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Orwell und Andreas Hofer
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: In Tirol rüstet man bereits für das Jahr 1984, in dem die 175. Wiederkehr des Freiheitskampfes von 1809 gebührend gefeiert werden soll.
Das „Tiroler Kulturwerk" setzte kürzlich mit dem Symposion „Zwei Jahre vor 1984" einen eher ungewöhnlichen ersten Akzent:
Die Veranstalter und Referenten des Symposions brachten das Jahr 1984 nicht nur mit dem vor 175 Jahren stattgefundenen Tiroler Freiheitskampf in Verbindung, sondern erinnerten sich dabei auch an George Orwells beängstigende Vision. Seine Vorhersagen gewinnen auch in der Alpenfestung Tirol durchaus realistische Dimensionen.
Der deutsche Journalist Gerd E. Hof f mann sah die Möglichkeit gegeben, daß, so wie 1809 auch 1984, der Bürger wieder z.u einem Freiheitskampf antreten müsse, zum „Freiheitskampf gegen die Computer".
Ein Datenschutz erweise sich etwa in der BRD als Illusion. Die Herrschaft der Computer-Bosse, deren Sprache dem Normalmen-
schen unzugänglich ist, von deren Informationen Politiker, Wirtschaftstreibende und letztlich alle anderen abhängig werden, hat schon begonnen.
Der Präsident des „Tiroler Kulturwerkes", E. Enthof er, plädierte im Zusammenhang mit dem Jubiläumsjahr für ein neues Selbstverständnis, das keinesfalls mit Selbstzufriedenheit verwechselt werden dürfe. Gewaltige Probleme seien im „Land im Gebirge" zu lösen: die Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe, die Rolle der Frau in der Gesellschaft und Familie, die Integration Tausender Zugewanderter.
Einen „neuen Freiheitskampf" erachtet auch Architekt Siegfried Zenz für nötig, um Dörfer und Städte des Landes als noch einigermaßen überschaubare Einheiten zu erhalten.
Ganz in diesem Sinn äußerte sich die Kunsthistorikerin Magdalena Hörmann in ihrem Referat zu „Markierungen der geistigen Landschaft Tirols", die sie durchaus auch als reales Spiegelbild der Landschaft überhaupt versteht. Hier aber „reihen sich wie eine
Kette nationaler Unglücksfälle" die Zeugnisse architektonischen Ungeists aneinander: Verlust an kultureller Identität.
Der Kustos des Tiroler Landesmuseums, Erich Egg, wandte sich gegen eine Glorifizierung der Geschichte und stellte fest, daß das Traditionsbewußtsein beinahe schon ein Tiroler Selbstbewußtsein verdrängt habe. Patriotismus werde nur mehr an Festtagen in Form von Trachtenaufmärschen an den Tag gelegt. „Wir leben heute in einer Welt entschlossener Minderheiten, die einer schweigenden Mehrheit alles aufzwingen können. Früher hingegen machte die Mehrheit die Revolution."
Der SVP-Abgeordnete Hans Benedikter beklagte schließlich das zunehmende Auseinanderleben der Bürger Nord- und Südtirols.
Zündstoff genug, um eine feurige Diskussion anzufachen, die — nach den Vorstellungen der Veranstalter — bis 1984 weiterschwelen und Raum für ein neues Tirol-Bewußtsein freibrennen soll.
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