In der Nähe des Pariser Zeitungsviertels betrachteten Jahre hindurch ängstliche Bürger und neugierige Touristen ein sonderbares Haus. Riesige, glatte Flächen, mit Stahlblechen verschlossene Fenster (wie dringt Licht in die Büros?) und die mächtige Panzertür verwandeln das Gebäude in eine wahre Zitadelle. Hinter diesen unfreundlichen Wänden fallen die Entscheidungen des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Frankreichs, wurden hohe Würdenträger exkommuniziert und führte der Generalsekretär Maurice Thorez sein vom großen Meister Stalin kopiertes Regime ein. Zahlreiche
„De Gaulle? Das Ausland erkennt ln ihm den großen Staatsmann, der die versteinerten Vorstellungen wie von Jalta und Potsdam beseitigt.Aber in Wirklichkeit ist er der Antichrist, der Frankreich ins Verderben führt. Wahrscheinlich wünscht er im Innersten den Triumph der Kommunisten, die Bestätigung der Macht Rußlands in der Welt. Als Bastien Thirry, der überzeugte Katholik, sein Attentat vorbereitete, handelte er wie Stauffenberg. Beide beabsichtigten, ihr Land vom Tyrannen zu befreien. Sie starben unter den Kugeln der Exekutionspeletons, aber sie leben weiter in der Erinnerung,
Die Zeitschrift verstand es, in eigenen Gruppen den lebendiger Kontakt zwischen Lesern und de] Redaktion herzustellen. 60 Zeller diskutieren regelmäßig die Themer der „TC“, verbreiten den Geist de Zeitschrift in Unterschiedliche Bevölkerungsschichten. 3000 dieser Anhänger bilden einen kleinen Kern der natürlich in keiner Weise die Organe der Katholischen Aktion verpflichtet. Hier treffen Christen zusammen, die in eigener Verantwortung geistliche und politische Positionen einnehmen. Ein Jahreskongreß auf nationaler Ebene, Mitarbeit an den zahlreichen politischen Klubs, verschieden im
Die zahlreichen Passanten, die jeden Tag an einem mächtigen Gebäude in der Pariser Straße Cours Albert I Vorbeigehen, dürften kaum ahnen, daß sie vor der bedeutendsten Zentrale der katholischen Presse in Frankreich stehen. Noch weniger wird ihnen bewußt, daß hinter der nervösen Hast zahlreicher Redaktionen, die dieses Haus beherbergt, Mönche meditieren, beten und in ihren Zellen um Erkenntnis ringen:Diese Mischung zwischen Kloster und Weltoffenheit ist in Frankreich häufig anzutreffen und charakterisiert die Aufgeschlossenheit, alle Erscheinungen der Gegenwart zu kennen. In endlosen
Kein Problem hat in solchem Ausmaß die Beziehungen der Republik und der Kirche in Frankreich belastet, wie die katholischen Schulen. Massenversammlungen ihrer Anhänger und Gegner, führende Laien, welche die Eltern aufforderten, keine Steuern zu zahlen, zahlreiche Regierungskrisen der Vierten Republik zeichnen das große Unbehagen ab, das mit diesem Problem verbunden ist. Für den Moment trat Ruhe ein, aber emotionelle Kräfte suchen im Verborgenen den Schulkampf neuerlich anzufachen.Die katholischen, hier freie Schulen genannt, wurden durch das Gesetz Falloux bestätigt, eines Abgeordneten
In der Creuzze, einer rüden Gegend, einem harten Boden mit einer verlassenen Kirche, sucht ein junger Mann Arbeit. Ein Landarbeiter, der Hof um Hof besucht, um seine Dienste anzubieten, ist selten. Der Bauer mustert mißtrauisch den Fremden. „Kennen Sie die Landarbeit, das frühe Auf stehen; bedienen Sie einen Traktor und das Vieh? Sie sehen wie ein Stadtmensch aus.“„Ich will arbeiten, das ist alles. Wer ich bin? Ein Landarbeiter ohne Besitz.“Der Lohn wurde ausgehandelt. Er ist bescheiden genug.„Und das Quartier?“„Das besorge ich mir selber. Ich wohne im
„Die Christen trennen Religion und Leben. Von der Wiedergewinnung der Arbeiterschaft kann überhaupt nicht gesprochen werden. Ist sie der Kirche etwa venlorengegan- gen? Im Gegenteil, sie entwickelte sich außerhalb ihrer Strukturen. Der Industriearbeiter wird von dem katholischen Gläubigen als-ein Mann beurteilt, der, im materialistischen Denken versunken, alle Mittel und Methoden des Kampfes anwendet, um Vorteile zu erreichen. Der Arbeiter — meinen die Gutgesinnten — denkt an den Klassenkampf. Diese Christen wünschen eine Veränderung der Lebensbedingungen der Arbeiter; sie wagen
Im März 1957 war eine der riesigen Hallen des Messegeländes in Paris von einer begeisterten Menge erfüllt. Hoch dekorierte Offiziere, Vertreter der Widerstandsbewegung, Jugendliche, Arbeiter und Bauern sahen sich in der echten Gemeinschaft einer politischen Idee vereinigt. Die Volksrepublikanische Bewegung (MRP) war nach einem von keinem Beobachter vorausgesehenen Wahlsieg zur stärksten Partei Frankreichs geworden. Zum erstenmal lernte Europa bisher unbekannte Namen kennen. Eine neue politische Führungsschicht übernahm die Leitung des Landes. Als der bedeutendste, um-jubeltste stand der
Als sich der französische Staatschef kürzlich in einer seiner bereits klassischen Pressekonferenzen gleichzeitig gegen die Vorschläge Kennedys, eine multilaterale Atomstreitkraft im Rahmen der NATO aufzubauen, und den Eintritt Großbritanniens in die EWG aussprach, waren die ersten europäischen Reaktionen und Kommentare durchaus negativ. Wie immer, wenn es gilt, de Gaulle zu verurteilen, zeichneten sich gewisse österreichische Enun-ziationen aus, die in unerhörter Schärfe vom ..Spalter“ und „Vernichter“ der EWG sprachen.Sicherlich, Frankreich und sein Staatschef haben in Wien
Als vor einem Jahr — am 23. Juni 1959 — die AEG-Union Elektrizitätsgesellschaft mit der ELIN A. G. zu einer neuen Firma, der ELIN-Union, fusioniert wurde, hat die österreichische Öffentlichkeit diesen Vorgang so gut wie nicht zur Kenntnis genommen. Dies mag verwunderlich erscheinen, konnte doch noch die AEG-Union zu Weihnachten 1958 in einer beachtlichen Ausstellung in der Secession die Vielfalt ihrer Produktion vom Großgenerator und Großtransformator bis zum kleinen Haushaltgerät einer sehr großen Zahl von Besuchern und Interessenten vorführen.Allerdings erfolgte die Fusion zu
Als die österreichische Bundesregierung in ihrer Regierungserklärung vom 26. November dem Nationalrat den Beitritt unseres Landes zur Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) bekanntgab, wurde damit eine außenpolitische und wirtschaftliche Bindung bestätigt, die unter allen Umständen weitreichende Folgerungen nach sich ziehen wird. Als die Verträge von Rom am 25. März 1957 zwischen den Partnerländern der Montanbehörde geschlossen wurden, nahm die öffentliche Meinung Oesterreichs davon so gut wie keine Notiz. Es wurde angenommen, daß dieser Versuch der europäischen Integration an
Wie immer auch die österreichischen Großparteien ihre Gegensätze herausstellen, so wird doch von den politischen Kräften Oesterreichs die Außenpolitik als eine Einheit aufgefaßt, deren Grundzüge und Richtung nicht zur Diskussion stehen.Trotzdem wird sich Oesterreich in Zukunft mehr als bisher mit außenpolitischen Problemen beschäftigen müssen. Die Außenpolitik eines kleinen Staates besteht darin, die Interessen des Volkes so wahrzunehmen, daß sie in Einklang mit den Nachbarvölkern gebracht werden und dem Zuge der internationalen Politik der Großen folgen können. Diese Interessen
Durch die Erscheinung Konrad Adenauers zur beinahe ausschließlich staatstragenden Macht in der Deutschen Bundesrepublik aufgestiegen, schritt die Christlich-Demokratische Union Deutschlands von Erfolg zu Erfolg. Das deutsche Bürgertum beider Konfessionen hat sich eine sichere Bastion gebaut. Einer der größten Vorzüge der CDU besteht darin, die religiösen Gegensätze in der politischen Arbeit überbrückt zu haben.Wo darf es da eigentlich noch Kritik geben? Die CDU sah ihre Wahlsiege als das Plebiszit der Wähler für den erreichten hohen Lebensstandard an Das ernste Problem der
In den Wochen vor dem Zusammenbruch der vierten französischen Republik wurde des öfteren ein kleiner Herr mit lebhaften Gesten beobachtet, der sich mehr oder weniger geheimnisvoll mit Politikern der streng konservativen Richtung und der extremen Rechten traf. Fäden wurden gesponnen; sie liefen von Algerien nach Paris in die Hauptquartiere aller jener Mißvergnügten, die aktiv den Sturz des Regimes vorbereiteten. Der einfallsreiche Mann, dessen Aussprüche sofort die Runde durch ganz Paris machten, war kein Geringerer als Georges B i- d a u 11, ehemaliger Ministerpräsident und einer der
DR. RUDOLF LEWANDOWSKI (1920) ist den Lesern der „Furche“ kein Unbekannter. Als Frankreich-Korrespondent berichtete er bis vor zwei Jahren regelmäßig für unser Blatt. Lewandowski, der 1945 in der österreichischen Hochschulpolitik tätig war, hatte 1946 eine Einladung nach Frankreich erhalten. Hier lebte er über ein Jahrzehnt, studierte insbesondere europäische Fragen und wurde zum Generalsekretär der Jugendsektion des „Nouvelles Eąuipes Internationales“, in der sich die christlich-demokratischen Parteien Europas vereinigten, berufen, In dieser Eigenschaft hat er bei der Konstituierung der NEI im Jahre 1947 mitgewirkt, desgleichen bei der Europäischen Föderalistischen Union, in der er Mitglied des Zentralausschusses war. In dieser Tätigkeit konnte er Beobachtungen über die verschiedene und doch letzten Endes ähnliche Entwicklung der christlich-demokratischen Parteien anstellen. 1957 ist er wieder nach Oesterreich zurückgekehrt.
Die Europäische Produktivitätszentrale wurde im Mai 1953 im Rahmen der europäischen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) gegründet. Sie soll die Produktivität in den Mitgliedstaaten erhöhen, um dadurch ein höheres Lebensniveau zu erreichen. Die Agentur arbeitet nicht nur mit den Regierungen zusammen, sondern auch mit Berufsverbänden der Industrie und Landwirtschaft, den Studienzentralen, der verstaatlichten und der privaten Industrie und den öffentlichen Diensten.Im Rahmen des ersten Aktionsprogrammes 1953/54 beauftragte die Europäische Produktivitätszentrale das
Jedesmal, wenn sich die Institutionen eines Staates unfähig erweisen, die gestellten Probleme zu lösen, wird der Ruf nach einem starken Mann erschallen, oder man versucht, die Reformen an eine Vergangenheit zu knüpfen, die Größe und Ruhm, Sicherheit und Ruhe geboten hat. Die Französische Revolution proklamierte die Souveränität des Volkes und zeigte, einer Doktrin zuliebe, die abgeschlagenen Köpfe des Königs und der Königin der Masse am heutigen Platz de la Concorde. Trotzdem gab seither die Sehnsucht nach dem Lilienbanner immer wieder Anlaß zur Gründung von Organisationen und
Die Kommentatoren der französischen Innenpolitik waren in den letzten Monaten beinahe von Arbeitslosigkeit bedroht und wandten sich ergiebigeren Objekten wie der Außen- oder Wirtschaftspolitik zu. In der Tat konnte die Regierung Mollet als die stabilste der Vierten Republik angesehen werden und man sagte ihr eine Lebensdauer bis Ende des Jahres voraus. Es schien ausgeschlossen, daß es eine Rechtspartei wagen würde, das traurige Erbe in Algerien zu übernehmen. Trotzdem wurde die Regierung durch 250 Stimmen gegen 213 in die Minderheit gesetzt. Das Ergebnis kam durch die zahlreichen
Paris, im Mai 1957.Die dramatischen Ereignisse im Nahen Osten, ob es sich um die Suezkrise oder die Machtprobe in Jordanien handelt, werden in Paris ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des nationalen Dramas betrachtet, das sich täglich in Algerien abspielt. Kein Silberstreif zeigt sich am Horizont, der an Stelle der Leidenschaften einen Plan zur Beendigung des Krieges anzeigt. Immer noch ist der Einsatz von 400.000 Soldaten erforderlich, der die Finanzen des Staates aufs äußerste anspannt. Diese riesige Armee vermochte die 30.000 Fellachen nicht entscheidend zu schlagen. Die Bewaffnung
Paris, im AprilDie Vierte Republik bezeugte Edouard Herriot, dem großen Volkstribunen der Dritten Republik, nach seinem Tode, wie sehr sie eine geistige Bindung an die Vergangenheit sucht, um im Zeitalter der Wasserstoffbomben und Fernraketen die Kontinuierlichkeit der französischen Werte zu dokumentieren. Aber alle, die in Lyon hinter dem Sarge Herriots schritten, mußten sich bewußt sein, daß nicht nur eine Person, sondern ein Zeitalter begraben wurde, jene sprühende, prickelnde Epoche der Jahrhundertwende, die noch einmal ihre Auferstehung nach dem Wahlsieg Herriots 1924 gefunden
Mit einer Anteilnahme und Leidenschaft, wie sie Paris und Frankreich seit langem nicht mehr gekannt, wurden die Ereignisse in Ungarn verfolgt und kommentiert. Für einen Augenblick schienen die Gefahren in Nahost und in Afrika zurückzutreten. Die überraschende Gefangennahme der algerischen Rebellenführer beleuchtete jedoch blitzartig die Dramatik der Situation. Diese Arretierung wurde im allgemeinen begrüßt und als eine Art Husarenstück gefeiert, obwohl die völkerrechtliche Seite dieser an einen Polizeiroman erinnernden Aktion zu diskutieren ist.Der Sultan Mohammed V. und der Chef der
Paris, im September 1956 Von keinem europäischen Land wurde die Nationalisierung des Suezkanals mit solchem Mißbehagen, ja solcher Erbitterung aufgenommen wie von Frankreich. Die Presse, mit Ausnahme der kommunistischen, sämtliche nationale Parteien und die öffentliche Meinung zeigten in der Verurteilung Nassers eine seit Jahren unbekannte Einigkeit. Der Großteil der Aktien der Suezkanalgesellschaft ist in französischen Händen (meistens von kleineren und mittleren Sparern erworben), der Kanal selbst wurde stets durch die organisatorisch technische Meisterleistung Lesseps als ein
Paris, im Juli 1956 Während Schiff auf Schiff Menschen und Material in nicht abreißender Folge nach Algerien bringt und damit die bisher größte französische Armee seit Kriegsende konstituiert wurde, die bereits mehr als 400.000 Mann zählt, müssen der- Regierungschef und 4er General--resident auf dem sozialistischen Parteitag in Lille die Gegensätze in der eigenen Partei ausgleichen, die sichtbar an die Oberfläche gedrungene Malaise zurückdrängen und den Versuch unternehmen, ihrer Algerienpolitik eine Definition zu' geben. — Denn die Unruhe unter den sozialistischen Anhängern, wie
Paris, im April 1956Im Herbst vergangenen Jahres kam es unter den zu den Fahnen gerufenen jungen französischen Soldaten zu beachtlichen Unruhen. Die Einberufungen wurden notwendig, um der schweren militärischen Krise in Nordafrika Herr zu werden. Wenn auch diese Vorfälle nur sporadisch waren, so bewiesen sie doch, daß die Jugend mit Unruhe die Entwicklung in Algerien und Marokko verfolgt. Es ist nicht Mut, der den jungen Leuten mangelt, oder die Angst vor einer kriegerischen Auseinandersetzung, im Gegenteil, alle Zeugnisse stimmen überein, daß sich diese Jugend am Platz tapfer und
Paris, im Jänner.Es ist immer gefährlich, den Ausgang nationaler Wahlen voraussehen zu wollen. Man kann dabei Ueberraschungen erleben, und niemand hat so klassische Beispiele vergessen, wie die Wiederwahl Trumans oder den überwältigenden Wahlsieg Adenauers. Bei den jüngsten französischen Parlamentswahlen kam das Element des Unsicheren deutlich zum Ausdruck. Die Statistiker und Erforscher der öffentlichen Meinung können eine neue schwere Niederlage kaum verbergen.Der Wahlkampf war wohl einer der bewegtesten der französischen Geschichte und fand in den letzten Tagen seine Steigerung
Paris, im DezemberWie in vielen europäischen Ländern, ist es auch in Frankreich Sitte, sich am Neujahrstag bei seinen Freunden mit Geschenken einzustellen. Diese „Etrennes“ spielen eine noch größere Rolle als die Bescherung am 24. Dezember in den deutschsprachigen Regionen. Diesmal jedoch hat die französische Regierung für ein ausgiebiges Geschenk an die Nation gesorgt. Die Parlamentswahlen, die am 2. Jänner durchgeführt werden müssen, nachdem der Staatsrat als höchste Verfassungsbehörde die Verschiebung bis zum 8. Jänner nicht zugebilligt hatte, stören alle bisher üblichen
Paris, im NovemberEine Reihe von Ereignissen, die Frankreich in den letzten Wochen auf das unmittelbarste berühren, geben dem Historiker Gelegenheit, über die Größe und die Vergänglichkeit der politischen Macht zu meditieren. Dem politischen Beobachter gestatten sie, Schlußfolgerungen um die Zukunft von Ländern, die sich nun endgültig emanzipiert haben.Die Rückkehr des Sultans Ben Jussef nach Marokko erhebt sich daher weit über den Rahmen einer orientalischen Intrige zu dem eindrucksvollen Bekenntnis des Landes zur Unabhängigkeit. Die letzte europäische Kolonialmacht ist gezwungen,
Lissabon, im September Der Präsident der portugiesischen Regierung, Salazar, weiß in einer seiner geistvollen Reden, die jeweils einer Doktorarbeit gleichen, folgende Anekdote zu berichten: König Carlo versuchte, von einem seiner Ratgeber, der ihm über die Unzufriedenheiten im Lande berichtete, eine Definition zu erhalten, was denn unter dem „Land“ zu verstehen sei. Darauf antwortete ihm der Chef der Fortschrittspartei, Jose Luciano: „Das Land, Sir, sind die Politiker.“Diese Politiker, welche 1910 nach dem Sturz des Königtums eine liberale Republik mit stark freimaurischem Akzent
Paris, im Juli Fast jeder Franzose liebt es, sich als links zu bezeichnen, mag er auch, wie Andre Siegfried geistreich bemerkte, sein Portemonnaie auf der rechten Seite halten. Kein Begriff jedoch übt in der französischen Innenpolitik eine solche Anziehungskraft aus, wächst beinahe zum Mythos, beherrschte die Dritte Republik und läßt die Diskussionen der Vierten Republik nicht abreißen.Gegenüber einer bestehenden Ordnung, die als ungerecht angesehen wird, in der nur die Gegensätze eines „bereits dekadenten Bürgertums“ zum Ausdruck gelangen, erheben sich alle jene Parteien und
Paris, Ende MaiEine einzige französische Partei hat seit dem Jahre 1947 (Ausscheiden der Kommunisten) ständig an allen Regierungsgeschäften teilgenommen: Es sind dies die Radikalsozialisten, die in der Dritten Republik als der Typ einer französischen Partei galten. Allerdings zeigten die Radikalsozialisten bis vor kurzem nicht alle Eigenschaften einer Partei, wie wir sie uns bei modernen Massenparteien vorstellen. Sie bildete vielmehr eine Gemeinschaft festumrissener Interessen und rechnete mit Wählern aus sozial sehr klar umgrenzten Schichten. Die Radikalsozialistische Partei,
Paris, im Februar.Steuern zahlt niemand gerne, besonders in Frankreich, wo sich das System der derzeitigen direkten Steuererklärung besonderer Unpopula-rität erfreut. Nach diesen abgegebenen Erklärungen gäbe es im Lande höchstens ein Drittel der tatsächlich in Gebrauch stehenden Autos, und auch sonst müßten sehr viele am Hungertuch nagen, die im allgemeinen den Künsten der französischen Küche Ehre antun. Aber es kann kein Zweifel bestehen, daß sich dieses Steuersystem für viele Klassen der Bevölkerung sehr ungünstig auswirkt. Besondere „Sympathie“ genießen die sogenannten
Paris, im Jänner 1955. Nach der großen Schlacht im Palais Bourbon in der letzten Woche des vergangenen Jahres ist man nun bemüht, den Sinn der dramatischen Auseinandersetzung im französischen Parlament für die Zukunft des Landes und Europas zu suchen.Sobald sich das französische Parlament mit deutschen Fragen zu beschäftigen hat, treten die reinen Verstandesüberlegungen zurück, denn wir sind noch sehr weit von jener deutschfranzösischen Aussöhnung entfernt, die als Grundlage jeder Integrationspolitik gepriesen wird. Die Erinnerungen an die Besetzung sind in Frankreich noch durchaus
Paris, im September„Verwirklicht Europa! Nur Gott weiß, was sonst geschieht." Dies waren, die letzten Mahnungen De Gasperis an seinen Nachfolger Scelba in einem Gespräch wenige Stunden vor seinem Tode. Einer der bedeutendsten Europäer der Nachkriegsjahre rief damit noch einmal, am Rande des Grabes stehend, das Gewissen Europas auf. Seit Jahren hatten die Außenminister Westeuropas, Schuman, Adenauer, De' Gasperi und van Zeeland, versucht, dem brudermörderischen Kampf der abendländischen Völker eine konstruktive, übernationale Ordnung der Staaten entgegenzusetzen.In den Mittelpunkt
Paris, im AugustDie Diskussion über den Wert der Verträge von Genf war in Frankreich kaum beendet, als neue Gefahren aus Nordafrika den von der öffentlichen Meinung so heißersehnten Frieden zu stören begannen.Denn Tunis wie Marokko sind gefährliche Brandherde geworden. Sollten sich die Ereignisse von Indochina wiederholen und stehen endlose Kriege bevor, welche die Lebenskraft des Landes verzehren? In Tunis stoßen immer wieder bewaffnete Banden von Feilachen aus der Weite der Wüste gegen die europäischen Siedlungen vor, während in Marokko die Sturmzeichen eines Bürgerkriegs drohen
Paris, im Juli 1954.Der Waffenstillstand in Indochina, der einen langen, unglücklich geführten und unpopulären Krieg beendete, stellt ein Ereignis dar, das die gesamte französische Innen- oder Außenpolitik im Guten wie im Schlechten verändern kann. Ohne Zweifel wurden damit die bisher üblichen Methoden der IV. Republik aufgegeben, und das neue Regime hat nicht nur bisher vielfach unbekannte Männer hervorgebracht, sondern völlig neuartige Vorstellungen von der Tätigkeit einer Regierung gegeben. Denn die Arbeit aller Regierungen nach 1945 war stets darauf gerichtet, eine im
Keine Partei hat in so ausschlaggebender Weise die Politik der 4. französischen Republik beeinflußt wie die Volksrepublikaner. Kommunisten und Sozialisten waren an den Regierungsgeschäften bis 1947 beziehungsweise 1949 beteiligt, die Unabhängigen sicherten sich die Führung 1951 und die Ex- Gaullisten nahmen an der Verantwortung erst im Kabinett Laniel teil. Das MRP bestimmte die französische Europapolitik und wollte die Gegensätze, welche die 3. Republik schließlich gelähmt hatte, durch eine neue Konstellation der politischen Kräfte ersetzen.Das MRP bezeichnet sich als soziale
Paris, im Juni 1953.Eine Reihe sozialer Spannungen der letzten Wochen, welche nicht nur aus politischen Motiven entstanden sind, gewisse Parteienverbindungen vor der Stichwahl der Bürgermeister sowie der erwartete Bruch zwischen de Gaulle und seiner Parlamentsfraktion lassen eine Veränderung in der politisdien Struktur Frankreichs erwarten.Am sichtbarsten tritt diese Umgruppierung an der rechten Seite des Parlaments zutage, wo die Auflösung der Sammelbewegung de Gaulles eine veränderte Situation schafft. Als de Gaulle am 7. April 1947 seine Bewegung ins Leben rief, ohne Programm, aber mit
Bonn, im März Mit den Wahlen in Oesterreich wurde ein Jahr eingeleitet, in dem die volkreichsten Völker Europas aufgerufen werden, die bisherige Wirtschafts- und Sozialpolitik ihrer Regierungen zu beurteilen. Diesen Wahlen kommt eine noch größere Bedeutung zu, wenn man sie in den weiteren Rahmen der europäischen Politik stellt. Schließlich wird jeder Staatsbürger darüber zu entscheiden haben, ob die Methoden der Europawerdung bejaht oder alle Erfolge in dieser Hinsicht in Frage gestellt werden sollen.Nirgends dürfte diese Volksbefragung eine so dramatische Form eines Plebiszites
Unerwartet für die französische und internationale Öffentlichkeit trat die Regierung Pinay vor den Weihnachtstagen zurück und eröffnete dadurch eine Krise, die in starker Weise die französische und europäische Politik beeinflussen wird. Obwohl der Sturz der Regierung von den Auguren des Palais Bourbon seit Wochen vorausgesagt Wurde, wollte doch niemand recht an eine derartige Möglichkeit glauben — natürlich mit Ausnahme der präsumtiven Nachfolger.Der Rücktritt der Regierung ist nicht nur das Werk einer Partei oder der Ausfluß einer zufälligen Konstellation, sondern hat tiefere
Die Kongresse der liberalen Weltunion in Straßburg und der sozialistischen Internationale in Mailand lenken die Aufmerksamkeit auch der breiten Öffentlichkeit auf die verschiedenen Querverbindungen der europäischen Parteien und ihre Wirksamkeit in der internationalen Zusammenarbeit. Schon die beratende Versammlung des Europarates begünstigte die Bildung zwischenstaatlicher Fraktionen. Allerdings haben die Sozialisten von den sich bietenden Möglichkeiten schneller Gebrauch gemacht als die christlichen Demokraten. Vpn einer Einheit der letzteren, in politischer wie doktrinärer Hinsicht, zu
Der Verfasser des nachstehenden Artikels hatte Gelegenheit, im vergangenen Jahr den meisten politischen Jugendkongressen Europas beizuwohnen. Aus zahlreichen Gesprächen mit Vertietern der großen Jugendorganisationen glaubt er, einen Einblick in die Psychologie der politischen Jugend Europas gewonnen zu haben. Er selbst betont, daß seine Beobachtungen nicht Anspruch auf Vollständigkeit oder Allgemein-gültigkeit erheben wollen.Welcher Unterschied zwischen der Jahrhundertwende und der eben beendeten ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts 1 Betrachtet man heute als Zeugnis die Gemälde, die
Die Parteien der christlichen Demokratie sind in einer Reihe von europäischen Ländern nach dem zweiten Weltkrieg zur politischen Führung gelangt. Da und dort haben sie Einbrüche und Rückschläge erlitten, die zu einer Erforschung der Ursachen gemahnen. In Hessen, Bayern und Württemberg-Baden vermochten Wahlerfolge der Sozialdemokratie die Stellung der Christlidi-Demokratischen Union gerade in einem Augenblick zu schwächen, da Europa und im besonderen die Deutsche Bundesrepublik in die kritischeste Lage seit 1945 eingetreten ist. Unverkennbar hatte die CDU trotz ihrer außerordentlichen
Die großen Wahlenthaltungen der letzten Jahre in Frankreich lassen den Schluß zu, daß ein Teil der öffentlichen Meinung des Landes mit der Meinung der organisierten Parteien nicht übereinstimmt, um einer unter ihnen die Stimme zu geben. Es wäre jedoch falsch, daraus ableiten zu wollen, daß nur Indifferenz gegenüber dem politisdien und staatlichen Geschehen die Lethargie weiter Kreise des Volkes erklären würde. Viele unter ihnen suchen sich in den verschiedensten Organisationen zu finden, die entsprechend ihrer Natur sehr verschiedenen Charakter zeigen. Einige sind auf dem Weg, sich
Als die deutschen Truppen 1944/45 das französische Gebiet räumten, hinterließen sie ein teilweise zerstörtes Land, ohne Eisenbahnverbindungen, Verwaltung und staatliche Ordnung, in dem die Gefahr einer kommunistischen Herrschaft bereits aufdämmerte.Durch eine geschickte Propaganda und ständige Infiltration waren die Kader der Resistance von kommunistischen Parteigängern durchsetzt worden. In der eisten und zweiten konstituierenden Versammlung, Oktober 1945 und Juni 1946, nahm die Kommunistische Partei die erste Stellung ein und Thorez wurde nur mit einigen Stimmen geschlagen, als er
Die durch den Außenministerrat am 31. März an die Bundesrepublik Deutschland ergangene Einladung, als assoziiertes Mitglied an den Arbeiten des Europarates teilzunehmen, öffnet nicht nur den Weg zu einer vollständigen Eingliederung Westdeutschlands in Europa, sondern leitet naturgemäß auch einen neuen Abschnitt der alliierten Besatzungspolitik ein.Von der totalen Kapitulation 1945 über das Bonner Grundgesetz bis zum Peters-berger Abkommen sind Jahre verstrichen, welche die gesamte politische Struktur der Welt weitgehend verändert haben. Die Zweiteilung der Erde wurde mehr oder weniger
Der Beschluß der Außenminister der zehn Staaten, die beratende europäische Versammlung für 8. August nach Straßburg einzuberufen, führt zu der Frage, nach welchen Grundsätzen sich dieses Organ konstituieren soll. Am natürlichsten erscheint die Lösung, die Abgeordneten, die entsprechend der Bevölkerungsstärke ihrer Länder vertreten sein werden, einfach als die jeweiligen nationalen Repräsentanten auftreten zu lassen. Das hieße aber letzten Endes, daß wieder nur unter ausschließlich nationalen Gesichtspunkten verhandelt und die Bemühungen zur Schaffung einer kontinentalen Union