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Christliche Demokratie in Prüfung

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Die Parteien der christlichen Demokratie sind in einer Reihe von europäischen Ländern nach dem zweiten Weltkrieg zur politischen Führung gelangt. Da und dort haben sie Einbrüche und Rückschläge erlitten, die zu einer Erforschung der Ursachen gemahnen. In Hessen, Bayern und Württemberg-Baden vermochten Wahlerfolge der Sozialdemokratie die Stellung der Christlidi-Demokratischen Union gerade in einem Augenblick zu schwächen, da Europa und im besonderen die Deutsche Bundesrepublik in die kritischeste Lage seit 1945 eingetreten ist. Unverkennbar hatte die CDU trotz ihrer außerordentlichen Verdienste um den Aufbau Westdeutschlands nicht vermocht, die Massen mit jenem Elan zu beseelen, deren eine Bewegung bedarf, sobald, wie es unvermeidlich der Spitzenkraft in dem Aufbau der westdeutschen Bundesrepublik auferlegt war, undankbare Aufgaben zu lösen sind. Ihr Schicksal hat eine Parallele in dem französischen MRP, das jetzt am Vorabend der französischen Parla-rhentswahlen Risse zeigt; aus kleinen Anfängen der Vorkriegszeit zur ersten Partei Frankreichs emporgewachsen, hatte sie an den Folgen eines jähen unorganischen Wachstums zu tragen, dem sie durch eine rasche und in die Tiefe gehende Organisation der Kräfte nicht Stabilität zu verleihen vermochte. Durch Austritt eftier Reihe von Parlamentariern geschwädit, in allen' Nachwahlen geschlagen, mußte sich das MRP bequemen, die beherrschende Stelle im französischen Bürgertum der Bewegung De Gaulles zu überlassen. Die Regierungskrise, die Ende' November 1950 zu lösen war, zeigte deutlich die Isolierung einer Partei, die gegen eine Allianz der Radikalen mit den Sozialisten mit deutlichen an'.iklerikalen Vorzeichen nur notdürftig gerüstet ist. 1947/48 war die Partei daran gewesen, der natürliche Kristallisationspunkt einer Koalition der christlichen Kräfte des Abendlandes zu werden. Rüdesichten auf innerpolitische Bindungen und die persönliche Bescheidenheit der berufenen Männer hielten das MRP jedoch ab, hiefür eine konsequente Initiative zu verfolgen. Das war ein Verzicht in einer Zeit, da alle Fragen, selbst solche nationalen Charakters, ihre internationalen Verflechtungen offenbarten. — Nicht erfreulicher ist die Betrachtung der Vorgänge in B e 1 g, i e n, wo schonungslose Kritiker sogar von einer absoluten Kapitulation der regierenden Christlichen Partei vor den Mächten der Straße sprachen. Man kann in einer Republik einen Präsidenten wählen und für die Wahl alle Werbemittel de politischen Kampfes in Bewegung setzen; man kann über eine Verfassung das Volk abstimmen lassen. Aber niemals darf man in einem monarchischen Staat den Landesfürsten mitten in das politische Kreuzfeuer stellen und den Monarchen zur Zielscheibe eines mit der größten Leidenschaft geführten Preisschießens machen. Treten in einem solchen Land noch neben nationale Gegensätze Konflikte, die an die Bestandfrage des Staates rühren, dann kann man sich keine verantwortungsvollere Stellung denken als die einer führenden christlichen Partei. Einer nervenerschütternden Periode ist jetzt Beruhigung gefolgt, ohne daß aber das schwere Erlebnis des Landes und seiner christlichen Demokratie schon ganz überwunden wäre.

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