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Pariser Museen

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Man fährt nach Paris nicht zuletzt, um die Museen zu besichtigen, in ihnen auch längere Zeit zu verweilen: Menschenschlangen von mehreren hundert, ja tausend Personen sind das erste, was den Kunstfreund vor den Portalen begrüßt. Und dies keineswegs nur an Feiertagen oder sonstigen Höhepunkten der Saison.

Noch etwas fällt dem erfahrenen Bilderfreund immer mehr auf: Natürliches Licht ist in den neuen oder neu gehängten Sälen und Gängen der Museen weitgehend oder ganz abhanden gekommen. Sogar in solchen, die fast nur aus Glas bestehen, wie dem Centre Pompidou, können die herrlichsten Gemälde bloß bei künstlicher Beleuchtung betrachtet werden.

Für Kenner der Bilder ist die Veränderung erheblich. Gerade diese Kunstwerke sind bei Tageslicht und für Tageslicht gemalt. Maler der Zukunft werdenbeiverhängtenFenstern und elektrischer Beleuchtung ihre Tätigkeit ausüben müssen, um die Wirkung der Farben unter den Bedingungen zu treffen, unter denen das Bild dann zugänglich ist.

Ahnlich verhält es sich mit den Werken im Musee d'Orsay. Nur die berühmtesten Impressionisten im fünften Stock erfreuen sich eines schmalen vertikalen Tageslichteinfalls, die meisten Bilder sind in nach außen völlig abgeschlossenen, bunkerähnlichen Räumen in schummrigem Dämmerlicht gehalten - wie etwa die herrlichen Bilder von Odilon Redon.

Mag sein, daß dies der Schonung der Gemälde dient, aber bei solcher Schonung verwandeln sie sich im wesentlichen, nämlich in der- Farbe, bis zur Unkenntlichkeit. Präsentation der Gemälde um den Preis von deren tiefgreifender Veränderung, ja Deformation?

Die Lichtschwäche bewirkt nicht nur, daß die Farben tot bleiben, andere Tönungen annehmen, sie hat auch zur Folge, daß die Konturen, die Formelemente eines Bildes in den Vordergrund treten, zu dominieren beginnen, also die Balance von Form und Farbe entstellt wird. Vor den Werken der Impressionisten mit ihrer flirrenden Lichthaltigkeit, ihrer atmenden Naturnähe erlebt man eine Art Vorübung für den Grauen Star, der alles seiner Farbigkeit beraubt. Schlicht gesagt, ein Edgar Degas in künstlichem Licht ist kein solcher, ein Vincent van Gogh kein van Gogh. Sie verwandeln sich bestenfalls in mögliche Vorstudien.

Jüngere Generationen werden in den Impressionisten, aber auch in den klassischen Modernen, schlicht andere Maler kennenlernen als diese tatsächlich waren. Die Menschenschlangen vor den Museen könnten organisatorisch durch Computerreservierungen vermieden werden, auch wenn dies jegliche Spontaneität verhindert. (Die ist heute schon nicht mehr möglich.) Neue Fenster aber wird man nicht so leicht mehr in diese Museumsbauten sprengen können.

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