschlichkeit und einsichtsvoller Güte. Die Partie des Melot vertrat der temperamentvoll agierende Reid Bunger, der Stimme des Seemanns lieh Anton Dermota seinen in der Mittellage noch immer ansprechenden Tenor. August Everdings gute, nur in der Lichtregie versagende Inszenierung spielt in den Bühnenbildern Schneider-Siemssens, zu denen nur zu sagen wäre, daß es einst herrliche „Tristan-Dekorationen — so nannte man dies damals — gab. Sie stammten von Alfred Roller und hielten sich bis in die zwanziger Jahre!

Horst Stein möchten wir als Wagner-Dirigenten von allen anderen seiner so schätzenswerten Leistungen den Vorrang geben; immer spürte man hier seine das innerste Wesen des Werkes erfassende Sicherheit und seine geballte Konzentration, die er auf das herrlich spielende Orchester zu übertragen verstand. Von dem am Schluß der Aufführung die Nilsson umbrandenden Jubel konnten er und die anderen Mitwirkenden einen entsprechenden Teil für sich buchen.

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