Der Mutige und die Kreise des Lebens

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Es gibt Menschen, für die sich die Dinge des Lebens ab einer gewissen Zeit zu wiederholen beginnen. Diese Menschen haben sich zumeist an eine für sie sichere Umgebung angepasst und würden niemals das Risiko auf sich nehmen, das Erreichte durch etwas Neues aufs Spiel zu setzen. Diese Menschen haben sehr schnell "alles schon gesehen" oder "alles schon gehört". Sie routinieren und fadisieren sich an ihrem kleinen Ausschnitt der Welt. Und sie leiden ihr halbes Leben lang an dieser Sinnentleerung.

Für solche Geister war Rudolf von Strasser nie zu haben. Er brauchte keinen Anstoß, etwas zu wagen und auch die daraus entstehenden Krisen zu meistern. Sein Leben, wenn er davon erzählt, schien im Gegenteil dazu da, ein Wagnis zu sein. Das hat ihn außergewöhnlich und sein Leben so unerhört facetten-und erfahrungsreich gemacht.

Die Dinge seines Lebens, oder wie er zu sagen pflegte, seine Lebenskreise, wiederholten sich nie. Sie reicherten sich an. Rudolf von Strasser eignete ein Selbstbewusstsein, das nicht an seinen Titel, an seine Stellung oder seine Funktion und nicht an einen Ort oder ein Land gebunden war. Das machte ihn unabhängiger, aufnahmefähiger als andere Menschen.

Seine Eltern versorgten ihn mit Erziehung und Werten und sie hielten ihn mit 17 Jahren nicht ab, sich dem Widerstand gegen Hitler anzuschließen. Schon Ende 1938 wurde er verhaftet und interniert, während viele seiner Freunde ermordet wurden.

Diese Zeit hat Rudolf von Strasser geprägt. Nach dem Krieg wurde von Strasser Journalist, dann Mitarbeiter bei Bundeskanzler Julius Raab. Doch die Entnazifizierung verebbte, Österreichs Demokratisierungsprozess "bröckelte langsam ab", wie von Strasser bedauerte.

Er schrieb dagegen an, erfolglos, und ging schließlich nach Amerika. Ab 1972 schrieb er für die FURCHE wöchentlich seine Berichte und Analysen aus New York. Dann wechselte er an die Wall Street als Broker, sammelte Kunstschätze, die nun Teil der Kunstkammer des KHM in Wien sind. Erst 1991 kam er zurück nach Wien. Er arbeitete weiter an seinen Sammlungen und schrieb seine Erinnerungen an seine Jugend, seine Zeit im Gefängnis, seine toten Freunde und an das alte Österreich auf. Und wenn er diese unendlichen Geschichten dann in seinem Wohnzimmer ausbreitete, dann wussten die Zuhörer, dass dieser Mann etwas hatte, das gewöhnlich fehlt: Haltung. Am 10. März ist Rudolf von Strasser in Wien im 95. Lebensjahr gestorben.

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