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„Ich versuche, ein Loch in dieses Brett zu schlagen"

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dieFurche: Wie krank sind die Krankenkassen wirklich? Walter GuggknbergkR: Die Krankenkassen werden heuer drei Milliarden Schilling Abgang haben. Das ist keine Schwarzmalerei, sondern ein Faktum. Bei der Tiroler Gebietskrankenkasse wird der Abgang heuer 300 Millionen, im nächsten Jahr 500 Millionen betragen. Die Vollversammlung hat daher am 18. Dezember 1995 beschlossen, für „moderate Beitragserhöhungen" einzutreten. Mit „moderat" ist eine Erhöhung um 0,2 Prozent gemeint, das bedeutet je 0,1 Prozent für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Gesamtösterreichisch würde das zwei Milliarden Schilling bringen.

diefurche: Kann dieser Beschluß in Ti-

rol umgesetzt werden? GUGGENRERGER: Nein, das ist für ein ein-

zelnes Bundesland rechtlich nicht möglich, es kann nur eine bundeseinheitliche Begelung geben. Da haben sich die

Koalitionspartner anders festgelegt: Keine Erhöhung der Lohnnebenkosten. Aber das darf doch kein Dogma sein. Eine - wirklich moderate - Beitragserhöhung ist immer noch besser, als wenn die Leistungspalette empfindlich eingeschränkt werden muß. Ich gehöre jedenfalls zu denen, die versuchen, ein Loch in dieses Brett zu schlagen.

diefurche: Zur Akzeptanz einer Beitragserhöhung.

GUGGENBERGER: Als bei der Einführung des Pflegegeldes die Sozialversicherungsbeiträge um 0,8 Prozent erhöht wurden, hat es auch nicht viel Aufregung gegeben. Jetzt geht es nur um je-

weils 0,1 Prozent, das würde wirklich nur der Lohnbuchhalter merken. Natürlich gibt es viel Widerstand, am stärksten in der Wirtschaft. Von Arbeitnehmerseite kommen vereinzelt vorsichtig zustimmende Signale.

diefurche: Was wäre die Alternative? GUGGENBERGER: Es gibt nur eine: Leistungseinschränkungen. Wenn im Hauptverband der Sozialversicherungsträger schon davon gesprochen wird, das Krankengeld auf die gesetzlich vorgeschriebene Pflichtleistung von 26 Wochen einzuschränken, dann ist das ein Hilferuf. Die Spitalsreform kann frühestens 1997 oder 1998 greifen, die Probleme gibt es aber schon heuer. Der Bund ersetzt den Kassen die Abgänge nicht. Da bleibt nichts anderes übrig, als die Leistungskataloge zu durchforsten.

diefurche: Konkrete Maßnahmen? GUGGENBERGER: Das ist unterschied-

lieh: Einschränkungen beim Krankengeld von 78 auf 52 Wochen; drastische Anhebung der Selbstbehalte für Heilbehelfe; Einschränkungen bei den „Sitzendtransporten", das trifft zum Beispiel Dialysepatienten.

diefurche: Sparen nur am Patienten? GUGGENBERGER: Nein, auch bei den Ärzten. In den vergangenen Jahren wurden bei den Verhandlungen zwischen Krankenkassen und Ärztekammer zu hohe Abschlüsse getätigt, die Kostensteigerungen sind wesentlich höher als die Inflationsrate. Die ganze' Krankenanstalten-Beform wäre ein Unsinn, wenn es nicht gelingt, auch bei den niedergelassenen Ärzten die Kostenexplosion einzudämmen.

dieFurche: Wie verträgt sich das mit dem Ziel, die noch viel teureren Spitals-aufenthalte zu reduzieren? GUGGENBERGER: Die Hausärzte müssen sicher aufgewertet werden, auch fi-

nanziell. Aber insgesamt müssen sich die Kosten verringern. Das heißt auch mehr Verteilungsgerechtigkeit bei der Bezahlung ärztlicher Leistungen. Der Sozialminister hat bereits Ärztekammer und Apothekerkammer zu Gesprächen eingeladen, bei denen es um Einsparungspotentiale bei den Arztleistungen und auch im Heilmittelbereich gehen wird.

Das Gespräch führte

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