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Die BRD: ein Freund und Fürsprecher
Anfang dieser Woche kam Außenminister Leopold Gratz zu einem Arbeitsbesuch nach Bonn. Dabei wollte er das Gespräch mit seinem bundesdeutschen Amtskollegen Hans Dietrich Genscher fortsetzen, das er bereits in Wien anläßlich der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag des Staatsvertrages begonnen hat. Es war dies übrigens der erste Besuch eines österreichischen Außenministers in Bonn seit dem Staatsbesuch Rudolf Kirchschlägers im Herbst 1982.
Abgesehen von den wenigen bilateralen Problemen geht es um einen Gedankenaustausch zwischen Freunden. In der Tat, die Beziehungen und das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und Österreich sind so problemlos wie nie zuvor in der Geschichte.
Uber die Grenzen hinweg bestehen zahlreiche freundschaftliche und verwandtschaftliche Kontakte wie zwischen keinen anderen europäischen Staaten. Die Aufteilung der vertriebenen Deutschen aus den Ostgebieten hat nach 1945 die verwandtschaftlichen Bande verstärkt, der im Wirtschaftswunder einsetzende Fremdenverkehr, der dazu führte, daß Österreich zum beliebtesten Ferienland der Deutschen wurde und das bis heute blieb, hat die Bindungen untereinander verstärkt.
Für Österreich ist und bleibt die Bundesrepublik der wichtigste Wirtschaftspartner. Daher spielt die Europäische Gemeinschaft bei allen Überlegungen eine große Rolle.
Außenminister Leopold Gratz versucht bei allen einschlägigen Initiativen Österreichs in Brüssel den Eindruck zu erwecken, daß die Deutschen nicht unser hilfreicher Bruder sind. Bei aller Freude über einen potenten und wichtigen Fürsprecher dürfen doch die anderen EG-Staaten schon aus österreichischem Interesse keine geringere Pflege erfahren. Daher sind für Gratz die Kontakte in London, Paris und Rom genauso wichtig.
Besorgt äußerte sich Gratz über Tendenzen sowohl in der Bundesrepublik wie in der DDR, in Zusammenhang mit Diskussionen über Wiedervereinigung und Deutschlandpolitik Österreich hineinzuziehen, wie das wiederum erst jüngst in Bonn geschehen ist. Völlig richtig schätzte er die Tatsache ein, daß in der Bundesrepublik wie auch in der DDR von der politischen Spitze bis hinab zum Wirtshaustisch noch nicht richtig erkannt wurde, daß Österreich nach 1945 einen Nationswer-dungsprozeß durchgemacht hat und sich nicht mehr als deutsch im •nationalen Sinne versteht, ohne sich aber deshalb von der gemeinsamen Geschichte, Kultur und Sprache abzunabeln.
Diese Äußerung von Gratz war richtig und bemerkenswert. Gleichwohl gab er zu, daß in der diesbezüglichen Einschätzung der österreichischen Eigenständigkeit sich noch viel ändern muß —und das nicht nur in der Bundesrepublik. Österreich kann dabei freilich nur sehr schwer etwas zur Bewußtseinsänderung beitragen. Auch die Diplomatie wäre hier überfordert.
Auf die Frage der FURCHE, wie er die überwiegend negative bis belustigende Berichterstattung der deutschen Medien über Hainburg, den Fall Reder und jüngst über die Abfangjägerdiskussion beurteile, die sicherlich für Österreich schädigend war und ist, gab der Außenminister mit der Bitte um Rücksicht auf die Innenpolitik keine Antwort.
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