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KIRCHE UND MENSCHENRECHTE
Die Kirche eilte dem Fortschritt hinterher - sie entdeckt mit Verspätung immer das, was einige Zeit davor andere, gegen den erklärten Widerstand der Kirche, als gesellschaftliche Erkenntnis vertreten haben. Das gilt für die Aufklärung und für die Menschenrechte - diese haben sich gegen die Kirche durchgesetzt, zumindest als Programm; und erst dann hat die Kirche Aufklärung und Menschenrechte zu ihrem eigenen Anliegen erklärt.
Die Menschenrechte sind nirgendwo so wenig respektiert - jedenfalls in Europa - wie im Bereich der Katholischen Kirche. Das gilt insbesondere für den Ausschluß von Menschen von der Mitbestimmung nur wegen des Geschlechts; das gilt auch für den Ausschluß von Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stand, nämlich dem Laienstand.
Die Kirchen entdeckten die Menschenrechte, nachdem bürgerliche Revolutionäre sie gegen den hartnäk-kigen Widerstand insbesondere der Katholischen Kirche erkämpft hatten. Die Kirchen waren konsequent gegen den Faschismus - sobald dieser historisch erledigt war.
Es fällt nicht schwer, angesichts dieser konsequenten Geschichte eine Prognose für die Zukunft zu wagen.
Irgendwann wird die Katholische Kirche auch die Frauen entdecken -über ihre liebliche und liebgewordene Rollenzuweisung als Mütter und Nonnen hinaus.
Irgendwann wird auch die Katholische Kirche, wie zuvor die Protestantischen Kirchen, die Menschenrechte auf die eigenen Strukturen zu beziehen beginnen. Irgendwann wird auch die Demokratie die Kirche einholen.
Irgendwann werden die Nationalkirchen dem ethnischen Expansionismus und den ethnischen Säuberungen abschwören - wenn dies nicht mehr gefährlich, wenn es schon wieder opportun ist.
Doch dann wird es vielfach zu spät sein. Dann werden viele Frauen, gerade die kritischen, das heißt aber die intellektuell interessanten, mehr oder weniger aus der Kirche ausgezogen sein oder sich zumindest aus dem kirchlichen Milieu verabschiedet haben.
Auszug aus einem Vortrag des Politologen beim ORF-Symposion „Medien - Menschenrechte - Ökumene” am 4. Juni 1992.
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