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Kraftprobe um Waffenplatz

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Heftige Diskussionen löst derzeit in der Schweiz das Projekt des Eidgenössischen Mili-tärdepartementes aus, auf einem Hochmoor beim Innerschweizer Dorf Rothenthurm mit einem Kostenaufwand von rund 100 Millionen Schweizer Franken einen Waffenplatz für die leichten Truppen zu errichten. Der Vorsteher des Militärdepartementes, Bundesrat Georges-Andre Che-vallaz, hat die Enteignung jener Landbesitzer angeordnet, die sich

weigern, ihr Land für die Bedürfnisse der Armee zu verkaufen.

Rothenthurm im Kanton Schwyz mit seinen 1300 Einwohnern ist neben Kaiseraugst (wo -wie mehrfach berichtet — ein heftig umstrittenes Kernkraftwerk geplant ist) die Schweizer Gemeinde, deren Name nahezu täglich in den Schlagzeilen der Medien auftaucht.

Dabei war das Hochmoor, auf dem ein Waffenplatz entstehen soll, bis vor kurzem bloß ein Geheimtip für Langläufer und ein Begriff für Ornithologen und Botaniker, die wußten, daß die Tundralandschaft mit nordischem

Charakter ein Refugium von seltenen und aussterbenden Tierund Pflanzenarten ist.

Doch die Armee, deren Ubungs-raum durch die zunehmende Erschließung und Uberbauung des Landes immer mehr eingeschränkt wird, und deren Projekte nach dem St. Floriansprinzip fast überall auf Opposition stoßen (geschürt noch von grundsätzlichen Armeegegnern) hatte seit Jahren ein Auge auf dieses Gebiet geworfen.

Die Militärs sahen dort einen idealen Standort für die Ausbildung der leichten Truppen, wobei das Hochmoor als Aufklärungsgelände für Motorfahrer und Radfahrer (nicht aber für Panzer) dienen soll. Etwas weiter weg vom Dorf ist auch ein Infanteriegelände für die Gefechts- und Schießausbildung geplant und am Rande der Hochebene soll eine Kasernenanlage entstehen.

Doch die große Mehrheit der Bewohner dieses auf 900 Meter über dem Meer gelegenen Geländes, will nichts von solchen Plänen der Militärs wissen. 1975 sprachen sich bei einer Konsultativabstimmung 84 Prozent der Stimmenden gegen den Waffenplatz aus. 1980 ging es in einer zweiten Abstimmung darum, ob die Gemeindebehörde überhaupt mit dem Militärdepartement verhandeln solle. 61 Prozent der Rothen-thurmer vertraten die Ansicht, die Behörden des Dorfes sollten sich strikte weigern, mit den Vertretern des Staates überhaupt an einen Tisch zu sitzen.

Auch wenn sich das Militärdepartement immer mehr Land sichern konnte — drei Landwirte waren zur Aussiedlung bereit und nur ein vierter, dessen Hof sich mitten im geplanten Zielhang befindet weigert sich und führt die lokale Gegnerschaft an — verhärteten sich die Fronten immer mehr.

Neuen Auftrieb erhielt die Op»-position, als Ende Dezember 1982 sich Bürger einer angrenzenden Genossenschaft mit 354 Ja gegen 496 Nein weigerten, dem Militärdepartement 68 Hektare Land zu verkaufen. Postwendend kündigte die Bundesstelle die Enteignung an. Das Thema Waffenplatz Rothenthurm war neu lanciert.

Die Gegner konnten viele Solidaritätsbezeugungen entgegennehmen. Sie zündeten Warnfeuer nach historisch überlieferter Art als Symbole des Widerstandes an. Eine Umfrage des World Wildlife Found Schweiz ergab, daß rund zwei Drittel der Schweizer gegen den Bau des Waffenplatzes eingestellt sind. Auf einen Armeelastwagenpark in der Ostschweiz wurde ein schwerer Brandanschlag verübt, von dem sich die Opponenten des Waffenplatzes allerdings vehement distanzierten.

Im Juni soll das schweizerische Parlament den Baukredit für den Waffenplatz bewilligen. 1984 will man mit dem Bau beginnen. Doch bis es so weit ist, dürfte es noch eine richtige Kraftprobe absetzen.

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