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Inwiefern hatte ihr Herz recht?

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Die Herzogin von Windsor hat nun ebenfalls ihre Memoiren veröffentlicht; wie man sich erzählt, ist das Unvermögen, mit einer an sich nicht kleinlich bemessenen Zivilliste auszukommen, an der belletristischen Fruchtbarkeit des illustren Paares mitverantwortlich. Auf Seite 352 dieses vom „Forum-Verlag" schön herausgebrachten und gut illustrierten Bandes sehen wir Herzog und Herzogin traulich vereint beim Korrekturlesen der amerikanischen Ausgabe von „Mein Herz hatte recht — Die Memoiren der Herzogin von Windsor“ (366 Seiten, 16 Abbildungen, Preis 128 S). Dieses gemütliche Bild wirkt merkwürdigerweise unbehaglich, man hat das Gefühl, es ist gerade jemand hinausgeschickt worden, die schöne Empiretüre hat sich gerade noch vor dem Knipsen geschlossen, und sieht man genauer hin, entdeckt man sogar einen leeren Gobelinsessel im Hintergrund. Da muß er gesessen haben, der „ghostwriter" nämlich, man läßt es sich nicht nehmen. Denn wenn dieses Buch ein Erstlingswerk ist, wenn sich hier nicht eine ungemein versierte Hand versucht hat, wenn all das wirklich von der früheren Mrs. Simpson verfaßt wurde, so kann man beinahe auch an die quadratwurzelziehenden Pferde glauben

— was nicht als ungalantes Bild interpretiert werden möge. Freilich gibt es begabte Erstlingswerke, aber sie sind niemals so gelassen, natürlich, lässig entspannt, sie treffen niemals so haargenau den Ton, der einer reifen Frau gut ansteht, sie segeln niemals mit soviel Geschick um all die heiklen Klippen, die es da zu umschiffen gibt. Denn dieses Buch ist schön geschrieben und sehr lesbar, es ist taktvoller, als man befürchten mußte und zugleich amüsanter und offenbart ein Talent, das zu verhehlen — um mit Milton zu sprechen — für die Herzogin in all den Jahren zwar nicht „Tod", aber doch sehr viel Unbequemlichkeit bedeutet hätte. Inmitten dieses Lebenslaufes, dessen Konturen als bekannt vorausgesetzt werden können, ergeben sich immer wieder stille Augenblicke, Rückblicke und Betrachtungen, die der Geschichte jene Distinktion verleihen, an der ihr es ansonsten mangelt. So schreibt die Herzogin von ihrem Leben in Peking, daß man dort die Hast der heutigen Zivilisation nicht gekannt habe. „Die Zeit war vielmehr eine Ueberschußware, die man auf die Launen des Augenblicks verschwenden konnte, und diese Launen waren... so sanft stilisiert, wie die Episoden auf einem chinesischen Wandschirm.“

Man glaube ja nicht, daß solche kleine Betrachtungen uns rein zufällig dargeboten werden, sie sind hier keinesfalls „Ueberschußware“, sondern formen das Bild einer Persönlichkeit, der wir ihffe Geschichte entweder kaum glauben oder kaum übelnehmen können. Dann und wann hilft allerdings all die angewandte Kunst nicht mehr. Während man im Zusammenbruch der ersten Ehe mit dem manisch- depressiven Fliegeroffizier der jungen Amerikanerin seine Sympathien nicht versagen kann, sind die Gewichte in der Ehe mit Mr. Simpson doch ganz anders verteilt. Mr. Simpson scheint ein feinfühliger und liebenswürdiger Gatte gewesen zu sein. Wir erfahren nichts von einer allmählichen Entfremdung, einer Bruchlinie, von Zwistigkeiten ... wir erfahren nur von der zunehmenden Neigung zwischen dem jetzigen Herzog von Windsor, dem damaligen Prinzen of Wales, der inzwischen auch König von England war, und als diese Zuneigung ihrem Höhepunkt zustrebt, da gibt es plötzlich im Leben des unnötig werdenden Ehemanns, im Leben des braven Mister

Simpson eine „andere Frau". Aber, aber... so plötzlich? Und wie gelegen sich diese „andere Frau“ doch einstellt! Ebensowenig gelingt es, die Art und Weise zu verschönern, in der der Herzog sich von den Nationalsozialisten düpieren ließ, und hier überkommen einen gewisse Zweifel ob der Absichten der Verfasserin. Das Gespräch zwischen dem großen, weltgeschichtlichen Dämon unserer Zeit, Adolf Hitler, und einem früheren Herrscher des englischen Weltreiches gibt sie folgendermaßen wieder:

„Auf dem Weg zurück fragte ich David, ob er ein interessantes Gespräch mit Hitler gehabt hätte. Ja, sehr“, sagte er und blätterte in einer Zeitschrift. .Habt ihr über internationale Politik gesprochen?1 — .Aber, Liebling, du kennst doch mein Prinzip! Ich würde mich niemals mit ihm in eine politische Diskussion einlassen!“ — ,Du warst doch länger als eine Stunde bei ihm, über was habt ihr denn gesprochen?'

— .Meistens hat er gesprochen.“ — ,Nun, über was denn?' — ,0h, das Gewöhnliche, was er für Deutschland tun will, und über den Bolschewismus.' — ,Was hat er über den Bolschewismus gesagt?“ — ,Er ist dagegen“ — Auch an anderen Stellen wird der Herzog in all seiner politischen Naivität abkonterfeit. Warum wohl? Es gibt zwei Erklärungen, die sich wohl ergänzen könnten. Die erste ergibt sich aus dem Titel: „Mein Herz hatte recht.“ Wieso eigentlich? Vielleicht, weil der Herzog nie das Zeug in sich hatte, ein guter König zu sein, weil er zugleich eigensinnig, naiv und töricht ’sein: konnte? Die zweite ist wärmere menschlich sympathischer. Es kann nämlich sein, daß die Herzogin von jenen Veröffentlichungen wußte, die den Aufenthalt des Paares in Spanien und Portugal nach Ausbruch des Krieges in ein seltsames Zwielicht rücken, es kann sein, daß sie begriff, daß man seine politische Einfalt zugeben, ja heraussteilen müßte, um ihn vor schwerwiegenderen Vorwürfen (die er sicher nicht verdient) zu schützen. Daß der Anblick dieses politischen Eintopfgerichtes mit Purpurüberguß manche Kritiker zu Aussprüchen Veranlaßt hat, die insgesamt mit den Worten beginnen: „Wer weiß, welchen Verlauf die Geschichte genommen hätte, wenn nur der Herzog von Windsor König geblieben wäre...“ läßt einen den Glauben an die menschliche Phantasie wiedergewinnen, den an die menschliche Einsicht verlieren.

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