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Die Kunst der Dynamik

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Materialgerecht: die Forderung, zuerst von der neuen Architektur erhoben, bezieht sich auch auf die bildende Kunst. Die Veränderung der Stile zeigt in dieser Hinsicht tatsächlich eine Entwicklung.

Den neuen Möglichkeiten, mit Metall zu arbeiten, wurden in Österreich vor allem zwei Bildhauer gerecht: Rudolf Kedl und Josef Schagerl. Kedl gestaltet dreidimensional und auf Relief tafeln die knospenden, eruptiven, in den leeren Raum vordringenden Formen einer ewigen Vitalität. Josef Schagerl, dessen großformatige Arbeiten gegenwärtig in der Hof-Galerie des Österreich-Hauses (Wien 1, Josefsplatz 6) gezeigt werden, unterordnet seine Visionen dem Metall. Sein Ausgangspunkt ist das Material selbst, und seine Plastik gibt den Konstruktionsmöglichkeiten dieses Materials eine durch starke Rhythmen wirkende ästhetische Form.

Schagerls Verhältnis zum Material seiner Kunst erinnert an den Standort der konkreten Poesie, die Sprache nicht als Vermittlerin einer Botschaft verwendet, sondern bloß reiht, gliedert, variiert. „Das Medium selbst ist die Botschaft": die in anderem Zusammenhang formulierte These geht letztlich auf die große Revolution der Malerei zurück, die mit dem Werk Cezannes verbunden ist.

Cezanne will nicht Wirklichkeit widerspiegeln; die von ihm dargestellten Formen sind Wirklichkeit an sich. Auch Schagerl verzichtet auf das realistische Modell. Er, der oft bewiesen hat, daß er auch konventionelle Aufgaben befriedigend lösen kann, schafft hermetische Gebilde. Sie sind in sich abgeschlossen, wirken durch die Kraft ihrer Komposition. Was sie darstellen ist: die Dynamik des Metalls, den Formwillen des Künstlers.

Damit öffnet Schagerl dem Betrachter ein freies Gebiet der Assoziationen. Die Phantasie erhält emotionelle Impulse und kann sich, nach den persönlichen Dispositionen des Betrachters, frei entfalten. Unter den österreichischen Bildhauern ist Schagerl einer der radikalsten.

Der völlige Verzicht auf Realismus zielt letztlich auf den Vorrang der Seele gegenüber der Materie. Grundelemente der Schöpfung erweisen sich als Bauelemente des Geistes. Das Kunstwerk wird zur Herausforderung, zur Energiequelle für jeden, der bereit ist, das Objekt selbständig zu deuten.

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