Das österreichische Thema besitzt für englische Historiker und Schriftsteller eine tiefe Faszination; es sind mehr Bücher über das alte Reich, seine Gestalten und die Auswirkungen seiner Politik in London als in Wien erschienen. Wer sich über den Habsburger Staat ernsthaft informieren will, kommt ohne die angelsächsische Literatur längst nicht mehr aus.Ist eine verborgene Wesensaffinität für dieses Phänomen verantwortlich oder die späte Erkenntnis einer geschichtlichen Parallele zwischen dem Schicksal der beiden Reiche, den von Wien und den von London aus regierten? Die besonders
Das lange, aber nicht unfriedliche letzte Ringen hat den großen Mann noch einmal in den Blickpunkt gerückt. Da stand eine gewaltige, fast unbesiegbar scheinende Lebenskraft Ohne die Dissonanz van Schmerz neben dem Sich-bescheiden-Müssen, der Wille zu bleiben neben der demutsvollen Ahnung.Es war still geworden um ihn, in diesen Jahnen. Das Gesicht des großen Staatsmannes hatte schon lang vor der Ehrung im Unterhaus seine letzte Veränderung erfahren: eingefallen war es und kindlich gnomenhaft geworden, seine Augen wurden allzuoft feucht, dabei die Züge maskenhaft, ohne Ausdruck: Ein Stein
Vielleicht ist es erlaubt, hier ganz kurz einige Erinnerungen und frühere Eindrücke wachzurufen; gehöre ich doch der interessanten Generation des Überganges an: als ich das Licht der Welt erblickte, stürzte der Doppeladler bereits tödlich getroffen mit eingezogenen Schwingen nieder — ein Jahrzehnt früher, und die Verbindung mit der Tradition wäre noch einigermaßen selbstverständlich gewesen, ein Jahrzehnt später, und die Trennungslinie hätte sich schon deutlich und tief eingetragen. So ist es bemerkenswert, daß ich das Lied vom „Edlen Ritter“ ganz früh habe singen hören;
Hat es sich ausgezahlt, für ein paar Tage die Reise nach der grünen Insel anzutreten? Die relative Leichtigkeit und Bequemlichkeit der Raumveränderung auf dem Luftwege soll einen nicht dazu verleiten, auf solche „innere Meinungserforschung“ allzu leichtfertig zu antworten; hier geht es nicht um Distanzen und Kosten, sondern ums Engagement, um die Anteilnahme, um die Fähigkeit, sich auf etwas verwirrend anderes umzustellen, um Veränderung zu spüren, Bewegung zu erraten ...Es geht also nicht um die bunten, prächtigen Farbflecke, die. wieder einmal das Graugrün des englischen Alltags
„Europa“, sagte unlängst ein bitterer Kommentator, „das ist der Gemeinplatz, auf dem die Politiker ausweichen, wenn ihnen nichts mehr einfällt.“ Solche Bitterkeit ist gerechtfertigt, aber sie soll unseren Blick nicht trüben. Gibt es nicht tatsächlich Fortschritte? Läßt sich nicht vor allem ein Erstarken des europäischen Bewußtseins feststellen? Viele Beobachter neigen dazu, diese Frage zu bejahen. Aber sie geraten in Verlegenheit, wenn man mehr von ihnen zu erfahren wünscht. Was ist das Wesen dieses Bewußtseins? Ist es ein ins Kontinentale gesteigertes Nationalgefühl? Oder
Es ist das Geheimnis großer Erscheinungen, daß sie die Welt, in der sie leben, in Verlegenheit setzen; daß sie Fragen, die man längst gelöst glaubte, noch einmal stellen, so zwar, daß man sie völlig neu durchdenken muß, und daß sie schließlich alles, was an unserer Haltung anfechtbar, an unserer Ueberzeugung nicht wirklich gesichert und \ in unserem Wollen nicht stark und aus einem Guß ist, wie mit einem Zauberstab sichtbar machen.All das trifft in einem sehr hohen Maße auf Boris Pasternak zu, den russischen Lyriker, Epiker und großen Sprachkünstler, den manche westlichen
Oft habe ich mich gefragt, zu welcher Zeit England am schönsten gewesen sein mag. Churchill scheint der Ansicht zu sein, dem römischen Britannien müßte, was Eleganz und — Komfort anbelangt, die Krone zuerkannt werden. Klar gegliederte Siedlungen, in denen Kult und Administration ihren richtigen Platz hatten, lagen inmitten eines losen Netzes zentralgeheizter Landhäuser. „Fünfzehnhundert Jahre lang lebten die Nachfahren in kalten, unheizbaren Wohnstätten, in denen sie sich nur gelegentlich an riesigen Feuern wärmten ...“Ich selbst möchte dem frühen Mittelalter, bevor der
Es gibt Menschen, die in ihrem Dorf oder Städtchen eine erstaunliche Personalkenntnis besitzen. Sie wissen genau, wieviel Einfluß der Notar besitzt, wodurch die Macht des Bürgermeisters begrenzt wird, welche Schwächen der Totengräber aufweist, wieviel Land und wieviel Schulden der Gutsbesitzer hat und warum der Zahnarzt seine Tochter nicht dem strebsamen Rechtsanwalt zur Frau geben will. Sie wissen das und viel anderes mehr, und all diese personalen oder kausalen Zusammenhänge im Kopf zu behalten und ständig zu ergänzen und zu berichtigen ist eine erstaunliche, aber keine
Zwei englische Journalisten treffen sich. Der eine entsteigt einem schimmernden „Jaguar", der andere einem kleinen Vehikel, dem niemand 80.000 Meilen und mehr würde absprechen wollen. „Noch immer den alten .Morris Minor'!“, kommentiert der „Jaguar“- Besitzer die ohnedies nicht zu übersehende Sachlage, „mußt dich doch einmal nach etwas anderem umsehen!“ So, als ob der Kollege dies bisher nur aus Zeitmangel unterlassen hätte. „Ja, du hast ganz recht, nur... du mußt wissen... kurzum, mir ist noch nichts Häßliches über die Königin eingefallen!“ In dieser Anekdote ist
Die Herzogin von Windsor hat nun ebenfalls ihre Memoiren veröffentlicht; wie man sich erzählt, ist das Unvermögen, mit einer an sich nicht kleinlich bemessenen Zivilliste auszukommen, an der belletristischen Fruchtbarkeit des illustren Paares mitverantwortlich. Auf Seite 352 dieses vom „Forum-Verlag" schön herausgebrachten und gut illustrierten Bandes sehen wir Herzog und Herzogin traulich vereint beim Korrekturlesen der amerikanischen Ausgabe von „Mein Herz hatte recht — Die Memoiren der Herzogin von Windsor“ (366 Seiten, 16 Abbildungen, Preis 128 S). Dieses gemütliche Bild wirkt
Es war vor rund drei Jahren, daß ich in Salzburg ich glaube in der Gesellschaft Lernet-Holenias, di Gattin Peter de Mendelssohns traf, der wir eine de reizvollsten Untersuchungen über die moderne eng lische Literatur verdanken, die sie unter dem Namei Hilde Spiel veröffentlicht hat. Von ihr erfuhr ich daß ihr Mann eben mit fieberhafter Eile (die siel am Ende großer Arbeiten auch dann einstellen würde wenn wir mit ihnen schon nach der Geburt be ginnen könnten) das letzte Kapitel eines Buches übe Winston Churchill gestalte. Diese Mitteilung be stürzte mich, wußte ich doch, daß der
Arthur Wellesley, Sieger von Waterloo, erster Herzog von Wellington und letzter englischer Feldherr, den die Nation mit jener Großzügigkeit beschenkte, die in unserer egalitären Zeit für die Totogewinner reserviert ist, hat das Wort geprägt: „Die englischen Landsitze sind der größte Beitrag unseres Landes zur darstellenden Kunst.” Zweifelsohne entspricht dies den Tatsachen. Die großen Landsitze, zu deren Ausgestaltung innerhalb der letzten sechs- oder siebenhundert Jahre die bedeutendsten Künstler herangezogen wurden, durchziehen, beherrschen und gliedern zusammen mit den großen
Einen konsolidierten Macht- und Diktatstaat aus den Angeln zu heben erfordert lang anhaltende, außerordentliche Kraftentfaltung. Eine lang anhaltende, außerordentliche Kraftentfaltung ist aber auch nötig, ein einmal etabliertes freiheitliches System zu bewahren und weiterzuentwickeln.In diesem Sinn ist es ein wenig bedenklich, gewohnheitsmäßig von der „freien Welt” zu sprechen, entsteht doch so der Eindruck, daß hier die Freiheit jenseits unserer Wachsamkeit ein für allemal gesichert und lizensiert sei, während sie in Wirklichkeit immer wieder freigekämpft werden muß. Diesen
Die amerikanische Politik. Eine Einführung. Verfassung, Staatsleben und politisches System der Vereinigten Staaten. Von D. W. B r o g a n. A.-J.-Walter-Verlag, Stuttgart-Wien. 448 Seiten. Preis 135 SUnsere Epoche kennt zwei zentrale Phänomene: die Begegnung Europas und Amerikas und die Spannung zwischen Europa und Amerika auf der einen, Rußland auf der anderen Seite. Die europäischamerikanischen Beziehungen, auf deren Festigkeit der Friede und die Zukunft der westlichen Welt ruhen, zeigen dabei eiiie Unzahl von Reizmomenten, die einfach darauf .zurückzuführen sind, daß die Partner sich
Es gibt kaum einen Abschnitt in der Geschichte seit 1945, der so rätselumwoben ist wie das bewaffnete Eingreifen der Anglo-Franzosen gegen Aegypten in jenem düsteren Spätherbst des Jahres 1956. Unverständlich der Zeitpunkt der Aktion, unverständlicher seine Motivierung, am unverständlichsten aber die langsame, zögernde und unsichere Art der Durchführung. Dieser Tage ist nun in Paris ein Buch der Brüder Bromberger, die als Kriegsberichterstatter die Landung in Port Said mitgemacht haben, erschienen, das auf die meisten Fragen eine Antwort weiß.Was aber nützen uns diese Antworten,
Die meisten Amerikaner, die nach London kommen, gelangen früher oder später auf den Grosvenor Square, bleiben einen Augenblick vor dem aus grünem Stein gehauenen Standbild Roosevelts stehen und lassen dann ihre Blicke über die gewaltigen Gebäude aus Stein und Glas schweifen, die das Geviert des Platzes ein säumen. Es ist weder der „ICI”, der riesige Chemiekonzern, der sich hier niedergelassen hat, noch eine der großen Oelgesellschaften, sondern die Vertretung der Vereinigten Staaten von Nordamerika, nicht die Botschaft selbst, wie sich versteht, die mit einem Air vom 18. Jahrhundert
Der Bürgermeister von New York hat sich bekanntlich geweigert, den saudi-arabischen König zu empfangen. Tatsächlich ist Saudi-Arabien ein Land, wo es noch immer hart und sehr grausam zugehen kann, selbst die Kompromisse zwischen alten Sitten und amerikanischer Humanität nehmen sich manchmal etwas seltsam aus. Das Enthaupten beispielsweise konnte auch unter dem Einfluß der USA nicht abgeschafft werden, aber die Säbel der Scharfrichter werden nun vor Gebrauch desinfiziert und ein Arzt erhält die Erlaubnis, den Stumpf des Justifizierten mit Mercurochrom zu pinseln; man darf also die
Die konservative Regierung hat bei den letzten Nachwahlen Verluste erlitten, wie man sie sich kaum beunruhigender vorstellen kann. Der auffälligste Rückschlag trat in Leamington, in der Grafschaft Warwickshire, Edens früherem Wahlkreis, ein. Hier mag es sich um einen Sonderfall handeln. Sir Anthony hat in mehr als dreißig Jahren ein sehr enges Verhältnis zu seiner Wählerschaft hergestellt, als er schließlich stürzte, mag für manche seiner Anhänger eine Welt zusammengebrochen sein. Ueber die Trümmer solcher Welten schreitet man nicht zur Urne, das erübrigt sich. Aber auch wenn man
Im selben Augenblick, da der erste Band des großen Geschichtswerkes Winston Churchills, „A history of the English Speaking Peoples” (die fremdsprachigen Ausgaben tragen, über Wunsch des Autors, den kürzeren, aber etwas irreführenden Titel „Geschichte”), in Deutschland erscheint, begrüßt die englische Presse bereits den zweiten Band. Aus verschiedenen Andeutungen lassen sich indes bereits die Konturen des gesamten Werkes nachzeichnen. Während der erste Band die Geschichte der britischen Inseln von der Urzeit bis ins 15. Jahrhundert verfolgt — keine willkürliche Cäsur, formten
Man hört in diesen Tagen manchmal, daß, während die nordatlantische Paktorganisation im Verblassen sei, das Gestirn der Vereinten Nationen mit erhöhter Leuchtkraft am politischen Firmament aufsteige. Soll dies eine poli-' tische Momentaufnahme sein, die nach Bruchteilen von Sekunden gemessen wird, mag das Bild hingehen. Will man jedoch mit solchen Worten den Beginn einer Entwicklung andeuten oder die These vertreten, daß die verschiedenen Pakte von Bagdad bis Warschau und von SAETO bis NATO der Wirksamkeit der UNO entgegenstehen, so beweist man nur, daß man weder die Anatomie des
Erfahrungen formen den Menschen, und das geschichtliche Bewußtsein verleiht seinen Handlungen Profil und Tiefe. Jene einfache und ergreifende Würde, die all das, was Winston Churchill in den Kriegstagen unternahm, auszeichnete, war durch sein Gefühl der Verbundenheit an Vergangenheit und Zukunft bedingt. „Irdischen Wesens sein“, schreibt Sieburg, „heißt Bewußtsein von dem unaufhaltsamen Ablauf der Zeit.“ Bei dem großen Staatsmann ist dieses Bewußtsein zur höchsten Intensität gesteigert. Bei den weniger großen Erscheinungen können jedoch die Ereignisse der Vergangenheit zu
Es ist ein merkwürdiges Phänomen, daß die beiden angelsächsischen Demokratien nicht nur in ihrer offiziellen Deutschlandpolitik übereinstimmen, sondern auch in den Vorschlägen und Anregungen der Opposition gewisse Ärmlichkeiten aufweisen. Käme also 1957 in den USA ein demokratischer Präsident zum Zuge, dem in einer Frist von zwei Jahren oder noch früher ein sozialistischer Premier der englischen Königin folgen könnte, ein plötzlicher Umschwung der westlichen Deutschlandpolitik läge im Bereiche des Möglichen. Das Bremselement einer Divergenz zwischen Foreign Office und State
Uas verteiaigungsKonzept, wie es seinerzeit den Verantwortlichen des nordatlantischen Vertragswerkes in Lissabon vorschwebte, ist nie mit echter Macht aufgefüllt worden. Während das gewaltige, bogenförmige Hauptquartier der NATO am Bois des Bologne allmählich über die Fundamente in die stattlichen Kosten von 100 Millionen Schilling und mehr hineinwächst, steht in Europa nicht eine Macht von 56 Divisionen, sondern von knapp 30, auch von dieser „Papierstärke“ wird in den nächsten Monaten noch ein Teil der Effektivbestände in den Weiten Nordafrikas verzettelt werden. Die wirkliche
In demselben, grün und gold gehaltenen Sitzungssaal de ehemaligen Völkerbnndpalais, in dem die Regierangschefs im vergangenen Juli tagten, wurde am 27. Oktober in Gent die Konferenz der Außenminister der vier Großmächte eröffnet. Man nimmt an, daß die Sitzungen, die nach der Direktive der „Großen Vier“ die Wiedervereinigung Deutschlands und die europäische Sicherheit, die Abrüstungsfrage' und die Intensivierung von Kontakten zwischen West und Ost behandeln sollen, zwei bis drei Wochen dauern werden. Die „Furche“
Der Kontinentaleuropäer, der sich mit dem Phänomen des britischen Commonwealth zu beschäftigen beginnt, durchläuft im allgemeinen drei charakteristische Phasen. In der ersten ist er geneigt, sich ungebührlich beeindrucken zu lassen: Wie von ungefähr steigt plötzlich ein Riesenreich aus den ozeanischen Weiten vor ihm auf, man vermeint ein einheitliches Wirtschaftsgebiet zu erkennen, das von einem mächtigen Souverän beherrscht, ivon einer großen Flotte beschützt und von einem imperialen Generalstab verteidigt wird. In der zweiten Phase stellt sich eine radikale Ernüchterung ein.
In letzter Zeit sind im Ausland zwei Arten von Kommentaren über unsere Alpenrepublik erschienen. Typ Nr. 1 läßt eine Rückkehr zu den alten, liebgewonnenen Klischees erkennen; man ist offenbar erleichtert, daß die Vorstellung eines beschwingten, lebensfreudigen Volkes nicht länger durch die tragische Situation von Menschen zwischen zwei Welten überlagert wird, Menschen, die ihre Existenz nur durch eine latente Bereitschaft zum Heroismus erhalten konnten.Typ Nr. 2 ist völlig anders; er ist von Sorgen, Bedenken, manchmal auch von Vorwürfen grundiert. Wohlmeinend: wenn's nur so bleibt!
Das Zeitalter der industriellen Revolution hat in England zwei Chronisten gefunden, die, von der Statur und dem Vornamen abgesehen, wenig gemeinsam hatten. Einen Dichter und einen Nationalökonomen, Charles Dickens und Karl Marx. Während Marx unzählige Male zitiert, verdammt oder als Kronzeuge beschworen wird, ist das Bild Dickens für den Kontinentaleuropäer ein wenig verschwommen geworden und scheint von einem falschen Behaglichkeitsrand umsäumt. Wieso kommt es eigentlich, daß die Armut vergangener Tage im nachhinein so gemütlich wirkt?Das Bild Charles Dickens wieder lebendig zu
London, im Mai „Continuous rain in London“, anhaltender Regen in London, hieß es auf jenem Zettel, der die Luftpassagiere über alles auf dem laufenden hält. Und unter „landmarks“: Links der Maschine die Lichter von Margate. Aber bald sind es nicht vereinzelte Punkte, die aus dem Dunkel aufscheinen, eine ganze Kaskade von Licht bricht aus dem regenfeuchten Land, zitternde grüne Bälle, weiße Schwerter mit scharfen Spitzen, Tupfen von Creme und Orange, Trauben von Rot. In diesem Gemisch von Naßgrau und Helle, in das die Maschine langsam abgleitet, leben Millionen Menschen, leben
Es läßt sich denken, daß man im Hauptquartier der Konservativen Rarlei Englands über die Entwicklung im sozialistischen Lager eine gewisse Genugtuung enapfindet, die sich angesichts der kommenden Wahlen mit der behaglichen Wärme der Schadenfreude erteilt. Vom Standpunkt der ganzen Nation aus aber muH die immer sichtbarer werdende Zerklüftung der großen Oppositionspartei — Bevan war keinesfalls der erste Rebell dem die parlamejjitarische Betreibung und Leitung, Se in dem Wort ,„whip“ zusammengefaßt wird, entzogen werden mußte —. als ein äußerst bedenkliches Phänomen
Nur allmählich beruhigt sich die Atmosphäre. Langsam verebben die Wogen der Leidenschaft, wie vor ihnen das eisgraue Wasser des Rheins, das bereits die gläsernen Flanken des Bundeshauses umspülte. Die Pariser Verträge haben Gesetzeskraft erhalten, nur eine dünne Membrane — das Votum des Rates der Republik in Paris - muß noch durchstoßen werden und das Langdurchdachte, Vielerörterte wird in den Raum der Wirklichkeit treten.Wo sind die Einwände, die man vorbrachte, als der Plan zum erstenmal in die Welt trat? Wo die Furcht, die damals manch unbeugsames Herz umklammerte? Erinnern wir
ln den kämpfenden Heeren des 18. Jahrhunderts wußte man von all den Feinheiten und präzisen Wendungen der Kabinettspolitik recht wenig. Man wußte jedoch, daß auch der Feind wohlerfahren in der Kunst des Krieges und seiner zahllosen, schönen Regeln war. Soldaten und Armee bewegten sich wie in einer graziösen, wehn auch etwas makabren Quadrille. „MeineHerren Franzosen, schießen Sie zuerst!“ rief ein vor seiner Kompanie schreitender englischer Offizier seinem Gegner zu. Distanzierter kann man es kaum halten. Im milden Licht der Ironie formt sich der Heldenstil des Leisgedämpften, der
Oftmals bin ich um diese Zeit entlang des Rheins gegen Westen gefahren, und immer gewann man den Eindruck einer grauen, glanzlosen Landschaft, an deren Nähten Hügeln und Felsen nur mit Mühe verhindern, daß Fluß und Himmel ohne jedes Aufheben ineinander verfließen. Diesmal ist die Luft glasklar,-das Firmament von lichtestem Blau, und es . geht einem wie bei den Abziehbildern der Kindheit, wenn man das nasse, müde Papierhäutchen wegschob und darunter die Farben zum Vorschein kamen. Denn, mit einemmal gibt es überall Farben, über alle Ufer und Hänge rieseln-sie, Gelb und Braun und
Der Fall Otto John hat das Sicherheitsgefühl der Bundesrepublik zutiefst getroffen. Dies ist auf den ersten Blick ein wenig unverständlich. Zunächst ließe sich ja nachweisen, daß die Weltgeschichte im allgemeinen von den Ergebnissen der Spionage und den Resultaten des Verrats nicht viel zu halten scheint: Hatte die Tat des Oberst Redl den Russen viel genutzt? Wußten die Holländer und Belgier nicht das » deutsche Angriffsdatum und wurden dennoch überrascht, entging die US-Flotte der Verstümmelung vor Pearl Harbour, -weil man den japanischen Marineschlüssel lesen konnte, waren den
Dort, wo jede Faser des Seins sich mit Qual und Bedrängnis vollgesogen hatte, im lichtlosen Alltag der Lager oder auf den endlosen Zügen der Verdammten in den gestreiften Kitteln, mag manchmal der Wunsch nach Vergeltung selbst die Hoffnung auf Freiheit überblendet haben. Oder anders: die Hoffnung auf Freiheit war zunächst die Hoffnung auf Vergeltung.Dann, als die Fesseln fielen, seifkte sich die Vergeltung, an die man als ein blitzschnelles, furchtbares Aufzucken der Rache gedacht hatte, grau, schwer und lastend auf Tage, Wochen, Jahre.Nicht nur weil sie Fleisch vom eigenen Fleisch betraf,
Der englische Feldherr Montgomery hat es für notwendig befunden, vor der Invasion jeden Truppenteil persönlich aufzusuchen, den Männern Vertrauen einzuflößen, sie zu überzeugen, daß der große Plan nicht scheitern kann. Dabei hat er natürlich keinesfalls von Schwierigkeiten mit dem Kriegsministerium oder Reibungen unter den Verbündeten gesprochen, sondern sich auf das Konzept des Angriffs beschränkt. — Die nächsten zwei Jahre werden für Österreich entscheidend sein. Auch hier gibt es einen Angriffsplan, der beste Aussichten hat zu gelingen! Innerhalb dieser kurzen Spanne soll
Vergebens sucht man in den Annalen abendländischer Geschichte nach einem Präzedenzfall; es ist das erstemal, daß einer der historischen Nationalstaaten im schmalen Zeitraum eines Jahrzehnts zwei Angebote auf Reichs- oder Staatsfusion erhalten hat. Angebote auf Verschmelzung geschichtlicher Einheiten, die von Jahrhunderten geprägt wurden und in deren Polarität sich bis dahin das europäische Geschick erfüllt hatte. Der Staat heißt Frankreich, genauer: die Dritte und Vierte französische Republik, die Brautwerber waren zuerst Winston Churchill, dann Konrad Adenauer. Das Angebot des