6898208-1980_18_13.jpg
Digital In Arbeit

Wo Schottland christlich wurde

Werbung
Werbung
Werbung

Vor 150 Jahren inspirierte die Hebri-deninsel Staffaden deutschen Vollblutromantiker Felix Mendelssohn-Bar-tholdy zu seiner Hebriden-Ouvertüre. In Sichtweite Staffas liegt Iona, eine andere berühmte Insel. Sie führt das Beiwort „heilig”, ihr Wahrzeichen ist die Kathedrale St. Columba. Von dieser Insel ist im 6. Jahrhundert die Christianisierung Schottlands ausgegangen. St. Columba war eine Gründung irischer Mönche.

Nicht jedem Briten ist dieser frühe kulturelle Impuls von West nach Ost bewußt, vielmehr glaubt mancher, erst Britannien habe den Iren eine höhere Zivilisation gebracht. Iona mit seinen keltischen Steinkreuzen hat immer noch eine irische Atmosphäre. Einige Inselbewohner sprechen noch Gälisch, die Ursprache Irlands und Schottlands. Mehr als 50 schottische Könige liegen auf Iona begraben. Das Eiland ist nur drei Meilen lang und halb so breit. Die romanische Kathedrale wurde stilvoll restauriert, ein Museum birgt die Kostbarkeiten der ersten Klöster und späterer Kulturepochen.

Iona, die „Wiege des schottischen Christentums”, befand sich seit dem Jahre 1695 im Besitz der Herzöge von Argyll. Unlängst sah sich der gegenwärtige Herzog wegen erdrückender Steuerlasten gezwungen, die Insel zum Verkauf anzubieten. Es fand sich ein Mäzen, Sir Hugh Fräser, Chef einer britischen Warenhaus-Kette und des Londoner Luxus-Warenhauses „Harrods”, der die Summe von 1,5 Millionen Pfund aufbrachte und die Insel dem „National Trust” übereignete.

Damit gehört Iona nun allen Briten. Wie schon in vielen anderen Natur- und Kulturschutzgebieten werden die Inselbesucher hier künftig das Schild mit den Eichenblättern vorfinden; es ist das Gütezeichen des „National Trust”, einer seit 1895 existierenden privaten Stiftung, die in England, Wales und

Nordirland heute 230 historische Gebäude und Gärten verwaltet. Eine ähnliche Stiftung gibt es in Schottland.

Der „National Trust” ist der Vorläufer des modernen Umweltschutzes, er kam durch die Initiative von Bürgern zustande, die angesichts des industriellen Fortschritts die Landschaften und historischen Stätten Großbritanniens gefährdet sahen. Von einem der wohlhabendsten Männer Englands, dem Herzog von Westminster, tatkräftig unterstützt, ging der „National Trust” daran, Natur- und Kunstschätze zu erwerben, um sie vor Zerstörung und Verfall zu retten. „Zum Wohle der Nation”, so heißt das Motto dieser gemeinnützigen Gesellschaft, „fördert der National Trust die dauernde Erhaltung von Land und Gebäuden, die sich durch besondere Schönheit oder historisches Interesse auszeichnen.”

Heute hat die Stiftung über 800.000 Mitglieder; ihr gehören Schlösser und Burgen, Kirchen und Klöster, Herrensitze und alte Dörfer, Fabrikbauten aus der frühen Industriezeit, Wind- und Wassermühlen, Brücken und Kanäle, prähistorische Stätten, darunter das berühmte Stonehenge und Teile des Ha-drianwallsj außerdem Vogelschutzgebiete, ganze Inseln und Küstenabschnitte, dazu Wohnsitze bekannter Dichter, Maler und Politiker sowie Kunstsammlungen von unschätzbarem Wert. Ein erklecklicher Teil dieser Schätze ist dem „National Trust” durch Schenkung übereignet worden.

Die Stiftung ist keine staatlich kontrollierte Institution, sondern sie finanziert sich aus privaten Mitteln, vor allem aus Mitgliedsbeiträgen und Zuwendungen der Wirtschaft. Jedes Mitglied zahlt jährlich rund 180 Schilling und erhält dafür kostenlosen Zutritt zu den Besitztümern des National Trust, öffentliche Spendenaufrufe zur Finanzierung bestimmter Projekte sind an der Tagesordnung, ebenso Appelle an Stadträte und an das Parlament, das Abreißen eines Stadtteils, die kommerzielle Erschließung eines Landstrichs zu verhindern, vielmehr für die Sanierung, den Denkmal- und Naturschutz Sorge zu tragen. „Wir möchten, daß auch unsere Kinder noch in einem Land leben können, das lebens- und liebenswert ist” heißt die Devise.

Öffentlichkeitsarbeit wird beim „National Trust” großgeschrieben; er veranstaltet Kurse in Landschafts- und Denkmalpflege, Vorträge und Kunstführungen, er gibt mustergültige Publikationen heraus, und er unterhält in nahezu hundert Zentren des Landes einladende Informationsstellen, die auch Gesundheitsnahrung und geschmackvolle Souvenirs feilhalten. Hinter alledem entdeckt man eine gute Portion Nostalgie, vor allem aber die Uberzeugung, daß kein Volk auf die Dauer ohne Tradition leben kann.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung