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Baumfrevel als Advent-Vorschau

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Es rauscht in Oberösterreichs Fichten- und Blätterwald. Das dynamische Bundesland hat sich entschlossen, heuer gleich zwei PR-Christbäume aufzustellen: einen aus Schörfl ing für Wien - und einen aus Kopfing für den Vatikan. Die Werbeberater der Weihnachtsmänner im Linzer Landhaus haben sich mit dieser konzentrierten Aktion genau jene erfolgreiche Symbiose ausgedacht, die seit jeher die Trias des oberösterreichischen Charakters bildet: Heimatliebe, Religiosität und Geschäftssinn.

Positive Eigenschaften durchaus. Ihre gegenseitige Durchdringung und Beeinflussung ist freilich ein eher diesseitiges Kapitel.

Mit Milchpackerln, Pelzmänteln, Auto-Nummerntafeln und Politiker-Abfertigungen haben die ober-österreichischen Super-Weihnachtsbäume gemeinsam, daß sie ins geistige Ozonloch des heimischen Polit- und Umweltbewußtseins fallen. Das geschärfte Gewissen und die Medien bestimmen, was primär wichtig ist in diesem Lande. Was ja nicht heißt, daß das solcherart Wichtiggemachte unwichtig wäre.

Sage keiner, die sogenannten Mostschädel gönnten dem Wiener Rathausmann nicht die festliche Glitzergesellschaft, mit der er in stillen Adventnächten, wenn sich der Bratwürstelduft vorm Burgtheater verzogen hat, über Plastik-atrappen hin einsame Zwiesprache halten mag! Ein Baum von den Hängen der Attersee-Landschaft ist doch allemal ein dankbarer Gruß an die badefreudigen Wiener, nach deren kommunikativer und kulturbelebender Sommer-Anwesenheit die fremdenverkehrsbegünstigten Ufer vor Sehnsucht stöhnen.

Bei der Verabschiedung in die Bundeshauptstadt wurde die Zeremonie zwar ohne Objekt gemacht, weil sich die Schlägerung verzögerte. Aber das beweist doch nur die hohe Abstraktionsfähigkeit oberösterreichischen PR-Brauch-tums. Mittlerweile ist der Baum in Wien. Alles gerettet!

Dem Papst hingegen, so scheint es, gönnen die oberösterreichischen Landsleute die weihnachtliche Erinnerung an den wirksamen Reiseauftritt in Erms weniger gern. Die grünen Fundamentalisten müssen das irgendwie gespürt haben, denn sie zogen sogleich die umgekehrten Spendierhosen an und prangerten einen Mord ah 200 unschuldigen Bäumen an, diezur Errichtung einer Forststraße fallen mußten, um den Pracht-Christbaum zu Schlägern und abzutransportieren. Die dadurch erzielten Solidarisierungsef-fekte im Linzer Landhaus wurden zum katholischen Triumph.

Nicht bloß der die oberösterreichische Charakter-Trias verkörpernde Landeshauptmann mit Getreuen, Angetrauter und Goldhauben, sondern auch seine sozialistischen Familienfreunde meldeten sich für den Christbaum-Pilgerzug nach Rom. Freiheitliche Assistenz ist zur Stunde noch nicht angesagt, aber nicht ausgeschlossen.

Der Ort des papistischen Baumfrevels in Kopfing wurde indes zur Stätte penibler Recherche. Die 200 Opferbäume sind Legende, die Forststraße müßte ohnehin gebaut werden. Von einer Million Schilling Kosten könne keine Rede sein, zumindest nicht für den Steuersäk-kel. Denn erstens wird der Christbaum von den stets eifrig spendenaktiven Innviertier Goldhauben-Frauengruppen bezahlt - und zweitens transportiert der Frachter regelmäßig Schnittholz nach Rom und hat sich bereit erklärt, die Fichte zur Ehre Gottes und des Landes gratis mitzunehmen.

Wäre doch gelacht, wenn der über Skandale erhabene Landesvater ausgerechnet über eine Fichte gestolpert wäre! Und wenn die Politiker und ihre Eskorten dann die Fahrkarte nach Rom auch noch brav aus der Privattasche zahlen und sich die eventuell benötigte Weihnachtsbäckerei von daheim mitnehmen, so bleibt eigentlich sonst nichts mehr als den Heiligen Vater um einen sündentilgenden Fernsegen für die heimischen Christbaum-Miesmacher zu bitten.

Ein kirchliches Adventwort wäre auch noch fällig: Christbäume sind ein schöner Brauch getauften al-penländischen Heidentums. Sie sind weder ein Gebot noch eine Tugend. Die Geburt Christi ereignete sich ohne Christbaum. Weihnachten ohne Christbaum zu feiern ist nicht die geringste Sünde. - aber den Mitmenschen die Freude am Christbaum zu vergällen, das wäre denn doch, auch wenn der Ausländer mit bürgerlichem Namen Woj-tyla heißt, sagen wir, moralisch bedenklich.

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