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Digital In Arbeit

Kürzere Arbeitszeit

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Pressekonferenz im Haus der Industrie: Eine Studie des Insli- tus für angewandte Sozial- und Wirtschaftsforschung kommt zu dem Ergebnis, daß eine Verringerung der Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden Österreichs internationale Konkurrenzfähigkeit gefährden würde.

Der Zufall will es, daß ich am selben Tag in den Nachrichten der Katholischen Sozialakademie ein Interview mit Oswald von Nell-Breuning, dem Nestor der katholischen Soziallehre, zum selben Thema lese. Seine Schlußfolgerung: Zur Deckung des gesamten Bedarfs an produzierten Konsumgütern sei ein Tag Arbeit in der Woche mehr als genug!

Bei so unterschiedlichen Aussagen kam mir die Abwandlung eines Asterix-Ausspruchs in den Sinn: „Sie spinnen, die Experten.."

Läßt sich vielleicht aber doch zwischen den Aussagen eine Brücke schlagen?

Die erwähnte Untersuchung geht vom Hier und Heute aus: Unter den gegebenen Bedingungen werden durch allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit keine zusätzlichen Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl geschaffen. Die befragten Unternehmen würden den Ausfall an Kapazität eher durch Überstunden und Investititionen als durch Neueinstellungen ausgletchen. Wohl aber würden Kostensteigerungen entstehen. Daher die Schlußfolgerung: Jetzt und mit dem Ziel der Schaffung neuer Arbeitsplätze ist die Maßnahme nicht opportun.

Allerdings rechnen die Autoren sehr wohl mit einer schrittweisen Verringerung der Arbeitszeit im kommenden Jahrzehnt. Das würde aber eine höhere Flexibilität der derzeit eher starren Arbeitsorganisation erfordern.

Vorgeschlagen wird daher, die Festsetzung der Arbeitszeit der freien Entscheidung der Beteiligung innerhalb eines Rahmens von 35 bis 45 Wochenstunden zu überlassen.

Der Ruf nach höherer Flexibilität baut auch die Brücke zu der Aussage Nell-Breunings. Ausgehend von einer ethischen Betrachtung sieht er das Problem auf dem Hintergrund des Raubbaus an den Rohstoffen, der Verschmutzung unserer Umwelt usw… Er fordert eine Verringerung unserer materiellen Bedürfnisse und eine stärkere Hinwendung zu den Aufgaben unseren Mitmenschen gegenüber, vor allem in der Familie.

Nell-Breuning geht es um das Setzen anderer Schwerpunkte. Wie dies konkretisiert werden könnte, ist auch ihm unklar.

Mit Zwangsbeglückung durch dirigistische Maßnahmen wird man diesem Ziel wohl kaum nahekommen. Die Begünstigung von Wahlmöglichkeiten erscheint mit da eher erfolgversprechend zu sein.

So gesehen hätte kurzfristige Rationalität und langfristige Zielvorstellung doch einen gemeinsamen Nenner: Beidezielen auf mehr Wahlmöglichkeiten ab. Es ist nur zu hoffen, daß auch die Unternehmer ihr Herz für die flexiblere Arbeitszeitgestaltung entdecken. Denn heute ist es immer noch schwierig, eine Halbtagsbeschäftigung zu finden.

ARBEITSZEITVERKÜRZUNG. Von Leicht - Clement - Heinrich, Signum- Verlag, Wien 1981,290 Seiten

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