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Danke für die Geste
Der Papst nimmt die Regierung der USA beim Wort — und jetzt fallen sie auch über ihn her: Schön langsam wächst sich der „Fall Waldheim“ wirklich zu einer übernationalen Tragödie aus.
Die US-Regierung hat mehrfach beteuert: Die Visumverweigerung gilt der „Privatperson“ Kurt Waldheim, nicht dem österreichischen Staatsoberhaupt und schon gar nicht der Republik Österreich und ihrem Volk; und auch gegen die „Privatperson“ gibt es keinen Schuldbeweis, sondern lediglich das formalgesetzlich (angeblich) geforderte Stopp-Signal der ominösen „watch list“.
Jetzt empfängt der Papst das Staatsoberhaupt der Republik Österreich und wird dafür von einigen jüdischen Organisationen als Gastgeber eines „reulosen Nazis“ gebrandmarkt. Jüdische Führer wollen eine für September geplante Begegnung mit dem Papst in den USA boykottieren. Womöglich gerät er noch auf eine „watch list“…
Alle, die am Dialog der Christen mit den Juden mit ihrem Herzblut hängen, können diese Menschenjagd nur noch mit tiefer Trauer verfolgen. Das Werk von Jahrzehnten wird mutwillig einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt. Es wird sie wohl bestehen. Aber unsere Bitte an jüdische Freunde muß noch stärker und lauter werden: Wehrt dem Scherbengericht durch mäßigendes Ge- gensteuem auch auf eurer Seite!
Waldheim ist für viele auf beiden Seiten der Konfrontation zum Symbolfall geworden. Das ist schlimm, weil Symbole stark die Gefühle ansprechen. Aber es muß einen Ausweg geben. Und der Ausweg kann nicht in Orgien von Haß bestehen, den Gedankenlose „biblisch“ oder gar „alttestamentarisch“ nennen.
Die Bibel verpflichtet Christen wie Juden zu brüderlich-schwesterlicher Konfliktbewältigung. Zeigen wir doch beide, daß es uns ernst damit ist!
Dem Papst aber ist dafür zu danken, daß er die Front des feigen Schweigens derer, die es besser wissen, durchbrochen und eine Geste dem österreichischen Volk gegenüber gesetzt hat.
Wer aber in Österreich diese Geste politisch kritisiert, hat jeden Sinn für die Würde des Staates verloren, der mit der Causa Waldheim ohnehin mehr als genug belastet ist.
Zum A btragen dieser Last wird jetzt hoffentlich auch die Kommission der Militärhistoriker beitragen — und der eine oder andere Staat, dem der Vatikan Mut gemacht haben sollte, gleichfalls Flagge zu zeigen.
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