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Wende beim Wienet AKH

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Otto Wagner ist Universitätsmediziner. Und er ist Wiener ÖVP-Kommunal-politiker. Mit seiner Sachkenntnis plädiert er für einen Verzicht auf den Weiterbau beim AKH.

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Otto Wagner ist Universitätsmediziner. Und er ist Wiener ÖVP-Kommunal-politiker. Mit seiner Sachkenntnis plädiert er für einen Verzicht auf den Weiterbau beim AKH.

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Wie es mit dem größten Spitalsbau der Welt in einem der kleinsten europäischen Staaten, dem Allgemeinen Krankenhaus

(AKH) in Wien, weitergehen soll, steht in den Sternen. Auch die VÖEST-Töchterfirma „VA-MED", die diesen Bau derzeit unter ihre Fittiche genommen hat, ringt mit Problemen. Ein Hearing des Wiener Gemeinderates soll in den nächsten Monaten eine endgültige Klärung bringen.

Der Chirurg am AKH und ö VP-Gemeinderat, Universitätsprofessor Otto Wagner steht persönlich vor der Frage: „Weiterbauen oder einstellen?" Seine Gemeinderatskollegin Sigrun Schlick (die Betriebswirtschafterin dissertierte erst kürzlich zum Thema „Soziale Innovation im Krankenhaus") steht dem Monsterbau am Währinger Gürtel in Wien aus ökonomischen Gründen sehr skeptisch gegenüber. „Während das Sozialmedizinische Zentrum-Ost (SMZ) in Wien-Donaustadt ein echtes Bedürfnis ist, ist das AKH eigentlich überflüssig".

Sorgen machen den Verantwortlichen in Bund und Stadt Wien die künftigen Betriebskosten. Sie sind derzeit nicht in den Griff zu bekommen. Und aus jüngsten Meinungsumfragen geht hervor, daß mehr als die Hälfte der Wiener (exakt 53 Prozent) davon überzeugt sind, daß die Betriebskosten „ruinös" sein werden.

Die Skepsis der Verantwortlichen ist verständlich. Otto Wagner gegenüber der FURCHE: „Zu den offenen Risken zählt auch die Haustechnik. Es ist ganz sicher mit Betriebsstörungen zu rechnen. Auf Grund des hohen technischen Standards treten schon vor Inbetriebnahme des Spitals eine Vielzahl von Reparaturen auf. Ständig müssen abgenutzte Teile, die noch gar nicht in Funktion gestanden sind, ausgetauscht werden. Unter diesen Aspekten kann ich mir ein Funktionieren des Spitalsbetriebes nicht vorstellen."

Dazu kommt das Mißverständnis in der Bevölkerung — und auch bei vielen Gesundheitspolitikern — über die Bettenkapazität. „Die Klage der Betroffenen, kein Spitalsbett zu bekommen", meint Sigrun Schlick, „verführt die Patienten zum Irrglauben, daß es zu wenig Akutbetten gibt". Tatsächlich, und das bestätigt auch ihr Gemeinderatskollege Wagner, gibt es zu viele Akutbetten, dafür aber zuwenig Pflegebetten in Wien.

„Es wäre daher wirklich zu überlegen" betont der Chirurg Wagner, „auf einen Weiterbau des AKH zu verzichten und die damit freiwerdenden Mittel in den Baubeginn des SMZ-Ost zu verwenden."

Die Pläne für dieses Spital liegen fertig in den Schubladen des Rathauses. Ein Baubeginn ist jederzeit möglich, der Bedarf an Spitalsbetten in den bevölkerungsreichen Wiener Bezirken jenseits der Donau ist ebenfalls gegeben. Sogar Wiens Bürgermeister Leopold Gratz hat eine von der SP0 initiierte Unterschriftenliste, die für den baldigen Baubeginn des SMZ-Ost eintritt, mitunterschrieben.

Von den erwarteten 45 Milliarden Schilling Baukosten des Neubaues des AKH sind bereits zwölf Milliarden verbaut. Das ist ein Viertel der Gesamtkosten. Weitere sechs bis sieben Milliarden, genauere Zahlen liegen derzeit nicht vor, sind derzeit in Auftrag vergeben. Der Rest von 20 bis 25 Milliarden Schilling, inklusive der Ko-stehsteigerungen und aller noch nicht berücksichtigten Ausgaben, ist noch aufzubringen.

„Das sind Summen, die wir gar nicht haben", meint Sigrun Schlick. „Das ist eine Frage der reinen Ökonomie. Ein Bett im AKH kostet 24 Millionen, ein Bett im SMZ-Ost wird einschließlich des Aufwandes für Lehre und Forschung rund 10 Millionen kosten." Das geplante SMZ-Ost mit seinen 800 Betten hat nach Ansicht der beiden ÖVP-Politiker auch noch den Vorteil, daß diese Größenordnung für den Betriebsablauf überschaubar ist.

Nach den Vorstellungen des

Universitätsmediziners Wagner sollte der Krankenhausneubau in der Donaustadt um Lehr- und Forschungseinrichtungen erweitert werden. Die übrigen Kliniken könnten im Bereich der schon errichteten Bauten im Bereich des AKH-Geländes verbleiben. „Es wäre auch zu überlegen, ob universitäre Einrichtungen, wie in Berlin und London, auch von anderen bereits bestehenden Zentralkrankenhäusern übernommen werden können".

Fest steht: Wien braucht funktionierende Spitäler und einen Spitalsneubau. Das alte AKH ist nur mehr bedingt als Krankenhaus verwendungsfähig. Wagner: „Trotz wiederholter Umbauten herrschen Substandardbedin-gungen, die den Patienten nicht zumutbar sind. Ein neues Universitätskrankenhaus ist dringend notwendig".

Was geschieht aber mit dem AKH-Neubau, so wie er jetzt am Währinger Gürtel steht? „Das hängt von der Höhe der Kosten für die Haustechnik, Klimaanlage, Personal, Elektrizität, ab", betont Wagner. „Ein weiterer Umbau der Planungsruine wird wahrscheinlich notwendig sein, um sie für andere Zwecke verwenden zu können."

Der Chirurg könnte sich vorstellen, den Neubau als Bibliothek, Archiv, Lagerraum, für Universitätszwecke, Büros oder ähnliches zu benutzen.

Daß damit die bisher verbauten Mittel verloren wären, läßt die Betriebswirtin Schlick kühl. „Wir können die noch benötigten Mittel für den Weiterbau einsparen. Das ist eine Größenordnung von mehr als 25 Milliarden Schilling. Und der Einspareffekt durch die geringeren laufenden Betriebskosten des SMZ-Ost ist dabei noch gar nicht berücksichtigt. Außerdem haben wir die Chance, die Fehler, die beim AKH-Bau gemacht wurden, beim Bau des SMZ-Ost zu vermeiden".

Auf den Einwurf, daß die Stadt Wien, auf Grund vertraglicher Verpflichtungen mit dem Bund zum Weiterbau des AKH verpflichtet sei, meint Chirurg Wagner lakonisch: „Meine Aufgabe als Mediziner und Politiker ist es nicht, die Probleme der Vergangenheit ins Heute und Morgen zu transferieren. Wir müssen an die Zukunft denken und die Zukunft gestalten. Wenn vor vielen Jahren Fehler gemacht wurden, dürfen diese doch nicht noch kommende Generationen ausbaden."

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