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Durch die Liebe Gottes befähigt

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Neun Vorträge aus den Jahren 1973 bis 1981 hat der 1931 in Alexandria geborene Jesuit Henri Boulad in dem Band „Die Vernunft des Herzens“ zusammengestellt. Vor Christen und Moslems gehalten gehen sie vom Menschen als frei geschaffenem Ebenbild Gottes aus und entfalten zentrale Inhalte des christlichen Glaubens wie die Lehre von der Dreifaltigkeit, der Inkarnation, der Erlösung.

Boulad gelingt es, diese abstrakten Wahrheiten in Bildern und Vergleichen konkreter Lebenszusammenhänge einzubinden. Realitätsnah und mystisch zugleich veranschaulicht er Gottes Größe und Güte der Begrenztheit des menschlichen Verstehenshorizontes, gerade das ursprünglich gesprochene Wort befriedigt in vielen Abschnitten das Bedürfnis des Lesers nach „Begreifbarem“. Wie ein roter Faden durchzieht die Gottebenbildlichkeit des Menschen als Zuversicht, aber auch als Anspruch des Autors Überlegungen.

Die den Menschen bestimmende Sehnsucht nach dem Religiösen, dem Absoluten ist für Boulad auch der Motor für den Umgang mit dem Bösen, mit dem Leiden in der Welt. In der von Gott unvollkommen geschaffenen Welt werde menschlicher Schaffenskraft und schöpferischer Kreativität Raum und Gelegenheit zu Bewährung gegeben. Positive oder negative Auswirkungen dieses „Untertanmachens der Erde“ lägen in der freien Wahl der Geschöpfe Gottes. Diese würden gleichzeitig herausgefordert, ihre Fähigkeiten zu entwickeln, ihre Kräfte anzuspornen im Zeichen der Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen. Die Torheit dieser Liebe mache aber die innere Erneuerung der Christen notwendig.

Nicht ein starres oberflächliches Konzept von Gott dürfe im Mittelpunkt menschlichen Glaubens stehen, sondern Gott, dessen unendliche und unfaßbare Größe darin bestehe, die Menschen zu lieben, mit ihnen zu sein und zu leiden. „Der Glaube ist das Ergebnis einer tief persönlichen Erfahrung, er ist die Frucht oder der Zielpunkt eines Weges, den wir zuvor durchlaufen haben. Der Glaube steht nicht am Anfang dieses Weges sondern am Ende — und daher ist der Glaube nicht einfach“, weist Boulad auf die Unverzichtbarkeit eines im eigenen Leben bewährten Glaubens hin. Boulad selbst hat in bewundernswertem Einsatz jugendliche Hilfsgruppen in den Armenvierteln Kairos und in den Nildörfern geleitet und ein von Christen und Moslems gemeinsam getragenes Leprabekämpfungsprojekt organisiert, derzeit leitet er die Caritas Ägyptens. Beeindruckend selbstlos versucht er, jene Integration von Denken und Han- . dein zu verwirklichen, die den philosophisch-theologischen Hintergrund seiner Ausführungen bildet.

DIE VERNUNFT DES HERZENS. Von Henri Boulad. Verlag Herold, Wien 1985. 215 Seiten, kart., öS 220,-.

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