Vertreibung, Folter, Mord

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Das Land im Nordwesten Kolumbiens ist Gold wert. Und die Menschen? Nichts.

Das Land, von dem Gony Romaña Ceresta vertrieben wurde, ist heute pures Gold wert. Seine Heimat, die spärlich besiedelten Regenwaldgebiete in der Region Chocó eignen sich bestens für den Anbau der Afrikanischen Ölpalme. Riesige Monokulturen sollen ein Maximum des wertvollen Pflanzenöls (Pöl) einbringen. Dieser erneuerbare Energieträger kommt wegen der steigenden Rohölpreise wieder auf den Plan von Regierungen und Großkonzernen. Die höchsten Erträge von Pflanzenöl erzielt die Afrikanische Ölpalme, die jedoch nur unter bestimmten klimatischen Bedingungen gedeiht, die im Chocó optimal erfüllt werden. Die wertvollsten Anbaugebiete der 50.000 Quadratkilometer umspannenden Region (entspricht nö, oö und Stmk.) gehören den Gemeinden. Verkaufen will dort niemand. Die Folgen ihres Widerstandes bekommen die Menschen täglich zu spüren.

Vertreiben oder töten

"Wie viele Massaker überziehen ohne jedes Recht mit Trauer die ganze Welt und meinen reichen und armen Chocó, aufs Korn genommen von habgierigen und gefräßigen Ausbeutern, die Tränen trocknen mit Geld und mit falschen Gefühlen? Es reicht mit dem Hass und so viel Ungleichheit, das macht uns kaputt, und wenn es nicht aufhört, dann wird alles schlimm enden ..."

Der Autor dieser Zeilen, Gony Romaña Ceresta, ist ein Vertriebener: Jung, entwurzelt und beraubt. Aber er hat Freunde, die sein Lied "Gentes de mi gente" (Leute von meinen Leuten) bis nach Europa tragen. Die Gruppe junger Studenten aus dem Chocó hat es im Gepäck, als sie ihren Klimabündnispartner in Österreich besucht. Ein Verbündeter im gewaltlosen Kampf gegen die Vertreibung ist der Österreicher Heinz Allgäuer-Hack, Klimabündniskoordinator in Vorarlberg. Seit 15 Jahren tritt er engagiert gegen die Entwicklungen im Chocó auf. Wegen seiner scharfen Kritik kann er heute nur mehr unter Personenschutz nach Kolumbien reisen.

Noch vor zehn Jahren führte die ländliche Bevölkerung im Chocó ein friedliches Leben als Selbstversorger. Doch dann setzten nach und nach, unter Duldung der kolumbianischen Nationalarmee die Kämpfe ums Territorium ein, ausgetragen zwischen linker Guerilla und rechten Paramilitärs.Victor (Name der Redaktion bekannt) ist wütend, denn "niemand weiß mehr, wer zu welcher bewaffneten Gruppe dazu gehört". Die Menschen stehen schutzlos zwischen den Fronten und versuchen, gegen ihre Vertreibung anzukämpfen. Folterungen und Mord sollen den Willen zum Widerstand brechen. Ihr größter und zugleich mächtigster Gegner sind wirtschaftliche Interessen und all jene, die dafür bereit sind, über Leichen zu gehen. Großkonzerne, Regierungen; die Liste der Interessenten ist lang und innerhalb der bewaffneten Gruppen finden sich stets willige Unterstützer.

Zusätzlich droht der Bevölkerung massive Gefahr "von oben". Flugzeuge versprühen tonnenweise das Totalherbizid Glyphosat über teils bewohnten, teils noch unberührten Regenwaldgebieten. Die großflächigen Giftsprühungen sollen die illegalen Kokaplantagen vernichten. Dieser Kampf gegen die Drogen ("Plan Colombia") wird von den usa großzügig mitfinanziert. Erreicht hat man damit jedoch nur, dass die Kokabauern ihre Felder in abgelegenere Gebiete verlagern. Deshalb sind die ehemals friedlichen Dschungelgebiete im Chocó nun immer öfter Ziel von Giftsprühungen. Dieses Thema bringt die jungen Studenten in Rage, da den Menschen von Anfang an Lügen aufgetischt wurden. "Die Regierung hat versprochen, dass nur die Kokaplantagen mit dem Gift besprüht werden", erinnert sich Victor und fügt verbittert hinzu, dass sich niemand daran halte.

Glyphosat ist zudem höchst effektiv: "Es zerstört alles. Den Regenwald, die Feldfrüchte, die gesamte Vegetation", versucht Fernandéz ein Bild zu zeichnen und zieht traurig Bilanz: "Die Bauern stehen vor dem Nichts." Nach kurzem Schweigen fügt Carla hinzu, dass den Menschen außerdem versichert wurde, dass die Besprühungen ungefährlich seien. Die Schamlosigkeit, mit der die Bevölkerung in die Irre geführt wird, kennt keine Grenzen. Inzwischen haben Untersuchungen in vielen Regionen bewiesen, dass das Gift sogar erhebliche Gesundheitsprobleme verursacht. "Immer mehr Menschen im Chocó werden krank, kriegen Allergien und Durchfall. Es gibt kaum Ärzte, die helfen könnten", und besonders beängstigend findet Fernandéz, dass dort, wo schon seit Jahren Gift gesprüht wird, Deformationen und Fehlgeburten keine Seltenheit mehr sind.

Kein Ende in Sicht

"Man kann es kaum glauben", meint Allgäuer-Hack, "aber die Mehrheit der Bevölkerung bleibt trotz allem im Chocó." Die jungen Studenten erklären sich das so: "Viele kehren zurück, weil sie hier zumindest etwas zu essen haben. Außerdem ist es immer noch ihr Land." Dort, wo niemand zurückkommt, sorgt die kolumbianische Regierung dafür,dass diese Gebiete in die "richtigen Hände" fallen. Die Initiative zur Entwaffnung der mächtigen Paramilitärs hat nämlich einen Haken: die Reintegration der Ex-Kämpfer in die Gesellschaft geht auf Kosten der Bevölkerung. "Ich verstehe nicht", sagt Allgäuer-Hack, "wie die Regierung Ex-Kämpfer auf jenem Land ansiedeln lässt, von dem sie vorher die Bevölkerung vertrieben hat." So werden Täter und Opfer zu Nachbarn: neue Konflikte sind vorprogrammiert.

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