Gedanken zum Aschermittwoch.
Die Asche hat uns das Zeitfenster weit geöffnet am Aschermittwoch, der hinter uns liegt. Und vor uns liegt ein besonderer Weg des Bedenkens, dessen Sinn und Gangbarkeit mir aufscheint in einem Gedanken der Künstlerin Belinda Kazeem-Kaminski: „Ich muss bei diesem Unbehagen bleiben.“ Der Weg besteht im Bleiben, bei der Wahrheit und der Not und im Schutt und in der Asche, die über die Erde zieht und in den Atem und ins Herz; und die gestreut wird in unser Denken. In den Nachrichtenshows vielleicht ganz besonders; dabei wissen wir doch, dass sie das Weltgesicht zeigen und das Weltgericht sind.
„Ich muss bei dem bleiben, was mich heimsucht“, sagt Belinda Kazeem-Kaminski über das, was jetzt ist und was einmal war und was immer wieder kommt. Daran ist schon der im Februar vor 35 Jahren verstorbene Thomas Bernhard gescheitert, nicht umsonst hat er vorgearbeitet für heute und in seinem Anti-Vaterunser darum gebeten, dass Gott uns keine Schuld vergebe, „wie auch wir vergeben keinen Schuldigern. Führe uns in Versuchung und erlöse uns von keinem Übel. Amen. So geht es ja auch.“ Und das passt wie die Faust aufs Auge unserer Lebensart und -weise und wäre ein tolles Kriegsgebet. Alles gerechtfertigt im kleinen und im ganz großen und im urtotalen Krieg.
ABER. In der Seelsorge fällt mir etwas auf: die Synchronisationen zwischen den Menschen. Ein Mensch leidet und der Mensch mit ihm oder ihr leidet mit. Ein gemeinsames Leiden geschieht. Und so ist das mit Gott. Auf diesen Gott werden wir gestimmt. In der VerNICHTung beginnt die Synchronisation aller Existenzen allen Lebens. Die Asche ist ihr Zeichen.
Die Inkarnation Gottes führt in die Exkarnation um des Leidens und der Schuld willen, die wir Menschen wollen – oder nicht. Im tiefsten Weltunbehagen, ja und ach, ist diese eine Liebe.
Die Autorin ist evangelische Pfarrerin i.R.
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